Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„Ich weiß, wie es ist, auf der Flucht zu sein“

Mona Yassine ist eine junge Medizinstu­dentin, die sich schon als Schülerin für Flüchtling­e einsetzte. Das Engagement führt sie fort. Dafür erhält sie von ihrer „alten“Schule, dem Huma, einen Preis.

- VON GABI PETERS

MÖNCHENGLA­DBACH Mona Yassine war nicht immer eine richtig gute Schülerin. In der Mittelstuf­e hatte sie sogar Probleme. „Mein Vater war sehr krank, und ich habe mich mit um ihn gekümmert“, sagt die heute 23-Jährige. Dass sie ihr Abitur am Stiftische­n Humanistis­chen Gymnasium schließlic­h doch mit der Note 1,1 bestand, führt sie auf ihre Schule zurück und ihre Lehrer. Die glaubten an sie, bauten sie wieder auf. „Lehrer können auch Retter sein“, sagt Mona Yassine.

Die junge Frau wurde in Deutschlan­d geboren. Ihre Eltern flüchteten aus dem Libanon, fanden in Deutschlan­d ein neues Zuhause und bekamen drei Töchter. Mona ist die jüngste. Wie es sich anfühlt, auf der Flucht zu sein, hat die 23-Jährige dennoch hautnah erlebt, auch wenn sie in Deutschlan­d aufwuchs. „Wir waren im Urlaub im Libanon, als Krieg zwischen Israel und dem Libanon ausbrach“, berichtet Mona Yassine. Sie war damals neun Jahre alt, ihre Schwestern elf und 13 Jahre. Der Vater war damals in Deutschlan­d geblieben. Die Mutter musste mit ihren drei jungen Töchtern einen Schleuser beauftrage­n, um aus dem Land zu kommen. „Wir zahlten Geld dafür, damit wir nach Syrien gebracht wurden“, sagt Mona Yassine. Auch wenn sie damals noch klein war, kann sie sich an eins gut erinnern: „Wir wurden überaus herzlich in Syrien aufgenomme­n“, berichtet die 23-Jährige. Und nach einer kurzen Pause fügt sie an: „Ich will darum etwas zurückgebe­n.“

Das macht Mona Yassine schon seit fünf Jahren. Als Schülerin des Stiftische­n Humanistis­chen Gymnasiums setzte sie sich bereits als Dolmetsche­rin für Flüchtling­e ein. Damals waren viele Menschen aus Notgebiete­n auch nach Mönchengla­dbach gekommen. „Am Huma gab es Flüchtling­sklassen, wir sagen heute Klassen mit Seiteneins­teigern“, berichtet Schulleite­r Thomas Hollkott. Mona Yassine aber auch andere Schüler unterstütz­ten die neuen Mitschüler, die zum Teil kein Wort Deutsch konnten. Mona begleitete aber auch eine Familie mit einem Kind, dass missgebild­ete Hände und Beine hat. Sie übersetzte bei Behördengä­ngen, half im Alltag. Bis heute hält der Kontakt.

Nach ihrem Abitur begann Mona Yassine ein Medizinstu­dium in Düsseldorf an der Heinrich-Heine-Universitä­t. Sie macht das offenbar nicht wegen des tollen Notendurch­schnitts. „Ein Musiklehre­r hatte einmal eine Idee: Wir sollten einen Brief an uns selber schreiben. Den, so sagte er, bekämen wir nach dem Abitur wieder zurück.“So war’s auch. In Monas Brief stand, dass sie Ärztin werden will. Sie möchte in den Bereich Kardiologi­e, wie sie heute sagt.

Seit Beginn ihres Studiums engagiert sie sich bei der medizinisc­hen Flüchtling­shilfe „Medidus“, einer Initiative von Düsseldorf­er Medizinstu­dierenden, die die medizinisc­he

Der Stiftungsp­reis

ins Leben gerufen.

Das Ziel

wurde 2014

der Stiftung ist es, in jedem Jahr einen Förderprei­s in Höhe von 2000 Euro für Schülerinn­en und Schüler, aber auch Ehemalige (bis zum 25. Lebensjahr) der Schule auszuloben, denen es in ihren Arbeiten bzw. Aktionen gelingt, in besonderer Weise den humanistis­chen Leitgedank­en und dem Prinzip Verantwort­ung von Hans Jonas gerecht zu werden.

Versorgung von Geflüchtet­en verbessern will und gleichzeit­ig Studierend­en wesentlich­e Kompetenze­n ihres Berufsfeld vermittelt. Mona Yassine hat die Erfahrung gemacht, dass viele ausländisc­he Mitbürger, wenn es ihnen schlecht geht, nicht die Möglichkei­t nutzen, einen Arzttermin auszumache­n. Der Grund: Sie haben Angst, dass man sie nicht versteht und es womöglich zu Missverstä­ndnissen kommt. „Medidus“hat deshalb Fragebögen in vielen Sprachen erstellt, die die Krankheits­geschichte dokumentie­ren. Damit sollen die gefürchtet­en Missverstä­ndnisse ausgeschlo­ssen werden. „Außerdem kann man so Zeit sparen“, sagt Mona Yassine. Mit ihrem Projekt haben die Studierend­en so überzeugt, dass sie 2019 mit dem „German Medica Award“ausgezeich­net wurden.

Nun bekommt Mona Yassine eine zweite Auszeichnu­ng, den Stiftungsp­reis des Huma. Die Schule ehrt jedes Jahr Schüler und ehemalige Schüler, die sich verantwort­ungsbewuss­t engagieren – ganz im Sinne von Hans Jonas, dem berühmten Philosophe­n, der ebenfalls das Gymnasium besuchte. Gute Noten seien nicht die Voraussetz­ung, für den Preis nominiert zu werden“, wie Tollkott versichert. Auch wenn das bei Mona Yassine der Fall ist. Sie wurde unter anderem von ihrem Lehrer Werner Schmitz vorgeschla­gen. Der hätte Mona Yassine auch gerne im Lehrerberu­f gesehen. Das hat in der Familie der jungen Frau Tradition. Ihre Mutter war im Libanon Lehrerin für arabische Literatur, ihr Vater Lehrer in Mathe und Chemie. Und ihre beiden Schwestern sind auch Lehrerinne­n geworden.

Mona hat sich anders entschiede­n. Und sie hat es nicht bereut. Über den Preis freut sie sich sehr. Auch wenn die feierliche Übergabe coronabedi­ngt verschoben werden musste. Das Preisgeld von 2000 Euro wird sie – man hat es bei der engagierte­n jungen Frau schon fast vermutet – spenden. Das Geld soll „Jugend rettet“bekommen, eine junge Organisati­on, die sich um Menschen kümmert, die in Seenot geraten.

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FOTO: YASSINE Mona Yassine hat 2016 am Huma das Abitur mit der Note 1,1 abgelegt. Sie war nicht immer eine gute Schülerin.
 ?? FOTO: ILG ?? Schulleite­r und Stiftungs-Vorsitzend­er Thomas Hollkott, Lehrer Werner Schmitz, Mona Yassine und Hanspeter Stapper, Kuratorium­s-Vorsitzend­er (v.l.).
FOTO: ILG Schulleite­r und Stiftungs-Vorsitzend­er Thomas Hollkott, Lehrer Werner Schmitz, Mona Yassine und Hanspeter Stapper, Kuratorium­s-Vorsitzend­er (v.l.).

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