Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Wirtschaft erwartet langen Erholungsprozess
Industrie- und Handelskammer legt das Konjunkturbarometer vor. Corona hinterlässt deutliche Spuren.
MÖNCHENGLADBACH Eine Perspektive. Das ist es, was sich die vom Teil-Lockdown besonders hart getroffenen Unternehmen am sehnlichsten wünschen: zu wissen, wann und unter welchen Corona-Rahmenbedingungen sie ihr Geschäft wieder öffnen dürfen. Die Maßnahmen von Bund und Ländern erscheint vielen als ein Fahren auf Sicht, verlässliches unternehmerisches Planen werde so unmöglich. Das ist ein zentrales Ergebnis des Konjunkturbarometers Rheinland, das die sieben Industrie- und Handelskammern im Rheinland erarbeitet haben. Bis Anfang Oktober hatten sich 3000 Unternehmen beteiligt. Nach dem erneuten Teil-Lockdown schalteten die Kammern eine Blitzumfrage zu den Auswirkungen seit November nach. Daran nahmen rund 1000 Unternehmen teil. Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der Industrieund Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein, stellte die Ergebnisse des Konjunkturbarometers Rheinland am Freitag vor. Die zentrale Botschaft: Der Wirtschaft steht ein langer Erholungsprozess bevor.
Aber es gibt Hoffnungsschimmer. Trotz des Teil-Lockdowns bewerten die Unternehmen ihre Lage besser als noch im Sommer und Spätsommer. „Die Zahl der Optimisten steigt“, sagt Steinmetz. Aber: Immer noch vermelden mehr Unternehmen
(35 Prozent) eine schlechte Geschäftslage als eine gute (28 Prozent). Der Geschäftslageindikator – der Saldo aus Gut- und Schlecht-Anteilen – liegt damit mit minus sieben Punkten zwar über dem Wert von Anfang Oktober (-13 Punkte) und weit über dem Tiefpunkt im Sommer (-25 Punkte). „Große Teile der Wirtschaft erholen sich langsam“, sagt Steinmetz. „Aber in einigen Branchen ist die Lage sehr ernst.“
Vor allem ist die Lage aber von Branche zu Branche sehr unterschiedlich. So steht die Industrie inzwischen besser da als noch vor Wochen. Der Lageindikator war zwar zunächst aufgrund der Corona-Pandemie in den Keller gerutscht, der
harte Lockdown im Frühjahr hatte die Industrie, die zudem unter anderem mit dem Brexit zu kämpfen hat, stark ausgebremst. Seit Beginn des vierten Quartals hat sie nach einem eher verhaltenen Anstieg im Sommer aber laut Konjunkturbarometer wieder Schwung aufgenommen. Die aktuellen Beschränkungen hemmen die verarbeitenden Betriebe weniger. „Die offenen europäischen Binnengrenzen haben, anders als im März, dafür gesorgt, dass Lieferketten weitgehend funktionieren“, erklärt Steinmetz. Auch dass Kitas und Schulen geöffnet bleiben, spielt eine wichtige Rolle, weil dies die Beschäftigten entlaste. Zwar herrsche in der Industrie derzeit bei weitem keine Euphorie. „Aber der Aufholprozess läuft.“
Schwieriger ist die Lage in einigen Branchen des Dienstleistungsbereichs. Während Gesundheits- und Finanzwirtschaft sie etwas besser als der Durchschnitt bewerten, sind Gastgewerbe, Freizeit- und Reisewirtschaft ebenso hart getroffen wie Kultur- und Kreativwirtschaft. Und gerade in diesen Branchen schlägt die fehlende Perspektive, wann und unter welchen Bedingungen es für sie weitergeht, voll durch. Durch den Lockdown in der Gastronomie ist zudem der Einzelhandel betroffen, da weniger Passanten in den Innenstädten unterwegs sind. „Für das nächste Jahr rechnen die Einzelhändler mit einer weiteren Verschlechterung“, sagt Steinmetz. Fazit: Der Weg zurück zur Normalität dürfte nicht einfach werden – und über 2021 hinausreichen.