Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Eishockey-Profi Möser warnt Kollegen vor Corona-Spätfolgen
WOLFSBURG Am Samstag sind die Grizzlys Wolfsburg bei der Düsseldorfer EG zu Gast. Das würde normalerweise auch für Janik Möser gelten. Doch der 25-Jährige wird dann zu Hause auf dem Sofa sitzen. So wie zuletzt fast immer. Das höchste der Gefühle sind derzeit Spaziergänge im Wald unweit seiner Wohnung. Bloß nicht den Puls in die Höhe jagen, lautet die Devise. Möser wurde im Oktober positiv auf Corona getestet. Und war nicht der erste Profisportler, den es erwischte. Wie viele andere hatte er leichte Symptome, „ich habe mich zu keinem Moment extrem krank gefühlt oder schlapp“, erzählte er am Mittwoch bei einer Videoschalte der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). Nach der Quarantäne war er „bereit zu trainieren“. Doch die Grizzlys wollten erst ein Belastungs-EKG machen. Und sahen schlechte Werte. Also schickten sie ihn zu Spezialisten in die Berliner Charité. Die stellten eine Herzmuskelentzündung fest, die „mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit“(Grizzlys-Manager Charly Fliegauf) auf Corona zurückzuführen ist.
Herzprobleme bei Sportlern sind nicht neu. Manche Spieler starben gar während des Trainings oder Wettkampfs. Auch im Eishockey: 1998 brach Stéphane Morin von den Berlin Capitals auf der Bank zusammen, zehn Jahre später das russische Talent Alexej Tscherepanow. Beide hatten unentdeckte Herzprobleme. Die können angeboren sein oder nach Virusinfektionen auftreten. Gerade, wenn die Spieler zu früh wieder trainieren oder die Entzündung mit Medikamenten unterdrücken.
Damit das möglichst nicht wieder passiert, geht die DEL nun in die Offensive. In Abstimmung mit den Bundesligen aus Handball und Basketball, Wolfsburgs Teamarzt Axel Gänsslen und weiteren Spezialisten hat sie Richtlinien erstellt, wie sich Klubs verhalten sollen, wenn ihre Spieler aus der Quarantäne kommen. „Das Ziel war von Beginn an, dass wir möglichst einheitlich vorgehen können und unsere 14 Klubs sich dementsprechend verhalten können“, sagt Jörg von Ameln, Leiter Spielbetrieb bei der DEL. „Gerade die kommende Spielzeit wird uns diesbezüglich sehr viel abverlangen.“Gab es doch bereits zahlreiche Corona-Fälle in der DEL, vier allein in Düsseldorf.
Dem Spieler zu vertrauen, dass er sich fit fühlt, soll künftig nicht reichen. Also sollen diverse EKGs und weitere Untersuchungen zwingend sein, bevor jemand nach einer Corona-Infektion wieder aufs Eis darf – und das nach frühestens 17 Tagen.
Ein Problem aber: Die Richtlinien sind nur eine Empfehlung. Und im Eishockey gibt es eine regelrechte Kultur der Schmerzunterdrückung,
nicht selten mit Medikamenten. Dass Spieler sich mit gebrochenen Knochen, gerissenen Bändern oder Gehirnerschütterungen durch die Play-offs quälen, ist kein Geheimnis. Als Mediziner könne man da nur „Empfehlungen“aussprechen, gibt Wolfsburgs Arzt Axel Gänsslen zu, „am Ende ist das die Entscheidung des Spielers“. Dass die in einer Saison, in der es wegen der wirtschaftlichen Probleme wie in keiner anderen um Jobs geht, unverantwortlich ausfällt, will DEL-Spielbetriebsleiter von Ameln verhindern. Es werde niemand „für die Show“zu früh spielen.
Das ist ganz im Sinne von Janik Möser. Die Diagnose sei „ein Schock“gewesen, aber nun müsse er „im Endeffekt froh sein, dass es gefunden wurde“. Daher ging er an die Öffentlichkeit. Er will Kollegen sensibilisieren. Er weiß natürlich um das Selbstverständnis junger Leistungssportler, die fühlen sich oft unverwundbar. Auch er selbst dachte so. Und wer in den vergangenen Monaten mit Eishockeyprofis sprach, hörte zwar stets Sorgen ums Finanzielle, aber selten vor der Infektion. Nun sei das anders, sagt Möser, nachdem er seinen Fall öffentlich gemacht habe, hätten sich mehrere Spieler bei ihm gemeldet, auch von anderen Klubs: „Das hat auf jeden Fall manchen Leuten die Augen geöffnet. Das Thema wird von vielen jetzt ernster genommen. Was auch meine Hoffnung war.“