Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Borussia gehen die Abwehrspieler aus
Trainer Marco Rose brach gegen Inter Mailand die B-, C-, D- und E-Lösung in der Innenverteidigung weg.
Borussia darf sich grundsätzlich damit brüsten, auf jeder Position doppelt und gut besetzt zu sein. Doch es gibt eben Mannschaftsteile, in denen die Besetzung etwas doppelter ausfällt als in anderen. Dazu zählt die Innenverteidigung, sie ist nach der Torwartposition diejenige, auf der ein Trainer am liebsten wenig bis gar nicht wechselt. Vier Spieler auf nahezu identischem (Top-)Niveau kann und will sich kaum ein Klub auf der Welt leisten.
In Matthias Ginter hat Marco Rose einen Abwehrchef, der offenbar nie eine Pause benötigt, in allen 15 Partien dieser Saison konnte der 26-Jährige durchspielen. Etwas mehr Voraussicht ist dagegen bei Nico Elvedi nötig, und eigentlich schien Rose den perfekten Plan in Sachen Belastungssteuerung zu haben: Am vergangenen Samstag gegen Schalke 04 ließ er den Schweizer 90 Minuten draußen, Gladbach gewann 4:1 mit seinem Vertreter Tony Jantschke.
Doch im sogenannten Spielersatztraining am Sonntagmorgen zog sich Elvedi eine Muskelverletzung zu, also tragischer Weise in jener Einheit, die er gar nicht absolviert hätte, wenn er am Tag zuvor nicht geschont worden wäre. Es war der Beginn einer unglücklichen Verkettung, die Rose am Dienstagabend schulterzuckend festhalten ließ: „Irgendwann wird es dann etwas wenig mit den Verteidigern.“
Denn gegen Inter Mailand war wieder Jantschke als Elvedi-Ersatz gefragt. Der 30-Jährige hat fast alles erlebt mit Borussia, aber es war erst sein vierter Startelf-Einsatz in der Champions League. Und der dauerte nur 45 Minuten. „Tony hatte ein dickes Knie“, erklärte Rose nachher, der Schleimbeutel habe schon am Vortag leichte Probleme bereitet. Es folgten Umbaumaßnahmen, wie sie in der Kaderplanung eher für Notfälle in Erwägung gezogen worden sein dürften. „Da auf den Positionen Innenverteidiger und linker Verteidiger irgendwann die Ressourcen ausgehen, haben wir Zak da hinten reingestellt und eine gewisse Zeit auf Dreierkette umgestellt, um ihn nicht gänzlich auf Neuland stoßen zu lassen“, sagte Rose.
Und so landete „Zak“, Denis Zakaria, in der 62. Minute in einem Eins-gegen-Eins mit Romelu Lukaku, stellte den Inter-Stürmer weitgehend nach Lehrbuch und bekam den Ball aus spitzem Winkel dennoch durch die Beine geschossen. Borussias Aushilfs-Innenverteidiger durfte sich mitunter allein gelassen fühlen von seinen Vorder- und Nebenleuten. Noch einmal nutzte Inter, allen voran Lukaku, Borussias Improvisations-Situation aus.
Rose fehlen fünf potentielle Innenverteidiger, wenn man die Kandidatenliste so weit erfasst, wie es Borussias auf Vielseitigkeit ausgelegter Kader verlangt. Elvedi und Jantschke sind angeschlagen, Ramy Bensebaini ist noch nicht aus der Corona-Quarantäne zurück, Jordan Beyer hat die zwar lange hinter sich, hatte aber erst zweimal 45 Minuten in der U23 in den Knochen, weshalb Zakaria den Vorzug bekam. Und dann wäre da theoretisch noch
der immer wieder verletzte Mamadou Doucouré, der zuletzt vor drei Monaten im Testspiel bei VVV Venlo öffentlich kickte.
Ohne B-, C-, D- und E- Lösung wird es hinten eng für Borussia. Zumal Zakarias Ausflug in die Innenverteidigung dem Trainer eine Alternative fürs Mittelfeld raubte. „Zak sollte eigentlich in der letzten halben Stunde noch mal Dampf nach vorne machen“, sagte Rose. Die Konfrontation mit Murphys Abwehr-Gesetz führt ihm und Manager Max Eberl vor Augen, wie wichtig Ginter und Elvedi als fittes und funktionierendes Duo für den Erfolg des Vereins sind. Beide haben Verträge, die nur noch bis 2022 laufen.
Will Borussia dauerhaft auf Königsklassen-Niveau konkurrieren, benötigt sie zwei Innenverteidiger dieser Güteklasse und dahinter zuverlässige Back-ups oder Spieler, die von anderen Positionen ins Abwehrzentrum wechseln können. Am Dienstagabend hatte Rose nur noch Ginter und einen Zakaria im Neuland. Ob sich die Lage bis zum Spiel beim SC Freiburg am Samstag bessert, ist ungewiss. Womöglich muss ein Youngster aus der U23 in den Kader aufrücken.