Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Datenschutz bremst digitalen Unterricht
Hohe Eigenbeteiligungen für Lehrer-Laptops und Bedenken gegen einen Messenger-Dienst des Landes NRW werfen neue Probleme auf.
DÜSSELDORF Datenschutzvorschriften und strenge Vertragsbedingungen für Lehrer-Laptops bringen die Digitalisierung an Schulen in Nordrhein-Westfalen ins Stocken. Nach Informationen unserer Redaktion sehen Leihverträge für Dienst-Laptops mancherorts eine so hohe finanzielle Eigenbeteiligung der Lehrer bei Reparatur und Verlust vor, dass sie in diesen Fällen auf die Geräte lieber verzichten wollen. Einem Vertrag aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf zufolge, der unserer Redaktion vorliegt, sollen Lehrer mehr als 200 Euro zahlen, wenn der Dienst-Laptop zu Schaden kommt oder verloren geht. Abgeschlossen werden die Leihverträge zwischen Schulträgern, meist Kommunen, und Lehrern.
„Das ist ein Unding“, sagte die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Maike Finnern, unserer Redaktion. Es könne nicht sein, dass die Beschäftigten für Reparaturzahlungen herangezogen würden. „Es handelt sich um Dienstgeräte, dann muss auch der Dienstherr dafür aufkommen“, forderte Finnern. Das Schulministerium verwies auf die Zuständigkeit der Schulträger. Das Ministerium habe aber eine „Musternutzungsvereinbarung“ausgearbeitet, die auch online abrufbar sei. Eine grundsätzliche Haftung und Selbstbeteiligung der Lehrkräfte werde ausdrücklich nicht befürwortet.
Die schleppende Digitalisierung der Schulen ist in Corona-Zeiten zum Problem geworden. Weil der Rückstand in einigen Kommunen inzwischen so groß ist, dass an einen Wechsel zu einem gleichwertigen digitalen Unterricht kaum zu denken ist, scheiden Wechselmodelle vielerorts aus. Um Lehrern datenschutzrechtlich sicheres Arbeiten am Computer zu ermöglichen, hatte die Landesregierung Ende Juli ein Sofortausstattungsprogramm für Lehrerlaptops auf den Weg gebracht.
Der Datenschutz steht der Digitalisierung auch an anderer Stelle entgegen. In vielen Schulen herrscht dem Vernehmen nach Unsicherheit, ob die Übertragung des Unterrichts per Livestream den Vorschriften entspricht. Auf diese Weise könnten gleichzeitig Schüler im Klassenraum und zu Hause in Quarantäne unterrichtet werden. Doch laut Schulgesetz braucht es für Audiound Bildaufzeichnungen des Unterrichts grundsätzlich die Einwilligung der Betroffenen. Von einer Zustimmung sei auszugehen, wenn sich Schüler von zu Hause aus einwählen. Jene aber, die im Klassenraum sitzen, müssten eigens einwilligen. Tun sie dies nicht, sei die Kamera so auszurichten, dass diese Kinder nicht zu sehen seien, stellte das Ministerium klar.
Kritisch sehen Datenschützer auch den Messenger-Dienst der landesweiten Lernplattform Logineo NRW. Im August eingeführt, verspricht er laut Landesregierung eine „einfache, schnelle und sichere digitale Kommunikation“zwischen Lehrern und Schülern. Über 1200 Schulen nutzen das kostenfreie Angebot bereits. Die Inhalte werden aber gespeichert vom Subunternehmen Amazon Web Services (AWS) – einer Tochterfirma des US-Internetriesen mit Sitz in Luxemburg. Demnach unterliegt der AWS dem Cloud Act: einem US-Gesetz, das es Behörden des Landes erlaubt, auf personenbezogene Daten im Internet zuzugreifen, also auch auf sensible Schülerdaten wie Noten.
Die Landesregierung hat dabei keine Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes: Dass Daten herausgegeben würden, setze voraus, dass gegen Nutzer des Messenger-Dienstes ein Ermittlungsverfahren einer amerikanischen Strafverfolgungsbehörde eröffnet worden sei.