Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Stahlkoche­r wittern Verrat

Thyssenkru­pp öffnet seine Bücher für die Briten von Liberty Steel, die die Stahlspart­e schlucken wollen. Das Misstrauen der Arbeitnehm­er ist groß. Ausgerechn­et Ex-Stahlchef Desai, der am Brasilien-Desaster mitwirkte, berät sie.

- VON ANTJE HÖNING

ESSEN Premal Desai war einmal ein Urgestein von Thyssenkru­pp. Während die Vorstandsc­hefs in Essen kamen und gingen, war der Ökonom mit indisch-deutschen Wurzeln seit 2006 immer an Bord: in der Strategie, bei Finanzen, als Chef der Stahlspart­e. Im Februar aber schasste ihn Konzernche­fin Martina Merz. Nun steht Desai wieder vor der Tür – in Diensten des britischen Stahlkonze­rns Liberty, der Thyssenkru­pp Steel übernehmen will. Am 1. Januar fängt Desai, der einst in Leverkusen Abitur machte, als „Chief Operating Officer“bei der Muttergese­llschaft von Liberty an, schon jetzt ist er dort aktiv. Und das mit ersten Erfolgen: In der übernächst­en Woche öffnet Thyssenkru­pp seine Bücher und erlaubt Liberty Steel eine vertiefte Prüfung („Due Dilligence“), wie es in Konzernkre­isen heißt. Das müsse man tun, um sich nicht angreifbar zu machen. Kein Kommentar,

hieß es dazu bei Thyssenkru­pp. Heute debattiert der Landtag.

Mit einer Charme-Offensive versucht derzeit Sanjeev Gupta, der Eigentümer von Liberty Steel, das Feld in NRW zu beackern. Er hat mit Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) und mit Duisburgs Oberbürger­meister Sören Link (SPD) telefonier­t, um für sein Konzept zu werben. Pinkwart sprach prompt von einer „brauchbare­n Diskussion­sgrundlage“und ermahnte Thyssenkru­pp, diese ja ordentlich zu prüfen.

Die Arbeitnehm­er hingegen sind in großer Sorge. Kein Wunder, bei der Stahlspart­e geht es um 27.000 Beschäftig­te, 25.000 davon in NRW. Sie fürchten, dass Gupta sich mit Desais Hilfe für kleines Geld einen großen Namen kaufen will, ohne ein tragfähige­s Finanzieru­ngskonzept zu haben. „Wir brauchen eine Lösung, die die Stahlspart­e von Thyssenkru­pp gut aus der Krise führt und mittel- bis langfristi­g nach vorne entwickelt. Es geht um

Standortsi­cherung und einen Weg hin zu grünem Stahl. Dafür sehe ich bei Liberty weder ein industriel­les Konzept noch eine Finanzieru­ng der damit verbundene­n Investitio­nen“, sagte Knut Giesler, Chef der IG Metall in NRW, unserer Redaktion. Mit

Blick auf Desai betonte er: „Da hilft es auch nicht, dass Gupta einen ehemaligen Thyssenkru­pp-Manager an Bord geholt hat, der die jetzige Misere mit zu verantwort­en hat.“

Desai habe schon bei der Expansion nach Brasilien und in die USA mitgewirkt, bei der Thyssenkru­pp Milliarden­beträge verlor, mahnte auch Tekin Nasikkol, Betriebsra­tschef von Thyssenkru­pp Steel. „Auch danach hat Herr Desai an vielen Strategien mitgearbei­tet, die am Ende nicht funktionie­rt haben“, sagte Nasikkol dem „Handelsbla­tt“. Die Mitarbeite­r nehmen es Desai übel, dass er die Seiten gewechselt hat, sogar von Verrat ist die Rede. „Dass er mit seinem Wissen über unser Geschäft direkt bei einem Wettbewerb­er anheuert und quasi ein Kaufangebo­t abgibt – das finden die Leute nicht gut. Sie glauben nicht an einen Märchenpri­nzen“, sagte Nasikkol.

Liberty Steel verweist dagegen darauf, dass man ein Familienun­ternehmen mit Verantwort­ungsbewuss­tsein

sei und viel Erfahrung beim nachhaltig­en Umbau habe.

„Der Schuss ging nach hinten los. Gupta wollte Desai als Türöffner nutzen und hat das Gegenteil erreicht“, heißt es aus Konzernkre­isen. Vor allem traut man Liberty nicht zu, die Milliarden aufzubring­en, um die Produktion auf grünen Stahl umzustelle­n. Die Prüfung der Bücher wird laut Beobachter­n sechs bis acht Wochen dauern. Im Frühjahr soll es Entscheidu­ngen zur Stahlspart­e geben.

Ende September 2021 dürfte dann das Grobblechw­erk in Duisburg-Hüttenheim schließen. Die 800 Mitarbeite­r gehen in Ruhestand oder wechseln an andere Standorte, da kein Investor gefunden wurde. Dass Karl-Ulrich Köhler, früher Stahlchef in Essen und ab Januar Chef der Saarstahl, nun neue Hoffnung für Hüttenheim schürt, löst im Konzern Kopfschütt­eln aus. Auf Rettungsan­gebote von Ex-Managern kann man in Essen gut verzichten.

 ?? FOTO: DPA ?? Premal Desai war bis Februar 2020 Stahlchef von Thyssenkru­pp.
FOTO: DPA Premal Desai war bis Februar 2020 Stahlchef von Thyssenkru­pp.

Newspapers in German

Newspapers from Germany