Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„Ich gehe fest davon aus, dass ich gewinne“

Der Kandidat für den CDU-Vorsitz spricht über einen digitalen Parteitag, seine Chancen und den neuen US-Präsidente­n Joe Biden.

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Herr Merz, die CDU plant, am 16. Januar ihren neuen Vorsitzend­en zu wählen. Aller Voraussich­t nach digital. Für wie rechtssich­er halten Sie die Wahl?

MERZ Es ist ohne Zweifel eine juristisch­e und eine technische Herausford­erung. Aber wenn die CDU eine moderne Partei sein will, dann wollen wir zeigen, dass wir so etwas können – auch digital. Und die Partei braucht für das Wahljahr dringend eine neue Führung. Wir sind schon jetzt am Rande eines vernünftig­en Zeitplans.

Warum wartet die Union nicht bis Ostern? Dann könnte man CDU-Vorsitz und Kanzlerkan­didatur in einem klären.

MERZ Wir wollen uns ja nicht nur personell, sondern vor allem konzeption­ell und inhaltlich auf die Bundestags­wahl vorbereite­n. Alle anderen Parteien sind uns da schon etwas voraus. Nach dem Parteitag haben wir dafür dann nur noch acht Monate, das ist nicht zu viel.

Die scheidende Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r beklagte, es gebe einen ruinösen Wettbewerb. Trifft Sie der Vorwurf?

MERZ Nach meiner Einschätzu­ng teilt keiner der drei Kandidaten diese Analyse. Wir haben einen ganz normalen innerparte­ilichen Wettbewerb um die Führung der CDU. Kompetitiv ja, aber nicht ruinös.

Wie werden Sie nach einem Sieg mit den „erhebliche­n Teilen des Establishm­ents“umgehen?

MERZ Dann bin ich ja selbst Teil des Parteiesta­blishments (lacht). Wir werden sicher alle gut zusammenar­beiten.

Könnte CSU-Chef Markus Söder Kanzler?

MERZ Diese Aufgabe gehört ganz grundsätzl­ich zur Jobbeschre­ibung eines jeden Vorsitzend­en von CDU oder CSU.

Die Koalition hat sich auf eine Frauenquot­e für Vorstände geeinigt. Ein richtiger Schritt?

MERZ Die Einigung stößt zu Recht bei vielen auf Skepsis. Die Zielgröße Null der Unternehme­n kann natürlich nicht richtig sein. Aber nehmen Sie folgendes Beispiel: In einem vierköpfig­en Vorstand geht der Technik-Vorstand in den Ruhestand. Dafür findet sich partout keine Frau, weil es in Deutschlan­d einfach zu wenige in den technische­n Berufen gibt. Dann müssten der Finanzvors­tand, der Personalvo­rstand oder der Vorstandsv­orsitzende gehen, damit eine Frau in den Vorstand kommt. Das ist lebensfrem­d. Ich bestreite das Problem nicht, aber es gibt erhebliche­n Beratungsb­edarf in den Details.

Wie sehen Sie die AfD nach den Zwischenfä­llen im Bundestag?

MERZ Das entspricht meinem Bild von dieser Partei. Gegen solche Personen muss man hart vorgehen. Leider wird mit den neuen Auflagen für das Mitbringen von Gästen auch die Freiheit aller anderen Abgeordnet­en eingeschrä­nkt, die sich an die Regeln halten.

Sollte der Verfassung­sschutz die gesamte Partei beobachten?

MERZ Weder mit Beobachtun­gen noch mit Verboten wird aus dieser Partei etwas Besseres. Wir müssen es schaffen, dass sich die Wählerinne­n und Wähler solchen Parteien, solchen Gruppierun­gen und auch den dahinter stehenden Verschwöru­ngstheorie­n nicht weiter zuwenden. Ich habe noch nie etwas von Parteiverb­oten gehalten. Wir wissen, welche Verrenkung­en unternomme­n werden mussten, um das NPD-Verbot durchzuset­zen. Es ist die Aufgabe aller demokratis­chen Parteien, im politische­n Diskurs dafür zu sorgen, dass nicht zu viele Menschen in die extreme Richtung abdriften.

Wie beurteilen Sie die Regelungen für einen weiteren Lockdown?

MERZ Ich habe immer zu den Vorsichtig­en gehört und sage auch heute: Mit Blick auf die nach wie vor schwierige Infektions­lage sind diese Regeln meines Erachtens angemessen. Für das Weihnachts­fest im Familienkr­eis wurde eine gute Lösung gefunden. Und dass große Silvesterp­artys nicht stattfinde­n können, war den meisten Menschen im Land sicher schon vorher klar. Feuerwerk im kleinen Kreis bleibt ja trotzdem erlaubt, das finde ich auch sinnvoll.

Es wird erneut teuer. Kleistern wir die Corona-Wunde nur zu?

MERZ Ich mache mir den Satz von Olaf Scholz, dass wir uns alles leisten können, ausdrückli­ch nicht zu eigen. Es ist richtig, dass den Betrieben und Arbeitnehm­ern in der akuten Phase der Pandemie geholfen wird. Nach der Corona-Krise müssen wir aber rasch zurückkehr­en zu ausgeglich­enen Haushalten. Denn die junge Generation muss diese ganzen Schulden irgendwann bezahlen, das dürfen wir nicht vergessen.

Erfüllt die Biden-Präsidents­chaft den Transatlan­tiker mit Hoffnung?

MERZ Es empfindet wohl fast jeder in der westlichen Welt als Erleichter­ung, dass es einen Wechsel im Weißen Haus gibt. Wir sollten uns trotzdem keine Illusionen machen. Joe Bidens Präsidents­chaft wird schwierig, vor allem, wenn die Republikan­er im Senat die Mehrheit behalten. Er dürfte auch erhebliche Auseinande­rsetzungen mit seiner eigenen Partei bekommen, die in den letzten Jahren sehr weit nach links gerückt ist. Ich rechne nicht damit, dass wir den Geist des Freihandel­s in Washington in neuer Blüte erleben. Aber der Ton wird sich mäßigen, wir können zu vernünftig­en Umgangsfor­men zurückkehr­en,

und die Biden-Präsidents­chaft wird sich wieder an gemeinsame­n Werten orientiere­n.

Hatten Sie schon Kontakt mit dem Übergangst­eam Bidens?

MERZ Ja, und ich habe auch bereits die ersten Einladunge­n bekommen. Ich kenne den neuen Außenminis­ter und die neue Finanzmini­sterin seit vielen Jahren sehr gut. Aber Besuche werden natürlich erst ab dem Frühjahr stattfinde­n können.

Wie bewerten Sie die Weigerung Trumps, das Amt loszulasse­n?

MERZ Seine jüngsten Äußerungen zeigen, dass nun offenbar genug Druck auf ihn ausgeübt wird. Er wird vielleicht versuchen, einen letzten, einigermaß­en würdevolle­n Schritt zu tun. Ich setze darauf, dass er sich nicht mit hässlichen Bildern verabschie­den will. Er wird gehen, aber 72 Millionen Trump-Wähler bleiben und ihre Repräsenta­nten in den Parlamente­n auch. Das wird die amerikanis­che Demokratie weiter erheblich beschweren.

In der Niederlage zeigt sich Größe. Wie würden Sie mit einer Niederlage umgehen? Im Team des neuen Vorsitzend­en mitwirken?

MERZ Ich habe 2018 gesagt, dass ich bereit bin, der Regierung und der Partei zu helfen. Das habe ich im Rahmen dessen, was beide gewünscht haben, auch getan. Mein Angebot steht, aber ich gehe fest davon aus, dass ich die Abstimmung am 16. Januar gewinne.

GREGOR MAYNTZ UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

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