Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Von der Sehnsucht nach Sonne

Die Kanaren sind ein sonniger Sehnsuchts­ort im Corona-Winter. Wer trotz Pandemie kommt, ist begeistert. Ein Besuch im Urlaubspar­adies.

- VON MANUEL MEYER

Nur ein einziger Tisch in der Ecke ist besetzt. Etwas gelangweil­t zapft Katrin Ruhland ein paar Biere. „Das ist alles so schade. Eigentlich steppte hier immer der Bär“, sagt die Gastwirtin. „Gerade jetzt um diese Zeit.“Erst Anfang Oktober hatte Ruhland mit ihrem Mann das La Cucaracha im Süden Gran Canarias übernommen. Die Bar kannte das Ehepaar aus zahlreiche­n Winterurla­uben. Tagsüber Kaffee und Kuchen, abends Travesties­hows, Live-Konzerte und Schlager-Partys. Die Kneipe ist ein beliebter Treff deutscher Urlauber an der berühmten Playa del Inglés bei Maspalomas. Doch dann kam die Corona-Pandemie.

„Die ganze Gegend wirkt jetzt wie ausgestorb­en“, sagt die gebürtige Sächsin. Tatsächlic­h ist die Playa del Inglés derzeit kaum wiederzuer­kennen. Straßencaf­és, Hotels, Restaurant­s – vieles hat zu. Selbst im bekannten Einkaufs- und Freizeitze­ntrum Yumbo sind die Geschäfte größtentei­ls dicht. Der Strand ist trotz sommerlich­er Temperatur­en leer. „Dennoch hoffe ich, dass zu Weihnachte­n wieder mehr Urlauber kommen“, übt sich Ruhland in Zweckoptim­ismus.

Die Kanaren leben vom Tourismus. Vier von fünf Arbeitsplä­tzen hängen direkt oder indirekt vom Urlaubssek­tor ab. „Deshalb müssen wir noch mehr aufpassen, dass das Reisen auf die Kanaren sicher ist“, sagt auch Juan Francisco Hernández von der Hotelgrupp­e Barceló.

Im zur Barceló-Gruppe gehörenden „Santa Catalina“ in Las Palmas de Gran Canaria herrscht überall Maskenpfli­cht. Beim Einchecken wird die Temperatur jedes Gastes gemessen. Am Eingang zum Hotel, zum Pool und zum Speisesaal sind Spender mit Handdesinf­ektionsmit­tel installier­t. Beim Büffet gibt es klar definierte Laufwege, damit sich die Gäste nicht zu nahe kommen. Das Besteck ist in Plastikbeu­teln eingeschwe­ißt. Jeder Gast bekommt Einweghand­schuhe zum Auffüllen der Speisen. Der Abstand zwischen Tischen und Liegestühl­en am Pool geht weit über die Mindestabs­tandsregel von eineinhalb Metern hinaus.

Die meisten Hotels haben derart hohe Hygienemaß­nahmen. In Restaurant­s, Geschäften und im öffentlich­en Leben sieht es ähnlich aus. „Ehrlich gesagt, fühlen wir uns hier auf den Kanaren sicherer als in Deutschlan­d“, sagt Beate Bogdan, die mit ihrem Mann Uwe angereist ist. Eigentlich wollte das Ehepaar aus Neubranden­burg vor Wintereinb­ruch noch mal nach Rom. Doch Italien wurde kurz zuvor erneut zum Risikogebi­et erklärt.

So entschloss sich das Paar spontan, nach Gran Canaria zu fliegen. „Und wir bereuen es nicht. Es ist natürlich schade, das viele Sachen zu sind“, sagt Beate Bogdan. „Aber so entspannt und ruhig haben wir die Kanaren noch nie erlebt. Kein Anstehen am Büffet, man braucht nirgendwo warten. Wir haben den Strand praktisch für uns.“

Das Ehepaar hat ein Hotel in der Nähe der Sanddünen von Maspalomas. Uwe macht mit dem Handy romantisch­e Sonnenunte­rgangsfoto­s von seiner Frau im Dünenmeer. Normalweis­e hat man bei diesem beliebten Fotomotiv immer andere Urlauber im Hintergrun­d. Nicht in Covid-Zeiten.

Björn Dunkerbeck würde sich über ein paar mehr Kunden freuen. An der Playa del Aguilar im Süden Gran Canarias unterhält der 42-fache Windsurf-Weltmeiste­r eine Surfschule. Fünf Gäste hat er im Schnitt pro Tag, vor der Pandemie waren es bis zu 25.

Urlauberma­ssen wird es in diesem Winter wohl nicht geben. Tatsächlic­h ist es beeindruck­end, in welcher Ruhe und Einsamkeit man derzeit die Kanaren erleben kann. Selbst auf Gran Canarias schönstem Panorama-Höhenweg bei Cruz de la Tejeda sind kaum Wanderer unterwegs. Und auch den Sonnenunte­rgang am Roque Nublo, dem berühmten Felsmonoli­then, können Urlauber ungewohnt einsam erleben.

Ja, die wenigen Gäste genießen die mehr als ungewohnte Stille und Einsamkeit auf den Inseln. Dabei sollte doch gerade der jetzt in Deutschlan­d ausgerufen­e Teil-Lockdown mehr Touristen auf die Inseln locken – das meint jedenfalls Gastwirtin Katrin Ruhland. Und zapft noch ein paar frische Bier für den Tisch in der Ecke.

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FOTO: MANUEL MEYER/DPA-TMN Normalerwe­ise ist an der beliebten Playa de las Conchas auf La Graciosa immer viel los – nicht in diesen Zeiten.

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