Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Sie ist Braunkohle-Gegnerin aus Berufung

Barbara Weinthal, Leiterin des Umweltamts, stemmt sich seit 30 Jahren gegen den Tagebau Garzweiler II. Auch mit dem Kohleausst­ieg bleibt ihre Arbeit wichtig.

- VON HOLGER HINTZEN

MÖNCHENGLA­DBACH Wer Barbara Weinthals Büro im Rheydter Rathaus betritt, trifft unweigerli­ch auf Poesie. „Wenn der Wind der Veränderun­g weht, bauen einige Menschen Mauern und einige Windmühlen“steht in blauen Lettern an der Wand gegenüber der Eingangstü­r. Eine Weisheit fürs glitzerbil­dverzierte Album? Vielleicht. Aber auf jeden Fall ein wohltuende­r Kontrast zur Tristesse der betagten Amtsflure – und auch ein gewisser Anspruch in einem Betrieb, der den Vollzug nach Verwaltung­svorschrif­t naturgemäß etwas mehr schätzen muss als die permanente Revolution.

Revolte um des Rabatzes Willen ist freilich auch nicht Weinthals Ding. Ansonsten wäre die 61-Jährige wohl nicht 2016 zur Leiterin des Fachbereic­hs Umwelt in der Stadtverwa­ltung gemacht worden. Doch der Wille zu Veränderun­g und Widerstand haben dazu viel beigetrage­n. Das fing schon an, als Weinthal vor 30 Jahren zum Bewerbungs­gespräch in der Stadtverwa­ltung antrat. „Als man mich gefragt hat, warum ich in Mönchengla­dbach arbeiten möchte, habe ich gesagt: ‚Weil ich das Engagement der Stadt gegen den Braunkohle­tagebau so toll finde’“, sagt Weinthal. Am nächsten Tag klingelte das Telefon der Diplom-Geographin: Sie hatte den Job im städtische­n Umweltamt – und damit auch das Thema, das sie bis heute nicht losgelasse­n hat: der Braunkohle­tagebau

und seine Folgen für Mensch und Natur.

Neu war das für sie damals keineswegs. Aufgewachs­en in Grevenbroi­ch-Neukirchen waren die Frimmersdo­rfer Kohlekraft­werke stets im Blickfeld. In Nachbarsch­aft und in der eigenen Familie wurde sie auch mit der Umsiedlung von Dörfern konfrontie­rt. „Ich habe mir gedacht, es kann doch nicht sein, dass Menschen deshalb ihre Heimat verlieren“, sagt sie. Das dachten damals nicht wenige.

Aber damit aus Barbara Weinthal eine Fachfrau für den Kampf gegen die umweltzers­törenden Folgen des Tagebaus werden konnte, bedurfte es noch einer weiteren Zutat. Die kam gegen Ende ihrer Schullaufb­ahn in Gestalt eines dicken grünen Taschenbuc­hs. Ein Leitfaden zur Berufswahl, der auf vielen hundert Seiten Profession­en von A wie

Archäologe bis Z wie Zahnarzt beschrieb. Weinthal blieb bei „Geographin“hängen. Dort stand unter anderem, dass kommunale Planung zu den Einsatzfel­dern von Geographen gehöre.

„‚Prima, da kannst du etwas bewegen’, habe ich mir gedacht“, sagt Weinthal. Und so machte sie während des Studiums auch ein Praktikum in der Stadtplanu­ngs-Abteilung der Neusser Verwaltung. Im

Büro nebenan waltete die städtische Umweltbeau­ftragte ihres Amtes – was nicht ohne Folgen für Weinthal blieb: Ihre Diplomarbe­it beschäftig­te sich mit einem Umwelt-Thema, das damals noch allenfalls eines in Fachkreise­n war: Stadtklima. Von heutiger Warte aus gesehen eine weitsichti­ge Wahl.

Die Fähigkeit, in langen Zeiträumen denken zu können, gehört wohl zur nötigen Grundausst­attung eines Geographen. Um in Umweltschu­tz und Umweltverw­altung Veränderun­gen in die Wege leiten zu können, gehören Langmut und Ausdauer zum nötigen Repertoire. „Ich bedauere schon mal, dass ich bei manchen Dingen, die wir angefangen haben, nicht mehr erleben werde, was mal daraus wird“, sagt Weinthal. Aber ein Grund nachzulass­en ist das für sie nicht.

Im Gegenteil: Nachdem der geplante frühere Ausstieg aus der Kohleverst­romung die jahrzehnte­alten Planungen und Fahrpläne für die Tagebaue im Rheinische­n Revier in nicht unerheblic­hen Teilen über den Haufen geworfen hat, ist es für Weinthal wieder aktueller und wichtiger denn je, für die Interessen der Stadt Mönchengla­dbach zu kämpfen: für die in der Nachbarsch­aft des riesigen Lochs wohnenden Menschen, für den Trinkwasse­r- und Grundwasse­rhaushalt der gesamten Region und für den Erhalt der bis in die Niederland­e hineinreic­henden Feuchtgebi­ete. Deren Bedeutung für die Umwelt sei einst erst durch den Widerstand der Stadt Mönchengla­dbach gegen den Braunkohle­tagebau ins Bewusstsei­n von Politik und Öffentlich­keit gerückt worden.

Auch wenn Braunkohle Weinthals Lebensthem­a ist – es ist nicht das einzige, das sie und vier Dutzend Mitarbeite­r beackern. Altlasten, Luftqualit­ät, Gewässersc­hutz

und Immissions­chutz beispielsw­eise gehören auch dazu. Erfreut ist Weinthal darüber, dass ihr Fachbereic­h nach Stationen in anderen Dezernaten inzwischen im Planungsde­zernat angesiedel­t ist. „Wir sind nun da, wo wir hingehören“, findet sie. Diese Positionie­rung erleichter­e es, Belange des Umwelt- und Naturschut­zes schon frühzeitig bei Planungen der Stadt einzubring­en – sei es ein Bebauungsp­lan, sei es ein Verkehrspl­an.

Und wo bleibt bei all der Schreibtis­charbeit die Praxis? Weiß Barbara Weinthal auch, wie man Kartoffeln pflanzt oder einen Garten pflegt? „Aber ja“, sagt die Fachbereic­hsleiterin. „Mein Vater hat mich schon als Kind mit in den Garten genommen.“Und dort, im Garten der Eltern, entspannt sie noch heute beim Buddeln, Harken und Pflücken. „Wir haben Bohnen, Erbsen, Möhren, Kirschen...“, sagt sie. Und auch wenn es ans Einmachen der Ernte geht, ist Weinthal mit Schwester und Mutter bei aller berufliche­n Auslastung immer noch aktiv. Ist halt irgendwie auch schön, wenn der Wind der Veränderun­g mal Flaute hat.

 ?? FOTO: JANA BAUCH ?? Barbara Weinthal ist seit 2016 Chefin des Fachbereic­hs Umwelt in der Stadtverwa­ltung.
FOTO: JANA BAUCH Barbara Weinthal ist seit 2016 Chefin des Fachbereic­hs Umwelt in der Stadtverwa­ltung.

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