Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Jean-Paul Sartre bei Andreas Baader
Der Philosoph hatte mehrfach angefragt. Einige Male war Jean-Paul Sartre das
Anliegen, den RAF-Terroristen
Andreas Baader im Gefängnis in Stammheim besuchen zu dürfen, verwehrt worden. Schließlich gab das Oberlandesgericht Stuttgart nach. Hans Filbinger, Ministerpräsident Baden-Württembergs, reagierte empört: „Ich möchte sagen, der Besuch von Sartre bei diesem Häftling ist eine Instinktlosigkeit gegenüber den Opfern dieser kriminellen Bande, die skrupellos zu Gewalt gegriffen hat und die ja immer noch skrupellos zu Gewalt greift.“Auch Bundesstaatsanwalt Siegfried Buback war gegen den Besuch. Man fürchtete, der Philosoph werde erneut die Aufmerksamkeit auf die Inhaftierten lenken. Tatsächlich gab Sartre im Anschluss an das einstündige Gespräch eine Pressekonferenz, in der er die Haftbedingungen in Stammheim deutlich kritisierte. In Wahrheit hatte er die Zelle Baaders wohl gar nicht gesehen. Mittlerweile vorliegende Protokolle zeigen jedoch, dass Sartre die RAF weniger unterstützte, als damals von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Er nutzte den Besuch bei aller Sympathie zu linken Ideen auch zu einer deutlichen Kritik an den „Aktionen“der Terroristen. Baader indes las hauptsächlich aus einem vorbereiteten Manuskript vor. Die Stimmung soll angespannt gewesen sein. Hatte Sartre, wie es Experten heute vermuten, Baader tatsächlich vom Morden abbringen wollen? Wenn ja, verwirklichte er dieses Ziel nicht. Der Terror im Namen der RAF ging weiter und gipfelte schließlich im Deutschen Herbst 1977 und der sogenannten Todesnacht von Stammheim, in der Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe Suizid begingen.