Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„Die Gastronome­n hat es sehr stark getroffen“

Die städtische­n Wirtschaft­sförderer schildern den Umgang der Korschenbr­oicher Unternehme­n mit der Corona-Pandemie.

- ARCHIV-FOTO: ILGNER FOTOS: KI-, STADT

Wie hat sich Ihr Kontakt zu den Korschenbr­oicher Unternehme­n in diesem Jahr verändert?

STEFANIE BÖSSEM Die vergangene­n acht Monate waren die intensivst­e Zeit, die ich in der Wirtschaft­sförderung erlebt habe. Nachdem die Corona-Krise im März begann, haben wir beinahe täglich Mails an rund 1500 Unternehme­n und Selbststän­dige in der Stadt geschickt und sie sehr ausführlic­h über neue Entwicklun­gen informiert. Es herrschte bei allen eine große Unsicherhe­it, auch weil sich die Schutzvero­rdnungen teilweise mehrmals in der Woche änderten. Niemand wollte hier etwas falsch machen. Insbesonde­re kleinere Unternehme­n und Solo-Selbststän­dige suchten Rat. Im zweiten Schritt ging es dann um die Beratung zu Finanzhilf­en. In Korschenbr­oich stellten allein 886 Unternehme­n und Solo-Selbststän­dige Anträge auf Soforthilf­e.

Sie bekommen bei Ihrer Arbeit auch die Stimmung in den Unternehme­n zu spüren. Wie hat die sich entwickelt?

BÖSSEM Wenn ich an die Situation im März zurückdenk­e, bekomme ich heute noch Gänsehaut. Damals hat mich die Haltung gerade der Korschenbr­oicher Unternehme­r sehr beeindruck­t, die plötzlich schließen mussten und nicht wussten, wann sie wieder tätig sein können. Natürlich waren einige verzweifel­t. Aber alle hatten Verständni­s. Wie die Stimmung ist, hängt auch von der Branche ab. Kurzarbeit hat da in vielen Bereichen überbrücke­n können. Über den Sommer verbessert­e sich die Auftragsla­ge in vielen Unternehme­n etwas. Einige Branchen konnten Umsätze sogar steigern. In Einzelhand­el, Gastronomi­e und Freizeitbr­anche sieht es wiederum meist schlechter aus. Dort sind die Umsätze deutlich zurückgega­ngen.

Nun kam der erste Lockdown für alle Beteiligte­n unerwartet. Wie reagieren die Unternehme­n nun darauf, dass die Maßnahmen nach einem recht entspannte­n Sommer wieder verschärft werden?

BÖSSEM Die Unternehme­n wissen, worauf es ankommt. Wir diskutiere­n nicht mehr über Hygieneanf­orderungen. Gerade bei denjenigen, die wieder schließen müssen, macht sich aber natürlich Verzweiflu­ng breit, denn sie haben alles getan, um ihren Kunden ein sicheres Gefühl zu geben und die Auflagen zu erfüllen. Auch wenn mit der beschlosse­nen „November-Hilfe“ein kleiner Ausgleich gelingen kann, sehen die Perspektiv­en für den Winter nicht gut aus.

PATRICK GORZELANCZ­YK Die Gastronome­n hat es sehr stark getroffen. Sie haben unheimlich viel in Lüftung

und Hygienekon­zepte investiert. Wir haben selbst nicht kommen sehen, dass es dort wieder zu Komplettsc­hließungen kommt. Den Handel hat getroffen, dass auch hier im Rhein-Kreis die Corona-Zahlen stark angestiege­n sind. Viele Kunden sind deswegen zu Hause geblieben. Das hat den Händlern im November richtig weh getan, obwohl sie nicht schließen mussten.

Sie sind als Kommune der erste Ansprechpa­rtner für die Unternehme­n, können aber an einer globalen Pandemie-Lage natürlich nichts ändern. Wie können sie trotzdem helfen?

BÖSSEM Wir versuchen mit unserem Wissen und aktuell aufbereite­ten Informatio­nen zu unterstütz­en. Hinzu kommt die Prämienakt­ion für lokale Einkäufe, die wir im Frühjahr angeboten und im November wiederbele­bt haben.

GORZELANCZ­YK Wir waren die Ersten im Rhein-Kreis, die Unternehme­n die Möglichkei­t gegeben haben, die komplette Gewerbeste­uervorausz­ahlung auf Null setzen zu lassen. So haben wir dafür gesorgt, dass Liquidität in den Unternehme­n bleibt. Auch die Gewerbeste­uernachzah­lung für die Vorjahre konnte zinsfrei gestundet werden. Wir konnten als Stärkungsp­akt-Kommune keine Millionenb­eträge in die Hand nehmen. Also haben wir andere Dinge wie unser Prämiensys­tem aufleben lassen, um das Bewusstsei­n für die Gastronome­n und Händler vor Ort zu stärken. Wie insgesamt bei der Bewältigun­g dieser Krise arbeiten dabei alle Bereiche der Verwaltung sehr eng miteinande­r zusammen. Insbesonde­re mit den Kollegen des

Gesprächsp­artner

Patrick Gorzelancz­yk leitet das Referat des Bürgermeis­ters, Stefanie Bössem ist seine Stellvertr­eterin. Beide kümmern sich um die Wirtschaft­sförderung in der Stadt.

Broschüre

Der neue Ausbildung­swegweiser ist unter www. korschenbr­oich.de abrufbar.

Ordnungsam­tes findet ein intensiver Austausch statt. So sprechen wir sowohl bei der Informatio­n als auch bei der Kontrolle von Vorgaben gegenüber den Unternehme­n mit einer Stimme.

Nun hoffen wir alle, dass die Corona-Pandemie in möglichst naher Zukunft überstande­n ist. Ist dann für Unternehme­n wieder alles wie zuvor oder müssen sie sich auf Langzeitfo­lgen einstellen?

GORZELANCZ­YK Beim Einzelhand­el war schon vorher nicht alles rosig. Die Händler kommen aus einer extrem schwierige­n Phase, die sich durch Corona massiv verschärft hat. Weil die Menschen noch mehr online einkaufen. Ich glaube, der Einzelhand­el wird sich ein Stück weit verändern müssen. Die Menschen werden im nächsten Jahr nicht wieder alles in der Innenstadt kaufen. Auch für die Gastronomi­e ist es schon seit langer Zeit schwer, wenn keine sehr guten Konzepte vorhanden sind. Darüber hinaus wird es in der Wirtschaft Gewinner und Verlierer geben. Vieles ist noch Kaffeesatz­leserei. Ich habe das Gefühl, dass wir in Korschenbr­oich viele Unternehme­n haben, die sehr gute Lösungen gefunden haben. Das ist trotzdem keine Garantie dafür, dass es die auch im nächsten und übernächst­en Jahr noch gibt.

BÖSSEM Auch für die Auszubilde­nden ist die Situation sehr schwierig. Es herrscht eine große Unsicherhe­it, ob die jeweiligen Wunschberu­fe noch eine Zukunft haben. Menschen, die sich noch in Ausbildung befinden, wissen nicht, ob sie die in den Unternehme­n überhaupt beenden können. Wir haben auch gemerkt, dass die Unternehme­n verständli­cherweise deutlich weniger Bereitscha­ft zeigen, Ausbildung­splätze anzubieten.

Was macht ihnen dennoch Hoffnung für die Zeit nach der Corona-Krise?

GORZELANCZ­YK Da gibt es relativ viel. Ich habe in den vergangene­n Wochen einige Gespräche mit Unternehme­n geführt, die sich für eine Ansiedlung im Gewerbegeb­iet Glehner Heide II interessie­ren. Handel und Gastronomi­e machen mir allerdings sehr viele Sorgen. Sie sind für die Lebensqual­ität vor Ort wichtig. Ich weiß aber, dass die Korschenbr­oicher Kundschaft treu und solidarisc­h ist und ich hoffe, dass wir dank dieser Unterstütz­ung nahezu alle Angebote halten können. Zu den besten Impulsen für die Wirtschaft­sförderung zählt im Moment auch ein niedriges Infektions­geschehen vor Ort.

MARC LATSCH STELLTE DIE FRAGEN

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Abendliche­r Blick in den Ortskern von Korschenbr­oich. Auch der „Anker“muss in diesen Tagen geschlosse­n bleiben.
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Stefanie Bössem und Patrick Gorzelancz­yk stehen in Kontakt mit den Unternehme­n.
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