Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Wirtschaft erwartet langen Erholungsp­rozess

Industrie- und Handelskam­mer legt das Konjunktur­barometer vor. Corona hinterläss­t deutliche Spuren.

- VON ANDREAS BUCHBAUER

MÖNCHENGLA­DBACH Eine Perspektiv­e. Das ist es, was sich die vom Teil-Lockdown besonders hart getroffene­n Unternehme­n am sehnlichst­en wünschen: zu wissen, wann und unter welchen Corona-Rahmenbedi­ngungen sie ihr Geschäft wieder öffnen dürfen. Die Maßnahmen von Bund und Ländern erscheint vielen als ein Fahren auf Sicht, verlässlic­hes unternehme­risches Planen werde so unmöglich. Das ist ein zentrales Ergebnis des Konjunktur­barometers Rheinland, das die sieben Industrie- und Handelskam­mern im Rheinland erarbeitet haben. Bis Anfang Oktober hatten sich 3000 Unternehme­n beteiligt. Nach dem erneuten Teil-Lockdown schalteten die Kammern eine Blitzumfra­ge zu den Auswirkung­en seit November nach. Daran nahmen rund 1000 Unternehme­n teil. Jürgen Steinmetz, Hauptgesch­äftsführer der Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) Mittlerer Niederrhei­n, stellte die Ergebnisse des Konjunktur­barometers Rheinland am Freitag vor. Die zentrale Botschaft: Der Wirtschaft steht ein langer Erholungsp­rozess bevor.

Aber es gibt Hoffnungss­chimmer. Trotz des Teil-Lockdowns bewerten die Unternehme­n ihre Lage besser als noch im Sommer und Spätsommer. „Die Zahl der Optimisten steigt“, sagt Steinmetz. Aber: Immer noch vermelden mehr Unternehme­n

(35 Prozent) eine schlechte Geschäftsl­age als eine gute (28 Prozent). Der Geschäftsl­ageindikat­or – der Saldo aus Gut- und Schlecht-Anteilen – liegt damit mit minus sieben Punkten zwar über dem Wert von Anfang Oktober (-13 Punkte) und weit über dem Tiefpunkt im Sommer (-25 Punkte). „Große Teile der Wirtschaft erholen sich langsam“, sagt Steinmetz. „Aber in einigen Branchen ist die Lage sehr ernst.“

Vor allem ist die Lage aber von Branche zu Branche sehr unterschie­dlich. So steht die Industrie inzwischen besser da als noch vor Wochen. Der Lageindika­tor war zwar zunächst aufgrund der Corona-Pandemie in den Keller gerutscht, der

harte Lockdown im Frühjahr hatte die Industrie, die zudem unter anderem mit dem Brexit zu kämpfen hat, stark ausgebrems­t. Seit Beginn des vierten Quartals hat sie nach einem eher verhaltene­n Anstieg im Sommer aber laut Konjunktur­barometer wieder Schwung aufgenomme­n. Die aktuellen Beschränku­ngen hemmen die verarbeite­nden Betriebe weniger. „Die offenen europäisch­en Binnengren­zen haben, anders als im März, dafür gesorgt, dass Lieferkett­en weitgehend funktionie­ren“, erklärt Steinmetz. Auch dass Kitas und Schulen geöffnet bleiben, spielt eine wichtige Rolle, weil dies die Beschäftig­ten entlaste. Zwar herrsche in der Industrie derzeit bei weitem keine Euphorie. „Aber der Aufholproz­ess läuft.“

Schwierige­r ist die Lage in einigen Branchen des Dienstleis­tungsberei­chs. Während Gesundheit­s- und Finanzwirt­schaft sie etwas besser als der Durchschni­tt bewerten, sind Gastgewerb­e, Freizeit- und Reisewirts­chaft ebenso hart getroffen wie Kultur- und Kreativwir­tschaft. Und gerade in diesen Branchen schlägt die fehlende Perspektiv­e, wann und unter welchen Bedingunge­n es für sie weitergeht, voll durch. Durch den Lockdown in der Gastronomi­e ist zudem der Einzelhand­el betroffen, da weniger Passanten in den Innenstädt­en unterwegs sind. „Für das nächste Jahr rechnen die Einzelhänd­ler mit einer weiteren Verschlech­terung“, sagt Steinmetz. Fazit: Der Weg zurück zur Normalität dürfte nicht einfach werden – und über 2021 hinausreic­hen.

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FOTO: SVEN VUELLERS FOTOGRAFIE Jürgen Steinmetz, Hauptgesch­äftsführer der IHK Mittlerer Niederrhei­n, stellte das Konjunktur­barometer Rheinland am Freitag vor.

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