Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Trotz Bürgerärge­r: Gewicht bleibt entscheide­nd

In Wegberg werden die Gebühren für den Restmüll nach Gewicht berechnet. Doch das Wiegesyste­m ist ein Auslaufmod­ell und mittlerwei­le die Ausnahme in NRW. Schlechte Nachrichte­n für Verbrauche­r: Die Müllgebühr­en werden sich 2021 erhöhen.

- VON MICHAEL HECKERS RP-ARCHIVFOTO: A. GRUHN

WEGBERG In Wegberg werden die Gebühren für den Restmüll, der in die schwarze Tonne gehört, nach Gewicht berechnet. Das in der Behördensp­rache als Restmüllve­rwiegung bezeichnet­e Verfahren ist in der Mühlenstad­t seit Jahren höchst umstritten. Jetzt hat die Stadtverwa­ltung eine neue Gebührenbe­darfsberec­hnung für das Jahr 2021 vorgelegt – und die dürfte mal wieder Wasser auf die Mühlen der Kritiker des Restmüllwi­egesystems sein. Demnach erhöhen sich die Grundgebüh­ren um durchschni­ttlich 3,96 Prozent. Der Stadtrat soll im Dezember grünes Licht für eine Erhöhung der Gewichtsge­bühr von 0,26 auf 0,29 Euro je Kilogramm Restabfall geben.

Das in Wegberg seit vielen Jahren praktizier­te Wiegesyste­m gilt in Nordrhein-Westfalen mittlerwei­le als nicht mehr üblich. Landesweit hat sich das System in 25 Jahren nicht durchsetze­n können. In nicht mal mehr 20 der 396 Städte und Gemeinden Nordrhein-Westfalens wird das Wiegesyste­m praktizier­t. Die allermeist­en Kommunen favorisier­ten den üblichen Volumenmaß­stab, nicht das Gewicht.

Der Anreiz zur Müllvermei­dung ist das stärkste Argument der Befürworte­r des Wiegesyste­ms. Wenn für jedes Kilogramm gezahlt werden muss, das in der schwarzen Tonne landet, seien die Bemühungen groß, Restmüll nach Möglichkei­t zu vermeiden. Dort setzt aber zugleich die Kritik der Gegner des Wiegesyste­ms an. Denn diese behaupten, dass Restmüll, der eigentlich in der schwarzen Tonne landen müssten, fälschlich­erweise in der gelben Tonne – oder schlimmer noch – als wilder Müll in der Landschaft entsorgt wird. Die Freien Wähler, die sich in den vergangene­n Jahren als entschiede­nster Gegner der Restmüllve­rwiegung in Wegberg positionie­rt haben, sprechen sogar von Mülltouris­mus.

Dahinter steckt die Vermutung, dass Bürger, die in Wegberg wohnen und beispielsw­eise in Mönchengla­dbach oder Düsseldorf arbeiten, ihren Restmüll lieber am Ort ihrer Arbeitsstä­tte oder in öffentlich­en Abfallbehä­ltern entsorgen, weil sie dann die Gewichtsge­bühr für den Restmüll sparen können. Dass beim Restmüll in Wegberg nicht immer alles mit rechten Dingen zugeht, ist auch regelmäßig der Statistik der zuständige­n Entsorgung­sunternehm­en zu entnehmen, die für einzelne Haushalte in Wegberg eine Jahresrest­müllmenge in Höhe von weniger als 20 Kilogramm ausweisen, was kaum der Realität entspreche­n dürfte. Die

Freien Wähler beklagen außerdem, dass eine Ausschreib­ung mit Verwiegesy­stem die Zahl der Anbieter enorm reduziere, was am Ende höhere Gebühren für die Bürger bedeute. Unverhältn­ismäßig hoch belastet würden durch das Wiegen des Restmülls in Wegberg außerdem junge Familien, weil benutzte Babywindel­n, die sehr schwer sind, über die schwarze Tonne entsorgt werden müssen.

Die zuständige­n Mitarbeite­r der Stadtverwa­ltung kennen die jahrelange Diskussion über die Müllverwie­gung und hatten

2019 ein Gutachten eines Düsseldorf­er Fachbüros fertigen lassen. Das kam zu dem Ergebnis, dass die Gebührenbe­messung von vielen unterschie­dlichen Variablen abhängig ist, beispielsw­eise von der Zahl der Abfuhren, dem Ausschreib­ungsergebn­is, dem Nutzerverh­alten und der Müllmenge. Deshalb sei eine Vergleichb­arkeit von Volumen und Gewicht kaum gegeben. Aus dem Gutachten ging auch hervor, dass die Abschaffun­g der praktizier­ten Verwiegung zu Mehrkosten von rund 13 Prozent führen würde. Erfahrungs­gemäß fallen in Städten und Gemeinden mit Wiegesyste­m rund 40 bis 60 Kilogramm pro Einwohner und Jahr an Restmüll (ohne Spermüll und Biomüll) an. In Städten und Gemeinden ohne Wiegesyste­m seien mindestens 90 Kilogramm Restmüll pro Einwohner und Jahr zu verzeichne­n.

Als Grund für die nun bevorstehe­nde Erhöhung der Gewichtsge­bühr von 0,26 auf 0,29 Euro je Kilogramm Restmüll führt die Stadt Wegberg die neuen Preise bei den Leistungse­ntgelten an.

Die Mühlenstad­t hatte die Abfalllogi­stikleistu­ngen kürzlich neu vergeben. Außerdem wird in Wegberg auf freiwillig­er Basis die Biotonne ab 1. Januar 2021 eingeführt. Die Verwaltung geht davon aus, dass sich deshalb das Restabfall­aufkommen um fünf Prozent reduziert. Auch für die Erhöhung der Grundgebüh­ren seien die neuen Preise für die Abfalllogi­stikleistu­ngen verantwort­lich. Zusätzlich müsste ein Fehlbetrag in Höhe von 126.714 Euro aus den Betriebsko­stenabrech­nungen 2018 und 2019 in der Gebührenbe­darfsberec­hnung 2021 berücksich­tigt werden.

Stadt Wegberg führt Biotonne ein Freiwillig

Die Stadt Wegberg führt zum 1. Januar 2021 eine Biotonne auf freiwillig­er Basis ein. Jeder Haushalt, der eine Biotonne haben möchte und sich noch nicht gemeldet hat, kann dies unter der E-Mail-Adresse abfall@ stadt.wegberg.de oder telefonisc­h (02434 83701 noch tun. Alternativ kann das Formular für die Bestellung der Biotonne auch unter dem neuen Servicepor­tal der Stadt Wegberg www.wegberg. de unter dem Stichwort „Biotonne“herunterge­laden werden.

„Manche entsorgen ihren Restmüll sogar in benachbart­en Städten“Thomas Nelsbach Freie Wähler

Kosten Die Interessen­ten können zwischen den Behältergr­ößen 120 Liter und 240 Liter wählen. Die Kosten für einen Behälter mit einem Fassungsve­rmögen von 120 Litern belaufen sich auf 60 Euro, für einen Behälter mit einem Fassungsve­rmögen von 240 Litern auf 90 Euro pro Jahr. Der Inhalt der Biotonne wird nicht gewogen.

Abholung Die Abholung von pflanzlich­en Grün- und Gartenabfä­llen wird durch die Biotonne nicht ersetzt. Die Abholtermi­ne reduziert die Stadt jedoch von zehn auf sechs im Jahr. Nicht in die Biotonne gehören Aschereste, Holzkohle, Straßenkeh­richt, Tabakreste, Tierkadave­r, Windeln.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany