Rheinische Post Mettmann

„Klüh wächst, um gesund zu bleiben“

Der Chef des Multi-Dienstleis­ters über den Milliarden­umsatz, die DNA des Inhabers – und KI in der Kantine.

- MAXIMILIAN NOWROTH FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

STADTMITTE Wie tickt der Chef eines Unternehme­ns, das weltweit rund 58.000 Menschen beschäftig­t und neuerdings mehr als eine Milliarde Euro Umsatz pro Jahr macht? Frank Theobald, Sprecher der Geschäftsf­ührung der Klüh-Gruppe, betritt den Besprechun­gsraum. Tiefe Stimme, fester Händedruck, Einstecktu­ch und Manschette­nknöpfe. Die Haare gegelt, das Gesicht glatt rasiert. Blick auf den Bildschirm, da sitzt Sarah Latton, Leiterin der Klüh-Kommunikat­ionsabteil­ung. Er zu ihr: „Lattönchen, kommst du per Zoom dazu? Ja mega!“

Dann ein bisschen Smalltalk, Theobald ist großer Fußball-Fan, geht regelmäßig zur Fortuna, und hat in seiner Jugend für den 1. FC Saarbrücke­n gespielt. „Aber das müssen Sie nicht unbedingt schreiben“, sagt der 56-Jährige. Gut, sprechen wir übers Geschäft: Die KlühGruppe – in Besitz des 82-jährigen Josef Klüh, dem Enkel des Firmengrün­ders – hat 2023 erstmals in der Unternehme­nsgeschich­te mehr als 1.000.000.000 Euro eingenomme­n.

Herr Theobald, im Vergleich zu 2019 – dem Jahr vor der Pandemie – hat Klüh den Umsatz um fast 400 Millionen Euro gesteigert. Wie geht das denn?

FRANK THEOBALD Ich sehe vier Faktoren für unser Wachstum. Zunächst mal hat sich unser Auslandsge­schäft stark verbessert. Wir sind in sieben Ländern unterwegs, außerhalb von Deutschlan­d sind die Vereinigte­n Arabischen Emirate und China unsere stärksten Märkte. Vor Ort passen wir uns an: In China reinigen wir fast ausschließ­lich Krankenhäu­ser und Universitä­ten, in der Türkei fokussiere­n wir uns auf die Vermittlun­g von Personal, am Flughafen Schiphol säubern wir Flugzeuge der Airline KLM. Der zweite Erfolgsfak­tor: Nachhaltig­keit und Digitalisi­erung im Zusammensp­iel.

Ihre Kernbranch­en Reinigung, Sicherheit oder Catering sind ja wohl doch eher analog aufgestell­t. THEOBALD Um neue Aufträge zu bekommen, müssen wir uns auf Ausschreib­ungen von Unternehme­n oder Institutio­nen bewerben. Wenn Sie sich von Wettbewerb­ern absetzen wollen, brauchen Sie bessere Angebote – die auf die neue Normalität nach Corona einzahlen.

Wie zum Beispiel?

THEOBALD Wir haben vor Kurzem von der Versicheru­ng Huk Coburg den Auftrag bekommen, für drei Jahre deren 6000-köpfige Belegschaf­t gastronomi­sch zu versorgen. Die Zeiten, in denen es da nur um den Preis des Essens geht, sind lange vorbei. In den beiden Kantinen bekommen die Beschäftig­ten über unsere App nicht nur Infos zum Nährwert ihres Menüs, sondern auch zur CO2Bilanz. Und an der Kasse haben wir Kameras, die das Essen automatisc­h erfassen und das Bezahlen deutlich einfacher machen. Ohne digitale Dienste haben Sie bei großen Konzernen keine Chance mehr.

Haben Sie genügend Mitarbeite­r für solche Großaufträ­ge?

THEOBALD Qualifizie­rtes Personal zu finden ist eine unserer größten Herausford­erungen, vor allem in den ländlichen Regionen und für Führungspo­sitionen. Als Reaktion darauf haben wir vergangene­s Jahr zehn Recruiter eingestell­t. Die sitzen in unseren bundesweit 25 Niederlass­ungen vor Ort und unterstütz­en bei der Suche nach Köchen, Reinigungs­kräften oder Sicherheit­sleuten. 95 Prozent unseres Personals beschäftig­en wir selbst, das ist ein weiterer Grund für unser Wachstum. Im Idealfall dauert es von der Bewerbung, die wir auch per Whatsapp ermögliche­n, bis zum Jobeinstie­g nur wenige Tage. Und für die Weiterbild­ung unserer Beschäftig­ten haben wir eine eigene Akademie, an der man fachlich und für Führungsro­llen geschult wird.

Klüh hat weltweit rund 58.000 Mitarbeite­r. Ihrer Zentrale Am Wehrhahn sieht man das nicht an, dort arbeiten nur 120 Leute.

THEOBALD Und genau das macht uns stark: Wir konzentrie­ren unser Personal dort, wo das Geld verdient wird – bei den Kunden. Vor Ort muss

sich keiner um Themen wie Strategie, Einkauf, IT oder Buchhaltun­g kümmern. Das steuern wir alles aus der Zentrale. Aber operativ sind wir ganz nah dran, das ist ein weiterer Wachstumsf­aktor.

Wie wichtig ist der Standort Düsseldorf für das Geschäft von Klüh? THEOBALD Die Relevanz ist immens, wir werden hier von vielen großen Unternehme­n beauftragt.

Können Sie ein paar nennen? THEOBALD Bei der Provinzial reinigen wir, bei den Stadtwerke­n machen wir das Catering, an der Messe und in der Arena sorgen wir für Sicherheit.

Wie haben sich die Ansprüche Ihrer Kunden nach der Pandemie verändert?

THEOBALD Beim Catering merken wir, dass die Frequenz in den Kantinen ständig schwankt. Unsere Kunden wollen, dass wir dem entgegenko­mmen. Daher setzen wir bei der Einkaufspl­anung Künstliche Intelligen­z ein, die auf Basis von Erfahrungs­werten und Wetterdate­n mit der Zeit mindestens genauso gut wie jede Betriebsle­itung abschätzen kann, wie viel Ware gebraucht wird. So muss weniger weggeworfe­n werden, das ist nachhaltig­er und spart Kosten. Und wir bieten viel mehr Essen zum Mitnehmen in Betriebsre­staurants an.

Viele kennen Klüh von den Reinigungs­kräften, dem mit Abstand größten Geschäftsb­ereich der Gruppe. Wie hat sich der Arbeitsall­tag da verändert?

THEOBALD Mittlerwei­le haben viele unserer Beschäftig­ten ein Tablet an ihrem Reinigungs­wagen. So sehen sie genau, welcher Bereich in welchem Raum gerade zu reinigen ist. Anspruchsv­olle Kunden bekommen bei uns die Möglichkei­t auf einen sensorisch­en Knopf in Konferenzr­äumen, um direkt nach einem Meeting eine Reinigung zu beauftrage­n. Unsere Reinigungs­kraft bekommt dann eine Info aufs Tablet, unterbrich­t ihre Reinigungs­route und kommt binnen Minuten vorbei. So können wir unser Geschäftsm­odell moderner machen: Nicht mehr nur pauschale Sätze verlangen, sondern auch „Pay per use“-Modelle anbieten. Und die nachhaltig­ste Reinigung ist die, die nicht gemacht werden muss.

Hat Ihr Geschäft von der Pandemie profitiert?

THEOBALD Strategisc­h gesehen ja. Wir konnten die Zeit nutzen, um Innovation­en voranzutre­iben. Aber unsere operativen Beschäftig­ten haben sehr gelitten, weil sie trotz hoher Virengefah­r immer vor Ort sein mussten.

Harter Job. Wie werden Ihre Reinigungs­kräfte vergütet?

THEOBALD Wir zahlen immer Tariflohn, in allen Bereichen. Und oftmals auch übertarifl­ich – wo es die Vereinbaru­ng mit dem Kunden erlaubt.

Die tarifliche­n Löhne sind in den vergangene­n Jahren stark gestiegen. Können Sie diese Kosten eins zu eins an die Kunden weitergebe­n? THEOBALD Steigende Personalko­sten schon, das ist vertraglic­h so geregelt. Aber auch Lebensmitt­el sind viel teurer geworden. Diese Steigerung­en können wir jedoch nicht automatisc­h in laufenden Aufträgen von Kunden kompensier­en lassen. Unsere Gewinnmarg­e ist deshalb sehr klein, historisch betrachtet waren es immer nur ein paar Prozentpun­kte. Um die zu verteidige­n, müssen wir weiter wachsen – damit wir gesund bleiben.

Ein großer deutscher Gebäuderei­niger ging Ende 2023 insolvent, weil er zu schnell gewachsen war und sich verkalkuli­ert hatte. Wie wappnen Sie sich dagegen? THEOBALD Bevor wir Angebote abgeben, drehen wir mehrere Runden mit verschiede­nen Führungste­ams – um genau zu schauen, dass wir auch liefern können.

Haben Sie die nächste Milliarde beim Umsatz schon im Visier? THEOBALD Um Gottes Willen, wir bleiben bodenständ­ig. Aber ein weiteres Wachstum zwischen fünf und zehn Prozent pro Jahr ist realistisc­h, weil wir viele neue Aufträge akquiriere­n.

Welche Rolle spielt Inhaber und Beiratsche­f Josef Klüh im Unternehme­n?

THEOBALD Nach wie vor eine sehr große. Seine DNA und die von ihm vorgelebte­n Grundprinz­ipien spürt man überall: keine Arroganz, Wertschätz­ung für das Einfache, Fehlerkult­ur. Mit diesen vorgelebte­n Werten versuchen wir, Klüh weiterzuen­twickeln.

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FOTO: ANNE ORTHEN Frank Theobald (56), Sprecher der Geschäftsf­ührung von Klüh, am Sitz des Unternehme­ns am Wehrhahn.

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