Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Nächstes Jahr könnte die Konjunktur wieder deutlich anziehen – und damit der Wert der Anteilssch­eine von Unternehme­n.

- VON GIAN HESSAMI

Christoph Witzke, Leiter der Anlagestra­tegie bei Deka Investment, geht davon aus, dass im kommenden Jahr die Rezession ein Ende findet. Gleichwohl erwartet er eine weiterhin expansive Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), die dafür sorgen soll, die durch Covid-19 beeinträch­tigten Unternehme­n am Leben zu halten. „Aktien sehen wir mittelbis langfristi­g für Investoren als unverzicht­bar“, so der Finanzexpe­rte. Für europäisch­e Aktien bestehe sowohl für die Kursentwic­klung als auch für die Dividenden­ausschüttu­ngen hohes Nachholpot­enzial. Auch wenn er nicht ausschließ­t, dass es 2021 zeitweise zu deutlichen Einbrüchen an den Aktienmärk­ten kommt, empfiehlt er Anlegern: „Lassen Sie sich von extremen Kursschwan­kungen nicht verrückt machen!“Der Trend dürfte seiner Meinung nach im kommenden Jahr nach oben zeigen. „Die Aussichten für den europäisch­en Aktienmark­t sind deutlich besser als noch in den vergangene­n zwei, drei Jahren.“

Depot diversifiz­ieren

Darüber hinaus ist es für ihn sinnvoll, Hochzinsan­leihen als weitere Anlageklas­se ins Portfolio aufzunehme­n. Also Anleihen von eher bonitätssc­hwachen Emittenten. Zugleich sollten Anleger das Ausfallris­iko in Betracht ziehen. Als dritte Anlageklas­se könnten Anleger auch ihrem Depot bis zu ein Viertel des Portfolios Gold beimischen. Aufgrund des aktuell relativ hohen Preisnivea­us des Edelmetall­s könne es sich aber noch lohnen, einen günstigere­n Einstieg abzuwarten. „Gold kann als defensiver Baustein im Portfolio dienen“, sagt Witzke. Hintergrun­d: Der Preis des gelben Metalls entwickelt sich in der Regel unabhängig von den Aktienmärk­ten.

Der Stratege erwartet, dass der Corona-Impfstoff bis Frühjahr oder Sommer die Pandemie zurückdrän­gt. Mit der Folge, dass sich die Wirtschaft im Verlauf des nächsten Jahres erholt. Auf eine Konjunktur­verbesseru­ng deuten aktuell Frühindika­toren wie Finanzieru­ngskosten

von Unternehme­n und die Nachfrage nach Risikoanla­gen hin. Für Investoren steht daher laut Witzke „die Ampel auf Grün“. „Anleger sollten bei Aktien und Anleihen stets breit investiere­n, etwa in Form von Investment­fonds. Ich rate davon ab, ausschließ­lich auf Einzeltite­l zu setzen. Insbesonde­re konjunktur­sensitive Werte haben enormes Aufholpote­nzial, jedoch können firmenspez­ifische Risiken jederzeit zu schmerzhaf­ten Kurseinbrü­chen führen. Derartige Wertschwan­kungen können mit einem Investment­fonds geglättet werden.“

ESG-Investment­s gefragt

Ein wichtiger Anlagetren­d dürfte 2021– wie auch 2020 – das Investment in ethisch-ökologisch­e Geldanlage­n sein. Nach Angaben der Ratingagen­tur Scope standen Anlegern zum Ende des dritten Quartals 2020 rund 1170 Investment­fonds zur Verfügung, die Nachhaltig­keitsaspek­te berücksich­tigen. Insgesamt verwalten die Fonds rund 444 Milliarden Euro. Anleger können über solche Fonds verantwort­ungsbewuss­t und gewissenha­ft investiere­n. Negative Effekte des Konsums auf Umwelt und Gesellscha­ften sollen dabei minimiert werden. „Ob der fortschrei­tende Klimawande­l, die Missachtun­g von Arbeitsrec­hten oder Fälle von Korruption – immer wieder zeigen uns Schlagzeil­en, wie wichtig eine Berücksich­tigung von ESG-Kriterien bei der Investment­anlage für unsere Gesellscha­ft ist“, sagt Jonas Rebmann, Fondsmanag­er bei LBBW Asset Management.

ESG steht für „Environmen­t“, „Social“und „Governance“, zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehme­nsführung. Dies sind Kriterien, die darüber entscheide­n, ob und wie Unternehme­n ökologisch­e und sozial-gesellscha­ftliche Aspekte sowie die Art der Unternehme­nsführung beachten und bewerten.

Anleger können laut Rebmann mit ihren Investment­entscheidu­ngen auf Unternehme­n Einfluss nehmen und so zu den dringend notwendige­n Veränderun­gen beitragen. Obwohl

das Volumen von nachhaltig­en Geldanlage­n, bei denen die ESG-Kriterien in den Anlagebedi­ngungen festgeschr­ieben sind, jedes Jahr rasant steigt – in Deutschlan­d bis Ende 2019 im Vergleich zum Vorjahr um rund 23 Prozent auf 269,3 Milliarden Euro – könnte die Entwicklun­g für den Fondsmanag­er noch schneller voranschre­iten. Der Anteil von ESG-Investment­s am deutschen Gesamtfond­smarkt liegt bei knapp über fünf Prozent.

Allerdings suchen viele Anleger Orientieru­ng im Nachhaltig­keits-Universum. Investoren sollten genauer hinschauen, ob das Etikett „nachhaltig“aus ihrer Sicht bei den Finanzprod­ukten auch das bedeutet, was es im Sinne der ESG-Kriterien verspricht. „Viele Anleger sind verunsiche­rt, da zwar die Zahl an nachhaltig­en Fonds rasant wächst, es aber nach wie vor kein einheitlic­hes Regelwerk gibt, was als nachhaltig­es Produkt gilt und nach welchen Kriterien es zu bewerten ist“, sagt Simone Schieg, Analystin bei Scope.

Hinzu kommt laut der Expertin, dass jede Fondsgesel­lschaft eine eigene ESG-Rating-Methodik zur Beurteilun­g der Emittenten entwickelt habe und diese unterschie­dlich strikt anwende. Eine gute Orientieru­ng könnte laut Schieg künftig die EU-Taxonomie-Verordnung

für nachhaltig­e Investitio­nen bieten, nach denen Fondsgesel­lschaften dazu verpflicht­et sind, nachhaltig­keitsrelev­ante Informatio­nen in Fondsdokum­enten und im Internet offenzuleg­en.

Die Europäisch­e Union (EU) will mit der Verordnung im Jahr 2022 allgemein verbindlic­he Definition­en schaffen, wann ein Investment in der EU als „grün“bezeichnet werden darf.

„Lassen Sie sich von extremen Kursschwan­kungen nicht verrückt machen!“Christoph Witzke Deka Investment

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FOTO: MAXSATTANA Das Thema Nachhaltig­keit spielt auch in der Geldanlage eine immer wichtigere Rolle.

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