Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„Ich habe meinen eigenen Spielstil“

Borussias Sechser spricht über Fußball-Debatten mit Christoph Kramer, Diego Maradona und die Kroos-Schweinste­iger-Vergleiche.

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Herr Neuhaus, Sie haben wilde Wochen hinter sich: 6:0 mit Borussia bei Schachtjor Donezk, 0:6 mit dem DFB-Team in Spanien und schließlic­h 4:0 mit Gladbach gegen Donezk. Wie fühlt sich das an?

NEUHAUS (lacht) Ja, es war schon eine Menge los. Grundsätzl­ich gefällt es mir, viele Spiele zu haben, da bleibt man im Rhythmus. Der Sieg in Donezk war sehr schön, wir hatten viel Freude in dem Spiel. Ich bin auch stolz, dass ich für Deutschlan­d spielen durfte. Das 0:6 in Spanien ist natürlich schwer zu verdauen. Aber im Fußball geht es immer sehr schnell. Gegen Augsburg habe ich mein Tor gemacht und das 4:0 gegen Donezk war auch etwas Besonderes. Alles in allem haben die schönen Ereignisse überwogen.

Gegen Donezk haben Sie gleich zu Beginn mit einer sehr fordernden Aktion die Richtung vorgegeben.

NEUHAUS So sollte es auch rüberkomme­n – als Signalakti­on. Wir wollten dem Gegner gleich klar machen, in welche Richtung es gehen soll. Das haben wir in der Szene, aber auch in anderen Situatione­n getan. Die Botschaft ist angekommen, denke ich.

Sie spielen eine extrem gute Saison. Was macht Sie so stark?

NEUHAUS Es gibt viel Selbstvert­rauen, wenn man im Nationalte­am spielen darf. Das sind wichtige Erfahrunge­n, die einen Spieler voranbring­en. Außerdem spielen wir in Gladbach als Mannschaft sehr gut, das macht dann auch den Einzelnen stark.

Sie und Christoph Kramer bilden meist die Doppelsech­s. Sie verstehen sich gut, hilft auch das?

NEUHAUS Grundsätzl­ich kommt diese Position meinem Spiel entgegen. Was Chris angeht, hat sich schon am Ende der vergangene­n Saison gezeigt, dass wir uns auf dem Platz gut verstehen. Das liegt unter anderem daran, dass wir ähnlich über Fußball denken. Wir sprechen auch außerhalb des Platzes viel über Fußball, nicht nur über unsere Spiele oder einzelne Szenen, sondern ganz allgemein. Allerdings ist es nicht so, dass wir Videoanaly­sen zusammen machen, das wäre zu viel des Guten. Er geht eher darum, was uns am Fußball fasziniert.

Ging es nun auch um Diego Maradona?

NEUHAUS Er war natürlich ein Thema. Der Fußball hat eine ganz große Persönlich­keit verloren. Ich habe Diego Maradona leider nie live spielen gesehen, aber man schaut sich seine großen Szenen an. Wie das Solo gegen England bei der WM 1986 oder das Duell mit Guido Buchwald 1990. Ich spreche da nicht als ein Spieler, der ihn als Vorbild hatte, ich will mich mit ihm gar nicht vergleiche­n. Ich spreche da als Fußball-Liebhaber. Spieler wie er haben dem Fußball viel gegeben.

Sie wurden zuletzt mit zwei großen deutschen Mittelfeld­spielern der jüngeren Vergangenh­eit verglichen: Toni Kroos und Bastian Schweinste­iger. Was haben Sie von wem der beiden?

NEUHAUS Beide sind große Spieler, die eine Ära des deutschen Fußballs geprägt haben. Natürlich ist es fasziniere­nd, wie Kroos die Kontrolle über ein Spiel hat und alles, was er macht, Hand und Fuß hat. Und Schweinste­iger hatte diesen unbedingte­n Willen und die Kampfberei­tschaft auf dem Platz wie im WM-Finale 2014, zugleich war er ein klasse Fußballer. Es ehrt mich, wenn ich mit solchen Spielern verglichen werden. Aber ich finde es auch schwierig, wenn man auf die Vergleiche reduziert wird. Ich denke, dass ich meinen eigenen Spielstil habe. Wenn ich die besten Sachen der beiden mit meinen Qualitäten zusammenbr­ingen kann ohne meinen eigenen Weg zu verlassen, würde mich das nochmal voranbring­en.

Durch Ihren Positionsw­echsel auf die Sechs haben Sie, was die schweinste­igersche Kampfkraft angeht, zugelegt. Sie sind, sagt Ihr Trainer Marco Rose, ein kompletter­er Fußballer geworden.

NEUHAUS Das ist ein Punkt, an dem ich noch weiter arbeiten will. Als Marco Rose kam, habe ich ja gesagt, dass ich das als Chance sehen, meine Repertoire zu erweitern. Ich habe da schon Fortschrit­te gemacht, daran hat der Trainer großen Anteil. Er hilft mir sehr viel und gibt mir Vertrauen. Es ist unglaublic­h wichtig für jeden Spieler zu wissen, dass der Trainer zu einem steht und einem nicht den Kopf abreißt, wenn er mal einen Fehler macht. Das gibt Sicherheit und Selbstvert­rauen.

Davon haben Sie gerade eine Menge. Haben Sie auch einen EMTraum?

NEUHAUS (lacht) Darüber habe ich in der vergangene­n Saison viel gesprochen, auch mit Ihnen. Dann kam Corona und die EM ist ausgefalle­n. Darum warte ich einfach ab, was passiert.

Gilt das auch für die Spekulatio­nen, Sie könnten zu den Bayern gehen? Ihr Vater ist Bayern-Fan, den dürfte das freuen.

NEUHAUS Ich kann bestätigen, dass mein Papa Bayern-Fan ist. Die Bayern sind aber sonst kein großes Thema bei uns. Ich habe einen Vertrag bei Borussia und will hier erfolgreic­h sein. Das klappt im Moment gut.

Zum Beispiel in der Champions League. Dort ist Borussia nach vier Spielen Erster und steht mit einem Bein im Achtelfina­le. Wären Sie enttäuscht, wenn es dann doch nur die Europa League wird?

NEUHAUS Unser erstes Ziel ist es, internatio­nal zu überwinter­n. Das haben wir nun erreicht. Wir haben, was das Achtelfina­le angeht, eine ausgezeich­nete Ausgangspo­sition. Jetzt werden wir gegen Inter in den 90 Minuten alles raushauen – wenn wir das machen, bin ich sehr positiv, dass wir das Spiel nicht verlieren werden. Der Rest kommt von selbst.

Wie ist es gegen Schalke am Samstag? Der Gegner ist 24 Spiele ohne Sieg, der letzte Sieg war aber gegen Borussia. Seltsam, oder?

NEUHAUS Es ist doch klar, dass sich die Schalker an dieses Spiel erinnern werden und es wieder so hinkriegen wollen. Wir wiederum werden alles dafür tun, dass daraus nichts wird. Wir wollen unser Heimspiel gewinnen. Das ist uns zuletzt gegen Augsburg nicht gelungen, weil wir das zweite Tor nicht gemacht haben. Das soll uns nicht wieder passieren. Wir wollen den Schwung von Donezk mitnehmen und in den zweiten Liga-Heimsieg umsetzen.

Gegen Donezk waren Standards das Erfolgsrez­ept.

NEUHAUS Wir hatten in der Analyse festgestel­lt, dass wir körperlich im Vorteil sind gegenüber Donezk. Das wollten wir ausnutzen und haben es getan. Alexander Zickler schult uns in den Standards. Es ist wichtig, da stark zu sein. Klar ist, dass ich gern mal einen direkten Freistoß verwandeln würde. Aber ich bin nicht so weit vorn in der Hierarchie der Schützen.

INTERVIEW: KARSTEN KELLERMANN

 ?? FOTO: DIRK PÄFFGEN ?? Ballfertig: Florian Neuhaus, hier im Spiel gegen den FC Augsburg. Der Mittelfeld­mann erzielte da das 1:0 für Gladbach, am Ende stand es 1:1.
FOTO: DIRK PÄFFGEN Ballfertig: Florian Neuhaus, hier im Spiel gegen den FC Augsburg. Der Mittelfeld­mann erzielte da das 1:0 für Gladbach, am Ende stand es 1:1.

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