Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Ich fürchte um meinen Traumjob

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mit angepackt.Im März ahnten wir noch nicht, was da mit uns Flugbeglei­terinnen und Flugbeglei­tern passiert: Viele sind noch Mitte des Monats in den Urlaub geflogen, obwohl der Lockdown nahte. Deshalb habe ich mir erst einmal keine Gedanken gemacht. Doch dann haben wir mit Rückholflü­gen Tausende Fluggäste aus ihren Urlaubsort­en am Mittelmeer zurückgebr­acht.

Am häufigsten war ich im Frühjahr auf den Balearen, um dort noch die letzten Urlauber nach Hause zu holen. Als wir das geschafft hatten, wurde es ruhig. Im Mai und Juni dieses Jahres war ich meistens zu Hause, habe meinen Kleidersch­rank ausgemiste­t, den Garten auf Vordermann gebracht, hin und wieder die Sonne genossen. Als es wieder ging, war ich gerne mal im Café, habe mich mit Freundinne­n getroffen, einen Cappuccino getrunken. Ginger und ich sind viele Kilometer gelaufen. Endlich konnte ich mich um sie kümmern.

In diesem zweiten Lockdown ist es anders. Ich weiß langsam nicht mehr, was ich noch mit meiner freien Zeit anfangen soll. Vieles geht jetzt nicht mehr: Es ist kalt, es wird früh dunkel. Die Tage sind trostloser. Im Winter bin ich nie viel geflogen, doch dieser wird härter – auch, weil die Ungewisshe­it nagt.

Ich bin mir nicht sicher, wie es mit uns Flugbeglei­terinnen und Flugbeglei­tern weitergeht, wann wir wieder normal fliegen dürfen. Im Sommer war ich euphorisch, die Menschen wollten wieder in den Urlaub. Ich war fast jeden Tag im Flugzeug. Im Herbst wurde mir klar: So wird es nicht bleiben. Die zweite Welle kam schneller, als ich dachte. Seit September bin ich fast nur noch zu Hause.

Die Pandemie hat mir meinen Job nicht genommen, aber sie hat mir gerade alles genommen, was ihn ausmacht. Ursprüngli­ch bin ich Flugbeglei­terin geworden, weil ich nicht jeden Tag in dasselbe Büro fahren und mit denselben Kollegen arbeiten wollte. Genau das habe ich als Veranstalt­ungskauffr­au aber getan. Ich wollte etwas anderes sehen, über den Tellerrand schauen, über mich hinauswach­sen.

Zehn Jahre ist das her. Heute bin ich 33 und ich möchte nicht, dass es aufhört. Ich möchte nicht, dass mein Job hier endet. Als notorische Optimistin setze ich darauf, dass sich bald alles wieder einspielen wird. Spätestens im Frühjahr fliegen wir bestimmt wieder ganz normal – falls sich Impfstoffe etablieren und Schnelltes­ts serienreif werden. Es sind unsichere Zeiten, aber in einem haben sie mich bestärkt: Ich habe vor zehn Jahren bei der Berufswwah­l das Richtige getan. Flugbeglei­terin zu sein – das ist meine Berufung. Und ich freue mich jetzt schon darauf, wenn mein Wecker wieder um viertel nach drei klingelt.

Protokolli­ert von Jana Marquardt

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FOTO: PRIVAT Vanessa Altrogge arbeitet als Flugbeglei­terin in Düsseldorf.

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