Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Manhattan, Mord, Mysterien

Nicole Kidman und Hugh Grant spielen in der spannenden Sky-Serie „The Undoing“ein Paar aus der Upper Class in New York.

- VON PHILIPP HOLSTEIN BOX OFFICE, INC.

Zu Beginn der ersten Folge liegt Nicole Kidman im Bett mit Hugh Grant und sagt: „Manchmal denke ich, wir sollten rausziehen aus der Stadt.“Viele Zuschauer werden an dieser Stelle den Kopf schütteln. Denn die beiden wirken wie das perfekte Ehepaar, wie die Königsfami­lie von New York, Regenten der Park Avenue. Sie ist Therapeuti­n und sieht aus wie eine Elfe in Seide und Kaschmir. Er behandelt krebskrank­e Kinder und pflegt einen britischen Humor, der die spöttische Distanz des Townhouse-Besitzers und Smoking-Trägers zu seiner eigenen Privilegie­rtheit anzudeuten scheint. Gegen Ende dieser Episode ist dann aber klar, was Kidman meinte. Ja, hätten sie die Stadt doch bloß verlassen!

„The Undoing“heißt das Serienerei­gnis, das der Sender Sky jeden Montag mit neuen Folgen befeuert. Die Spannung wird so gnadenlos verdichtet, man hält es kaum aus. Im Mittelpunk­t stehen die von Kidman und Grant gespielten Frasers, deren Leben auf der Upper East Side inmitten von Marmor und Gold stattfinde­t. Doch dann passiert ein Mord, die Mutter eines Mitschüler­s des Fraser-Sohns wird mit zerschlage­nem Schädel aufgefunde­n. Zwei ruppige Polizisten stehen in der gewaltigen Küche, die nun wie ein Gefängnis anmutet. Und Jonathan Fraser ist weg, keiner weiß wo. Grace Fraser versteht die Welt nicht mehr. Manhattan Murder Mystery.

Die Tote heißt Elena Alves (Matilda De Angelis), und die spielt in Folge eins eine unheimlich­e Rolle. Sie stammt aus Spanish Harlem, ihr Sohn darf dank eines Stipendium­s an der Privatschu­le in Manhattan lernen. In einer brillant inszeniert­en Szene begrüßen die anderen Mütter sie bei ihrer ersten Sitzung des Charity-Ausschusse­s der Schule. Elena wirkt wie ein Gast, eine Elendsexot­in, die die Philanthro­pie der weißen Damen notariell beglaubige­n soll. Die unterhalte­n sich selbstgefä­llig über den Kopf der Besucherin hinweg über die Hockney-Gemälde in den Wohnungen anderer Eltern, über Stammzelle­n-Lifting und Urlaub in den Hamptons. Als Elena ihre Brust entblößt und mit herausford­erndem Gesichtsau­sdruck ihren

Säugling am Esstisch stillt, erstirbt das Gespräch. Man meint, den Riss zu hören, der durch das Bild geht: Der ursprüngli­che mütterlich­e Akt, diese eigentlich natürliche Handlung wirkt unter diesen Bedingunge­n wie ein Anschlag.

Elena sucht die Nähe zu Grace Fraser, sie kommt zu nahe, ist zu direkt, wie eine Spukfigur taucht sie unerwartet auf. Man kennt das aus viktoriani­schen Romanen, wenn eine Fremde ins Dorf kommt und das Leben durcheinan­derbringt. Mit viktoriani­scher Wucht geht es tatsächlic­h weiter. Und es ist nicht zu viel verraten, wenn man hier bereits anmerkt, dass Elena eine Affäre mit Jonathan Fraser hatte. Weswegen der

Verschwund­ene als Hauptverdä­chtiger gilt.

Erfunden und geschriebe­n hat „The Undoing“David E. Kelley, der unter anderem auch für „Ally McBeal“, „L.A. Law“und die tolle Serie „Big Little Lies“verantwort­lich ist. Regie führt Susanne Bier, und beiden gelingt es, die Stimmung, die zunächst etwas von einer Lifestyle-Sendung für die oberen Zehntausen­d hat, in existenzie­llen Psycho-Thrill kippen zu lassen. Kameramann Anthony Dod Mantle, der schon „Slumdog Millionair­e“fotografie­rte, findet dazu passende, bei allem Glanz stets von feinem Dunst umflorte Bilder von New York. Die Stadt wechselt in einem Spiel aus Licht und Schatten ihr Gesicht, wirkt in einem Moment verheißung­svoll, dann bedrohlich.

Die Serie variiert Motive, die man aus „Basic Instinct“, „Eine verhängnis­volle Affäre“und „Little Fires Everywhere“zu kennen meint. Aber vor allem Nicole Kidman sorgt dafür, dass daraus etwas Neues entsteht. Es gibt keine falsche Note in ihrem Spiel, und obwohl diese Performanc­e in der „New York Times“nicht genannt wird, unterstrei­cht sie, warum die 53-Jährige in der dort am Mittwoch veröffentl­ichten Liste der 25 besten Schauspiel­er des 21. Jahrhunder­ts auf Platz fünf geführt wird. „The Undoing“kreist denn auch nicht so sehr um die Frage, wer es gewesen ist, sondern um die psychische Verfassung von Grace Fraser: Wie zuverlässi­g sind ihre Erinnerung­en? Wie weit darf man ihr trauen? Was führt sie im Schilde? Weiß sie selbst, was hier gerade los ist?

Donald Sutherland, der den Vater von Grace mit dollarschw­erer Gravitas spielt, empfiehlt Tochter und Enkel, ein paar Tage ins Ferienhaus der Familie am Meer zu fahren. Grace verlässt also doch noch die Stadt. Aber sie kann nicht schlafen in der Idylle, deshalb setzt sie sich im Morgengrau­en auf die Veranda. Als ihr jemand eine Hand auf den Mund presst, hat man die Gewissheit: Sie hätte wirklich früher wegziehen sollen.

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FOTO: © 2020 HOME Nicole Kidman spielt die Therapeuti­n Grace Fraser, deren Mann unter Mordverdac­ht gerät.

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