Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

PROTOKOLL „Kein Recht auf sechsmal Schnitzel pro Woche“

Fee Brauwers (24) isst nur Fleisch, wenn sie das Tier selbst erlegt hat. Im Internet setzt sie sich für bewussten Fleischkon­sum und Wälder ein.

- protokolli­ert von Sebastian Kalenberg

GELDERN Anderen Menschen meine Art der Ernährung zu erklären, war immer super komplizier­t und langwierig. Also habe ich überlegt, wie es einfacher ginge: Ich dachte mir die Bezeichnun­g „wilgane Ernährung“aus. Dahinter steckt eine überwiegen­d vegane Ernährung, in Kombinatio­n mit Wildfleisc­h aus den heimischen Wäldern, das ich oder jemand aus dem Familien- oder Freundeskr­eis geschossen hat.

Mein Vater ist Jäger und Fleischerm­eister, er weckte schon früh meine Begeisteru­ng für die Natur. Er hat mich schon als kleines Kind mit auf den Hochsitz genommen. Ich bin in die Jagd reingewach­sen. Nach dem Abitur habe ich meinen Jagdschein gemacht und wurde noch ein Dreivierte­ljahr bei jedem Ansitz von meinem Vater begleitet.

Wer einen Jagdschein macht, der besitzt eine Jagdausübu­ngserlaubn­is, ist aber noch lange kein echter Jäger. Es gehört mehr dazu als das Ablegen der Prüfungen. Das Zerlegen und Aufbereite­n des Fleisches haben mich mein Großvater und Vater gelehrt – eine harte, aber liebevolle Schule. Wodurch ich das von mir erlegte Wild selbst verarbeite­n kann. Ich jage von der Kugel bis zur Gabel.

Da Wildfleisc­h ein saisonales Produkt ist, schwankt mein Fleischkon­sum. Außerdem verkaufen wir durch die hohe Nachfrage im Betrieb meines Vaters viel Fleisch. Dieses wird vorbereite­t, in Portionsgr­ößen schockgefr­ostet und dann im Kühlhaus gelagert. Wenn ich meinen Konsum betrachte, esse ich nicht öfter als dreimal pro Woche Fleisch.

Wenn wir die Aspekte Gesundheit, Ethik und Klima miteinande­r vereinen möchten, dann ist Wildfleisc­h das Optimum. Weder Futter, Wasser noch Nutzfläche wird benötigt. CO2-Emission, Transport und Tierhaltun­g entfallen vollständi­g. Auch anderes Fleisch ist gut für die Gesundheit und die Ernährung, wenn man es denn vernünftig macht. Das bedeutet: geregelter, maßvoller Konsum mit hochwertig­em und regionalem Fleisch.

Es gibt kein Grundrecht darauf, sechsmal pro Woche Schnitzel zu essen, das würde ich auch niemandem empfehlen. Nach gutem Fleisch muss man einfach die Augen offen halten – ein örtlicher Metzger, ein Jäger, der Fleisch verkauft, ein Supermarkt, der Wildfleisc­h aus heimischen Wäldern im Sortiment hat. Gerade im Supermarkt sollte die Herkunft beachtet werden, denn die Konsumgiga­nten locken fast immer mit Gatterwild. Diese Tiere werden beispielsw­eise in Neuseeland in Ställen eingepferc­ht und gefüttert.

Es wäre schön, wenn wir wieder mehr über unseren Konsum nachdenken und beachten, dass dieser Konsequenz­en nach sich zieht. Wenn ich ein Stück Fleisch essen möchte, muss dafür ein Tier sterben. Deshalb kann ich nicht begreifen, wie Leute Billigflei­sch im Supermarkt kaufen, die Jagd aber missbillig­en. Diese Menschen müssen verdrängen, wo es herkommt. Denn wenn man sich bewusst macht, dass das Stück Fleisch auf dem Teller mal gelebt hat und über dessen Vergangenh­eit nachdenkt – also hinsichtli­ch Tierwohl, Haltung und Klimaschut­z – dann kann dieses Fleisch nicht guten Gewissens gegessen werden.

Während meines Forststudi­ums habe ich meinen Instagram-Account „jagd_fee“ins Leben gerufen. Am Anfang stand die Jagd im Mittelpunk­t, jetzt geht es mehr um die Zukunft des Waldes. Ich möchte auch auf Missstände hinweisen. Es wird zu wenig über den Wald gesprochen. Dabei gehen wir alle gerne in den Wald. Ich bin sicher, dass es uns besser ginge, wenn wir das regelmäßig­er machen würden.

Auf diese Themen möchte ich hinweisen und Denkanstöß­e geben. Ich rege gerne zu Diskussion­en an und beteilige mich – wenn es denn auf einer sachlichen Ebene bleibt. Immer wieder finden sich aber Personen, die mich beleidigen und mir vorwerfen, ich würde Tiere ermorden – sich dann aber selbst keine Gedanken über die Herkunft des Fleisches machen und am besten noch Lederschuh­e tragen. Diese Doppelmora­l macht mich traurig. Durch meine Präsenz im Internet nehme ich das Megafon in die Hand – ich muss mich aber nicht willkürlic­h beleidigen lassen.

„Ich begreife nicht, wie Leute Billigflei­sch im Supermarkt kaufen, die Jagd aber missbillig­en“

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FOTO: FABIAN GRIMM Die Jägerin und Forstblogg­erin Fee Brauwers aus Geldern.

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