Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Ein gefährlicher Corona-Halbschlaf
Eigentlich wollten sie keine neuen Corona-Beschlüsse fassen bei dieser Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin. Aber dann entschieden sie sich doch schon für die Verlängerung des Teil-Lockdowns bis zum 10. Januar. Denn die Zahl der Neuinfektionen sinkt einfach nicht richtig, und die der Toten steigt. Die Corona-Politik von Bund und Ländern hat dennoch weiterhin empfindliche Schwächen. Es gibt schon wieder keinen Gleichschritt, was wo erlaubt sein wird.
Dabei wären – zugegeben: bittere – Lehren aus dem Sommer zu ziehen. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow etwa hatte wegen der in seinem Bundesland guten Corona-Zahlen striktere Regeln abgelehnt. Nun wurde der Landkreis Hildburghausen mit einer Inzidenz von 630 zum Super-Hotspot. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte entspannt gesagt, die zweite Welle sei schon da. Jetzt bekommt er zu spüren, was eine zweite Welle in Wahrheit ist, und warnt sogar vor Ausgangssperren. Und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet bezeichnet seine jüngsten Lockerungsaussichten inzwischen als zu optimistisch.
Laschets bayerischer Kollege Markus Söder hat Zweifel angemeldet, ob der längere „Halbschlaf“eine gute Strategie sei. Nachbarländer griffen hart, aber kurz ein und lockern nun wieder. Auch die Kanzlerin pochte immer wieder auf größere Vorsicht, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Und je mehr Zeit verloren geht, desto schwerer wird es, noch einmal die Kraft für einen echten Lockdown aufzubringen. Die Kassen sind leer, die Wirtschaft leidet, viele Menschen sind mürbe. Die Ministerpräsidenten ahnen, dass ein kurzer, ruhiger Tiefschlaf nach der Explosion der Corona-Neuinfektionen im Oktober erholsamer gewesen wäre als dieser lange, nervöse Halbschlaf. Das böse Erwachen kann noch kommen.