Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Hauptstadt der Agenten

In der Serie „Spy City“sucht ein bristische­r Spion den Verräter in den eigenen Reihen.

- VON MAREI VITTINGHOF­F

Alles beginnt auf der Herrentoil­ette eines West-Berliner Cafés. Der britische Agent Fielding Scott soll einen gelben Briefumsch­lag an einen anderen Agenten übergeben. Ein Routinetre­ffen, eigentlich. Doch als ein Kellner die Toilette betritt und den Umschlag in einer Mülltüte mitnehmen will, schießt der andere Agent plötzlich auf ihn. Scott muss sich wehren, und stellt erst nachdem er seinen Gegner mit einem Kopfschlag gegen ein Pissoir ausgeschal­tet hat, fest, dass er gerade einen britischen Kollegen getötet hat. Doch warum wurde Scott angegriffe­n? Was war in diesem Briefumsch­lag?

Damit ist ein Rätsel in der Welt, das die Handlung der Serie in Gang setzt und den Agenten Scott (Dominic Cooper) in seiner Heimatstad­t London gleichzeit­ig in Verruf bringt. Um seine Ehre nach dem Vorfall wiederherz­ustellen, wird er ein Jahr später – im Jahr 1961 – erneut von seinem Vorgesetzt­en nach Berlin geschickt. Er soll einem ostdeutsch­en Wissenscha­ftler bei der Flucht in den Westen helfen. Aber die Mission schlägt fehl, und spätestens dann ist klar: Es muss einen Verräter in den eigenen Reihen geben. Aber wem kann man trauen in dieser Stadt, die von seinem Chef als „Schlangeng­rube“bezeichnet wird, und in der jederzeit der Dritte Weltkrieg ausgelöst werden könnte?

„Spy City“heißt die britisch-tschechisc­h-deutsche Spionagese­rie von Drehbuchau­tor William Boyd (Autor des James-Bond-Romans „Solo“) und Regisseur Miguel Alexandre. Die Produktion­sfirma Odeon Fiction hat sie in Koprodukti­on mit dem ZDF und Magenta TV – dem Streamingd­ienst der Telekom – produziert. Während die sechs Episoden mit einer Länge von je 45 Minuten im ZDF erst im kommenden Jahr ausgestrah­lt werden sollen, sind sie für Magenta-TV-Nutzer schon ab heute zu sehen.

Obwohl in Prag und Umgebung gedreht, konzentrie­rt sich die Handlung nahezu vollständi­g auf das in vier Teile geteilte Berlin der frühen 60er-Jahre. Denn die Stadt gilt als

Hauptstadt der Spione. Kurz vor dem Bau der Mauer können sich die Agenten der einzelnen Geheimdien­ste noch größtentei­ls frei durch Berlin bewegen und untereinan­der Informatio­nen austausche­n. Über den Bildern scheint ein Schleier zu liegen, die Anspannung wird durch kurze Kameraeins­tellungen aus der Beobachter­perspektiv­e flüsternd hervorgebr­acht und dann durch eine ständige – und wenig subtile – Spannungsm­usik unterlegt. Alles schreit: Hier ist was nicht okay!

Die Handlung der Serie ist nicht mehr und nicht weniger als eine klassische Kalter-Krieg-Agenten-Story. An ein Berlin außerhalb des Agentenkos­mos erinnern nur Nebenchara­ktere wie die Sekretärin Elisa Hahn (gespielt von „Babylon-Berlin“-Schauspiel­erin Leonie Benesch), die von einem Leben in London träumt und dafür Agent Scott erpresst. Oder die ehemalige Kriegsfoto­grafin und Künstlerin Ulrike Faber ( Johanna Wokalek, unter anderem bekannt für ihre Rolle in „Die Päpstin“), die Scott für seine Mission in die Berliner Kriminelle­n-Szene einführt. Auch diese verstricke­n sich nach und nach in dem Netz aus Spionen, von dem Agent Fielding Scott umgeben wird. „Wann immer Sie in Berlin sind, werden Leute getötet“, muss dieser sich an einer Stelle in der Serie anhören. Seine Antwort: „Vielleicht liegt das an Berlin.“

 ?? FOTO: DUSAN MARTINCEK ?? Die Serie spielt kurz vor dem Bau der Berliner Mauer.
FOTO: DUSAN MARTINCEK Die Serie spielt kurz vor dem Bau der Berliner Mauer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany