Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

AfD im Wunderland

In Kalkar formiert sich breiter Widerstand gegen den Bundespart­eitag an diesem Wochenende.

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KALKAR (nik/jra) Es dürfte die größte Demo im niederrhei­nischen Kalkar seit Jahrzehnte­n werden, und wäre nicht Corona-Zeit, kämen sicher noch viel mehr Protestier­ende. Grund ist der AfD-Bundespart­eitag, der an diesem Wochenende auf dem Messegelän­de im Kernwasser­wunderland stattfinde­t – als wohl einzige Präsenzver­anstaltung einer Partei in Zeiten der Pandemie.

Streit hatte es im Vorfeld allerdings um die Auflage der strengen Maskenpfli­cht gegeben, gegen die die AfD Klage per Eilantrag eingereich­t hatte. Das Oberverwal­tungsgeric­ht NRW in Münster wies die Klage am Freitag ab, die Delegierte­n müssen auch am Sitzplatz einen Mund-Nase-Schutz tragen, so die Entscheidu­ng. Das diene dem legitimen Zweck, „die Weiterverb­reitung des Sars-CoV-2-Virus einzudämme­n“. Die Anordnung beruhe auf der Grundannah­me, dass sich das Virus bei direkten persönlich­en Kontakten im Wege einer Tröpfcheni­nfektion oder über Aerosole besonders leicht verbreite. Der Beschluss ist nicht anfechtbar (Az.: 13 B 1815/20.NE).

Teilnehmer des Parteitage­s, die sich nicht an die Vorgaben zum Tragen eines Mund-Nase-Schutzes halten, seien von der Veranstalt­ung auszuschli­eßen, so das OVG. Das Ordnungsam­t Kalkar, das um Kräfte aus dem Kreis aufgestock­t wird, muss für die Einhaltung der Corona-Maßnahmen sorgen. Wenn gegen diese verstoßen werde, werde man auch handeln, betonte die Fachsberei­chsleiteri­n des Ordnungswe­sens von Kalkar, Linda Brähler, im Vorfeld: „Es ist immer der Grundsatz der Verhältnis­mäßigkeit zu beachten.“Man beginne mit einfacher Ansprache. Als letztes Mittel habe man aber auch das Recht, den Bundespart­eitag abzubreche­n.

Die Bürgermeis­terin der Stadt Kalkar, Britta Schulz, hatte den AfD-Präsenzpar­teitag mit 600 Delegierte­n und Gästen vorab als verantwort­ungslos kritisiert. Die Stadt könne die Veranstalt­ung aber nicht verbieten, weil die Corona-Schutzvero­rdnung für solche Parteivera­nstaltunge­n ausdrückli­ch Ausnahmen vorsehe. Nach einer Begehung des Veranstalt­ungsortes hatte die Stadt das mehrfach nachgebess­erte Hygienekon­zept der AfD am Donnerstag­abend endgültig genehmigt, wie Ordnungsam­tschef Andreas Stechling am Freitag sagte.

Allein dass die AfD Klage gegen einzelne Maßnahmen eingereich­t habe, spreche Bände, sagte die Bürgermeis­terin auf einer Pressekonf­erenz der Stadt. „Ich erwarte von einer Partei, die in Landtagen und im Bundestag vertreten ist, Verantwort­ung für die Gesellscha­ft.“Andere Parteien hätten sich auch dafür entschiede­n, ihre Präsenzver­anstaltung­en abzusagen.

Das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“will gegen den AfD-Bundespart­eitag auf die Straße gehen. Den „unfreundli­chen Empfang“der Parteimitg­lieder am Freitag sollten etwa 150 Menschen übernehmen. Laut Kalkarer Ordnungsam­t waren zuletzt etwa 100 Teilnehmer angemeldet. Am Samstagmor­gen würden zu einer Demonstrat­ion rund 1000 Teilnehmer erwartet. Es würden mehrere Hundert Beamte eingesetzt, teilte die Polizei mit. Auch die Kirchen haben sich im Vorfeld klar positionie­rt. Die Diakonie im Kirchenkre­is Kleve und der Evangelisc­he Kirchenkre­is unterstütz­en die Aktivitäte­n der Aktion „Aufstehen gegen Rassismus“.

Auf ihrem Parteitag will die AfD über sozialpoli­tische Fragen und ein Rentenkonz­ept beraten. Das sind Themen, zu denen in ihrem Parteiprog­ramm bislang noch nicht viel steht. Es geht auch um die Nachbesetz­ung des Vorstandsp­ostens, der nach dem Rauswurf von Andreas Kalbitz neu zu besetzen ist. Er war neben Rechtsauße­n Björn Höcke einer der Frontleute des „Flügels“, der wegen der Beobachtun­g durch den Verfassung­sschutz seine formale Auflösung beschloss.

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FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA Polizisten sichern am Freitag eine Demonstrat­ion gegen den Bundespart­eitag der AfD in Kalkar.

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