Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Tote Nerze quellen aus Gräbern
Die Millionen Tierkadaver bereiten der dänischen Regierung Probleme. Derweil wird eine ganze Branche ausgelöscht.
KOPENHAGEN Die Massenverscharrung der Pelztiere bewegt derzeit die Gemüter in Dänemark wie auch im Ausland – durch Fäulnisgase drängen die Kadaver wieder an die Oberfläche, zudem schockieren die Bilder von Baggern und Kipplastern, die die schlanken Tiere in längliche Graben mit Kalk abwerfen.
Anfang November beschloss die dänische Regierung die Tötung des gesamten Bestandes im Land, rund 17 Millionen Tiere, da auf Nerzfarmen eine Mutation des Coranavirus auf den Menschen zurück übertragen wurde. Diese Mutation, Cluster-5, sei gegenüber Antikörpern weniger empfindlich gewesen und würde auch auf die Impfstoffe weniger reagieren, wie dänische Wissenschaftler des Staatlichen dänischen Instituts für Serenkunde (SSI) befürchteten.
Nun schlagen zwei Juraprofessoren Alarm, die Massengräber seien illegal. „Das Umweltschutzgesetz bietet hierfür keine Rechtsgrundlage“, sagt Peter Pagh, Professor für Umweltrecht an der Universität Kopenhagen, gegenüber dem Sender TV2. Zudem seien die beiden Gemeinden Holstebro und Viborg in Mitteljütland, wo Hunderttausende der Tiere entsorgt werden, nicht in die Entscheidung einbezogen worden, wie Frederik Waage, Rechtsprofessor an der Süddänischen Universität, bemängelt. Auch ein Badesee, nur 200 Meter von dem Massengrab entfernt, wäre bald durch Phosphor und Stickstoff bedroht.
„Grabt sie wieder aus!“, appellierten die bürgerliche Venstre, die rechte Volkspartei sowie die Sozialistische Volkspartei an die Gemeinden. Diese Möglichkeit schaut sich nun auch die dänische Regierung näher an: Die Regierung wolle ebenso wenig wie jeder andere, dass die Nerze Verunreinigung oder andere Probleme verursachten, sagte der neue Lebensmittelminister Rasmus Prehn am Freitag dem Fernsehsender TV2. Gemeinsam mit den weiteren Parlamentsparteien und den zuständigen Behörden wolle man analysieren, ob es das richtige Vorgehen sei, die Nerze auszugraben und im Anschluss zu verbrennen.
Auch Juristen halten dies für notwendig. Denn die Anordnung der Massentötung, die weiterhin andauert, war illegal. Dafür nahm Landwirtschaftsminister Mogens Jensen in der vergangenen Woche seinen Hut und wird in den dänischen Medien als „treuer Parteisoldat“tituliert. Dabei wurden sechs führende Minister bereits am 1. Oktober von Experten des Umweltministeriums informiert, dass für ein umfassendes Keulen die Rechtsgrundlage fehlte. Gesunde Nerze dürfen demnach nur getötet werden, wenn sie sich innerhalb von 7,8 Kilometern zu infizierten Tieren aufhalten. Eine Untersuchungskommission soll den Hergang der Entscheidung rekonstruieren, die eine ganze Branche ausgelöscht hat. Vor allem die Rolle von Premierministerin Mette Frederiksen interessiert die Opposition. So ist entscheidend, ab wann genau die Regierungschefin von der Illegalität gewusst hatte, und ob ihre Anordnung der Massentötung am 4. November auf einer Pressekonferenz ein Befehl im juristischen Sinne ist.
Problematisch ist, dass die Nerzzüchter mehrere Tage verspätet über die Illegalität der Tötungsaufforderung informiert worden waren. Derzeit ist eine Entschädigungssumme von über zwei Milliarden Euro für die Züchter im Gespräch. Über die Gefährlichkeit der Mutationen beim Nerz streiten sich weiterhin die Wissenschaftler. Ein Corona-Ausbruch auf einer Farm in Polen wurde am Donnerstag vom Veterinäramt in Danzig dementiert. Auch im drittgrößten Herstellerland von Nerzfellen soll das Gewerbe enden – aus Tierschutzgründen.