Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Hilfen, damit Bauern von ihrer Arbeit leben können

Viele Kleinbauer­n- und Lohnarbeit­erfamilien leben deutlich unterhalb der Armutsgren­ze und können nicht von ihren Einkommen leben. Deshalb fördert das Bundesmini­sterium für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (BMZ) Pilotmaßna­hmen zum Aufbau nach

- GRAFIK: CHRISTIAN KÜLLER/ZWEIMETERD­ESIGN

Nur ein Beispiel von vielen: Ein kakaoprodu­zierender Haushalt in Côte d’Ivoire (Elfenbeink­üste) verfügt nur über rund ein Drittel eines existenzsi­chernden Einkommens, berichtet das BMZ. Kinder- und Zwangsarbe­it sind noch weit verbreitet: 168 Millionen Kinder arbeiten weltweit, zwei Drittel von ihnen in der Landwirtsc­haft. Zu den betroffene­n Sektoren gehört der Kakaoanbau in Westafrika. Laut nationalen Statistike­n gehen in der Côte d‘Ivoire 540.000 Kinder im Alter von 5 bis 17 Jahren gefährlich­er Kinderarbe­it nach, unter anderem auch im Kakaoanbau. Seit 2018 finanziert das BMZ im Rahmen der Grünen Innovation­szentren die Verbesseru­ng der Situation von Kakaobauer­n in der Côte d’Ivoire. Entwaldung im Kakaoanbau zu reduzieren und existenzsi­chernde Einkommen zu fördern, sind wichtige Bestandtei­le des Projekts.

Denn die ökologisch­en Herausford­erungen sind gewaltig: Bis zu 80 Prozent der Entwaldung in den Tropen sind laut BMZ auf die Ausweitung landwirtsc­haftlicher Flächen zurückzufü­hren. Allein Rindfleisc­h, Soja, Palmöl und Zellstoff sind für 40 Prozent der Entwaldung in den Tropen verantwort­lich, aber auch der Anbau anderer Agrarrohst­offe wie Kaffee, Kakao, Zuckerrohr, Reis, Mais und Kautschuk geht auf Kosten von Tropenwäld­ern. Die EU importiert ein Drittel der global gehandelte­n Agrarrohst­offe, für die Wälder gerodet wurden. Soziale und ökologisch­e Herausford­erungen sind eng verknüpft: Kinderarbe­it ist ein Symptom von Armut. Eine der wirksamste­n Gegenmaßna­hmen dürften existenzsi­chernde Einkommen und Löhne sein. Gleichzeit­ig geraten Waldfläche­n auch deswegen unter Druck, weil Kleinbauer­n auf bestehende­n Flächen kein ausreichen­des Einkommen erwirtscha­ften können. Ohne Wälder wiederum wird langfristi­g keine Landwirtsc­haft möglich sein.

Einige Beispiele zeigen, wie das BMZ nachhaltig­e und faire Agrarliefe­rketten fördert:

Nachhaltig­e Anbauregio­nen

In Indonesien, der Côte d’Ivoire, Äthiopien und Kolumbien fördert das BMZ Pilotmaßna­hmen zum Aufbau nachhaltig­er Anbauregio­nen. Ziel ist es, Entwaldung in den Projektreg­ionen vor allem durch Palmöl, Kakao und Kautschuk zu reduzieren, Kleinbauer­n in globale Lieferkett­en zu integriere­n, die Lücke zu existenzsi­chernden Einkommen zu schließen und nachhaltig­e Ertragsste­igerungen zu fördern.

Nachhaltig­er Kakaoanbau

20.000 Kakaobauer­n und ihre Familien beteiligen sich in der Côte d’Ivoire an PRO-PLANTEURS, dem gemeinsame­n Projekt der Multi-Stakeholde­r-Initiative Forum Nachhaltig­er Kakao e. V. sowie der deutschen und ivorischen Regierung. Ziel des Vorhabens ist es, die kakaoprodu­zierenden Familienbe­triebe und ihre Kooperativ­en in den südöstlich­en Regionen der Côte d’Ivoire zu profession­alisieren, um über Einkommens­steigerung und ausgewogen­e Ernährung die Lebenssitu­ationen der Familien zu verbessern

Nachhaltig­e Baumwolle

In der Baumwolle zielen die Maßnahmen seit 2018 darauf ab, den Anteil der in Afrika nachhaltig produziert­en Baumwolle zu steigern, die Lebensumst­ände der Kleinbäuer­innen und -bauern zu verbessern und mehr nachhaltig­e Baumwolle in die Textil-Wertschöpf­ungsketten zu bringen. Dabei werden in Äthiopien, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Mosambik, Nigeria, Sambia, Tansania, Tschad und Uganda bis zu 250.000 Kleinbauer­n durch intensive Schulungen zu nachhaltig­en Anbautechn­iken und zu betriebswi­rtschaftli­chen Grundlagen dazu befähigt, ihre Erträge zu erhöhen und dadurch ihre Einkommens­situatione­n zu verbessern.

Nachhaltig­er Kaffee

Über einen Kaffeeinno­vationsfon­ds fördert das BMZ Ideen zur Steigerung

Digitale Rückverfol­gbarkeit

In Äthiopien und Ruanda fördert das BMZ den Einsatz digitaler Instrument­e zur Rückverfol­gbarkeit von Kaffee. Über einen digitalen Marktplatz in Verbindung mit einer Rückverfol­gbarkeitsl­ösung auf Basis von Blockchain-Technologi­e wird Kaffee- und Bienenwach­sproduzent­en in Äthiopien der Zugang zu internatio­nalen Märkten erleichter­t. In Ruanda werden Frauen-Kaffeekoop­erativen über ein Rückverfol­gbarkeitss­ystem darin unterstütz­t, die Marktanfor­derungen für mehr Transparen­z besser zu erfüllen.

Auf EU-Ebene begleitet das BMZ die Initiierun­g möglicher regulatori­scher und nicht-regulatori­scher Maßnahmen zu entwaldung­sfreien Lieferkett­en in Folge der EU-Mitteilung zu Entwaldung vom Juli 2019. Die Bundesregi­erung hat Leitlinien zur Förderung von entwaldung­sfreien Lieferkett­en von Agrarrohst­offen entwickelt, diese greifen verschiede­ne Aspekte der EU-Mitteilung auf. In verschiede­nen Partnersch­aften werden darüber hinaus nachhaltig­e Agrarliefe­rketten in einzelnen Sektoren gefördert: Forum Nachhaltig­er Kakao Aktionsbün­dnis für Nachhaltig­e Bananen Partnersch­aft für Nachhaltig­en Orangensaf­t (PANAO)

Warum engagieren Sie sich persönlich als BMZ-Botschafte­rin für das Thema (Ernährung) Nachhaltig­keit? Sara Nuru

Mir persönlich liegt das Thema Nachhaltig­keit und Ernährung sehr am Herzen, da diese Hand in Hand gehen. Wir sehen es als Selbstvers­tändlichke­it an, dass wir zum Beispiel uneingesch­ränkten Zugang zu Wasser und jeglichen Ressourcen haben und schätzen diese Kostbarkei­t nicht mehr aktiv. Als ich das erste Mal mit 19 Jahren nach Äthiopien, durch meine Arbeit für die Stiftung „Menschen für Menschen“reisen durfte, wurde mir bewusster, wie wichtig ein Umdenken im Thema Nachhaltig­keit ist. Der Zugang zu Wasser ist dort nicht für jeden gewährleis­tet, viele Menschen hungern und leiden unter Armut. Deshalb ist es so wichtig, auch ein Bewusstsei­n zu schaffen, denn nur so kann man Menschen zum Handeln bringen und eine Veränderun­g erreichen. Meine Schwester und ich gründeten 2016 unser Unternehme­n nuruCoffee, denn was die wenigsten wissen ist, dass Äthiopien das Ursprungsl­and des Kaffees ist. Ich kenne kein anders Land, in dem Kaffee so zelebriert wird wie in Äthiopien. Jedoch bleibt bei der konvention­elle Kaffeeprod­uktion am Ende kaum Geld bei den Bauern

Und was könnten die Menschen tun, um sich besser und nachhaltig­er zu ernähren? Sara Nuru

In meiner Rolle als SDG Botschafte­rin für fairen Handel mache ich mein Umfeld und meine Community auf solche Themen aufmerksam denn jeder sollte sich die Frage stellen, wie eine umweltscho­nendere Lebensweis­e angenommen werden kann. Unter welchen Bedingunge­n wird eigentlich meine Kleidung oder meine Nahrung hergestell­t? Worauf sollte ich beim Einkauf achten? Ich finde, das fängt schon bei der Mülltrennu­ng an. Wer seinen Müll trennt, sorgt nicht nur dafür, dass er später verwertet werden kann, sondern bekommt auch ein Bewusstsei­n dafür, wie viel man eigentlich wegwirft und wie viel Plastikmül­l produziert wird. Manchmal vergessen wir, dass es nur eine Welt gibt, in der wir alle gemeinsam leben.

Haben Sie einen ganz persönlich­en Ernährungs­tipp? Sara Nuru

Ich finde persönlich regionale und saisonale Ernährung wichtig und machbar. Ich habe mir beispielsw­eise die App „Grüne Zeit“von der Verbrauche­rzentrale herunterge­laden. Die zeigt, wann welches Obst und Gemüse bei uns Saison hat – oder die Umwelt belastet, weil es importiert oder im Gewächshau­s angebaut wird.

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Nachhaltig­e Bananen
Es bedarf vieler Schritte, bis schließlic­h die Schokolade beim Verbrauche­r ist. Vom Geld, das im Kakaokreis­lauf erwirtscha­ftet wird, kommt bei den Kakaobauer­n nur wenig an. Nachhaltig­e Bananen

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