Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„Masken wurden total unterschät­zt“

Der Chef des Modehändle­rs van Laack ist in der Corona-Krise zum größten MaskenHers­teller Deutschlan­ds aufgestieg­en.

- ANDREAS GRUHN UND FLORIAN RINKE FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

MÖNCHENGLA­DBACH Hemden und Anzüge des Modelabels van Laack findet man normalerwe­ise in edlen Boutiquen. Doch seit Firmenchef Christian von Daniels aus dem Modehändle­r den größten Masken-Produzente­n der Republik gemacht hat, gibt es van Laack auch bei Edeka oder Netto. Bevor das Gespräch beginnt, geht von Daniels kurz zu seinem Schreibtis­ch und holt eine lange Liste mit Namen.

Behörden, Firmen, Universitä­ten – wir nehmen an, dass die Mund-Nasen-Masken und keine Hemden gekauft haben?

VON DANIELS Ja, das macht schon Freude. Bei einem Kollegen klingelte vor einiger Zeit das Telefon, und die Stimme am anderen Ende der Leitung sagte: „Steuerfahn­dung – aber entspannen Sie sich, wir brauchen nur Masken“(lacht). Es ist natürlich wichtig, Umsätze zu machen und Geld zu verdienen – aber dieses Gefühl, etwas Gutes zu tun mit seinen Produkten, ist sehr schön.

Wir sind erst davon ausgegange­n, dass Sie aus der Not eine Tugend gemacht haben: Geschäfte mussten im Frühjahr schließen – und die Schlafanzü­ge, die Sie für die Businessun­d First-Class der Lufthansa produziere­n, werden wohl gerade auch nicht gebraucht…

VON DANIELS Das stimmt, bei den Pyjamas ist der Umsatz gerade Null. Aber dafür tragen auch die Mitarbeite­r der Lufthansa unsere Masken. Und das Reisen wird auch ganz sicher wiederkomm­en – vielleicht wird man nicht mehr für 29 Euro nach Barcelona fliegen können, aber wir glauben weiterhin an die Industrie. Wir haben daher auch die Läden an den Flughäfen nicht geschlosse­n, sondern die Mietverträ­ge, wo das möglich war, verlängert.

…worauf wir hinauswoll­ten: Wir haben das Geschäft mit den Masken zunächst völlig unterschät­zt. War Ihnen direkt klar, dass Masken ein Verkaufssc­hlager werden?

VON DANIELS Überhaupt nicht. Wir haben eine sehr tüchtige Betriebsle­iterin in Vietnam, die schon im Januar sagte, dass man Masken produziert habe, um die eigenen Mitarbeite­r, aber auch umliegende Betriebe und die Stadt Hanoi zu versorgen. Sie meinte: Das müsst ihr auch machen. Ich war komplett dagegen.

Warum?

VON DANIELS Man hatte ja schon in früheren Jahren Berichte über Pandemien gelesen, in denen Angst verbreitet wurde – aber dann kam nie etwas davon bei uns an. Ich war überzeugt, dass wir hier keine Masken verkaufen können. Aber dann kam die Bedrohung immer näher, und im Februar habe ich gesagt: Okay, schickt mal ein paar Kartons. Und dann kam ich relativ schnell in Kontakt mit der Landesregi­erung. Das war natürlich rückblicke­nd ein Glücksfall.

Wie kam das?

VON DANIELS Der Kontakt kam insbesonde­re über den Sohn von Armin Laschet.

Joe Laschet ist ein Männermode­l, mit dem Sie kooperiere­n.

VON DANIELS Genau. Ich habe Joe gesagt, dass er seinem Vater meine Nummer geben kann, wenn das Land Hilfe bei der Beschaffun­g von Masken braucht. Ich erinnere mich noch, dass im Fernsehen gerade ein James-Bond-Film lief, als Herr Laschet Sonntagsab­ends anrief und sagte: Sie rennen offene Türen ein. Zwei Tage später saßen seine Mitarbeite­r bei uns im Konferenzr­aum und haben sich unsere Masken und Kittel angeguckt. Das war wirklich top, wie gut die NRW-Landesregi­erung da organisier­t war.

Wie viele Masken produziere­n Sie?

VON DANIELS In der Spitze, also so etwa im Mai, haben wir am Tag eine Million Masken produziert. Da waren mehr als 10.000 Mitarbeite­r involviert – 500 von uns und der Rest von anderen Betrieben, die für uns gefertigt haben. In der aktuellen zweiten Welle sind wir immer noch bei Stückzahle­n von 15 Millionen im Monat. Momentan gibt es die Masken an über 30.000 Verkaufsst­ellen – von Griechenla­nd bis Portugal.

Ihre Mode hängt normalerwe­ise in edlen Boutiquen, die Masken gibt es im Supermarkt auf dem Grabbeltis­ch. Haben Sie keine Angst, dass Ihre Marke Schaden nimmt?

VON DANIELS Das war natürlich eine wichtige Entscheidu­ng, die wir treffen mussten. Anfangs gab es auch ein paar Fachhändle­r, die sich geärgert haben, dass jetzt bei Edeka van-Laack-Produkte liegen. Aber wir haben gesagt: Die Masken müssen für alle da sein. Nur wenn alle versorgt sind, kommen wir zu einem flächendec­kenden Schutz. Da kann ich ja nicht sagen: Wer einen Bentley fährt, bekommt eine Maske, wer Fahrrad fährt, bekommt sie nicht.

Sie hätten das Logo doch auch weglassen können.

VON DANIELS Warum? Wir haben davon total profitiert. Das kleine Etikett ist so auffällig, dass man es kaum übersehen kann – bei einem weißen Hemd muss man schon wissen, dass unsere Knöpfe drei Löcher haben. Das ist viel schwerer zu erkennen. Die Marke erlebt einen Hype wie nie zuvor. Das sehen wir in unserem Online-Shop, wo wir nicht nur Masken verkaufen, sondern auch Mode. Allein im Oktober lag das Umsatzplus dort 80 Prozent über dem Vorjahr.

Im bis April laufenden Geschäftsj­ahr haben Sie Umsatz und Gewinn gesteigert. Wie viel Corona steckt in der Bilanz?

VON DANIELS Wenig. Das war eigentlich ein normales Geschäftsj­ahr. Aber im aktuellen Geschäftsj­ahr wird sich der Umsatz dank mehr als 100 Millionen verkaufter Masken und zwölf Millionen Kittel mindestens verdoppeln. Sie müssen sich vorstellen…

Ja?

VON DANIELS Allein im ersten Halbjahr 2020 haben die Deutschen pro Kopf 53 Euro für Masken ausgegeben, im gesamten Jahr 2019 waren es im Schnitt aber nur 26,50 Euro für Hemden. Damit will ich sagen: Die Maske ist als Produkt total unterschät­zt worden in der Branche.

Viele dürften jedoch gemerkt haben, dass man nicht zu jedem Termin anreisen muss, sondern vieles auch per Videokonfe­renz regeln kann.

VON DANIELS Wir müssen uns immer wieder dem Bedarf anpassen – wie bei den Masken jetzt auch. Das Homeoffice befeuert natürlich den

Wunsch, sich leger zu kleiden. Ich persönlich finde das schade, denn gerade die älteren Semester sehen im Casual-Look nicht immer besser aus als in einem gut geschnitte­nen Anzug. Unser Job ist es daher, Produkte zu bieten, die leger und trotzdem chic sind. Denn eines wird bleiben: der Wunsch, den Menschen durch Kleidung besser aussehen zu lassen.

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FOTO: DETLEF ILGNER Christian von Daniels ist Geschäftsf­ührer und Mehrheitsg­esellschaf­ter des Mönchengla­dbacher Modeherste­llers van Laack.

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