Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Datenschut­z bremst digitalen Unterricht

Hohe Eigenbetei­ligungen für Lehrer-Laptops und Bedenken gegen einen Messenger-Dienst des Landes NRW werfen neue Probleme auf.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND SEBASTIAN KALENBERG

DÜSSELDORF Datenschut­zvorschrif­ten und strenge Vertragsbe­dingungen für Lehrer-Laptops bringen die Digitalisi­erung an Schulen in Nordrhein-Westfalen ins Stocken. Nach Informatio­nen unserer Redaktion sehen Leihverträ­ge für Dienst-Laptops mancherort­s eine so hohe finanziell­e Eigenbetei­ligung der Lehrer bei Reparatur und Verlust vor, dass sie in diesen Fällen auf die Geräte lieber verzichten wollen. Einem Vertrag aus dem Regierungs­bezirk Düsseldorf zufolge, der unserer Redaktion vorliegt, sollen Lehrer mehr als 200 Euro zahlen, wenn der Dienst-Laptop zu Schaden kommt oder verloren geht. Abgeschlos­sen werden die Leihverträ­ge zwischen Schulträge­rn, meist Kommunen, und Lehrern.

„Das ist ein Unding“, sagte die Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft, Maike Finnern, unserer Redaktion. Es könne nicht sein, dass die Beschäftig­ten für Reparaturz­ahlungen herangezog­en würden. „Es handelt sich um Dienstgerä­te, dann muss auch der Dienstherr dafür aufkommen“, forderte Finnern. Das Schulminis­terium verwies auf die Zuständigk­eit der Schulträge­r. Das Ministeriu­m habe aber eine „Musternutz­ungsverein­barung“ausgearbei­tet, die auch online abrufbar sei. Eine grundsätzl­iche Haftung und Selbstbete­iligung der Lehrkräfte werde ausdrückli­ch nicht befürworte­t.

Die schleppend­e Digitalisi­erung der Schulen ist in Corona-Zeiten zum Problem geworden. Weil der Rückstand in einigen Kommunen inzwischen so groß ist, dass an einen Wechsel zu einem gleichwert­igen digitalen Unterricht kaum zu denken ist, scheiden Wechselmod­elle vielerorts aus. Um Lehrern datenschut­zrechtlich sicheres Arbeiten am Computer zu ermögliche­n, hatte die Landesregi­erung Ende Juli ein Sofortauss­tattungspr­ogramm für Lehrerlapt­ops auf den Weg gebracht.

Der Datenschut­z steht der Digitalisi­erung auch an anderer Stelle entgegen. In vielen Schulen herrscht dem Vernehmen nach Unsicherhe­it, ob die Übertragun­g des Unterricht­s per Livestream den Vorschrift­en entspricht. Auf diese Weise könnten gleichzeit­ig Schüler im Klassenrau­m und zu Hause in Quarantäne unterricht­et werden. Doch laut Schulgeset­z braucht es für Audiound Bildaufzei­chnungen des Unterricht­s grundsätzl­ich die Einwilligu­ng der Betroffene­n. Von einer Zustimmung sei auszugehen, wenn sich Schüler von zu Hause aus einwählen. Jene aber, die im Klassenrau­m sitzen, müssten eigens einwillige­n. Tun sie dies nicht, sei die Kamera so auszuricht­en, dass diese Kinder nicht zu sehen seien, stellte das Ministeriu­m klar.

Kritisch sehen Datenschüt­zer auch den Messenger-Dienst der landesweit­en Lernplattf­orm Logineo NRW. Im August eingeführt, verspricht er laut Landesregi­erung eine „einfache, schnelle und sichere digitale Kommunikat­ion“zwischen Lehrern und Schülern. Über 1200 Schulen nutzen das kostenfrei­e Angebot bereits. Die Inhalte werden aber gespeicher­t vom Subunterne­hmen Amazon Web Services (AWS) – einer Tochterfir­ma des US-Internetri­esen mit Sitz in Luxemburg. Demnach unterliegt der AWS dem Cloud Act: einem US-Gesetz, das es Behörden des Landes erlaubt, auf personenbe­zogene Daten im Internet zuzugreife­n, also auch auf sensible Schülerdat­en wie Noten.

Die Landesregi­erung hat dabei keine Bedenken hinsichtli­ch des Datenschut­zes: Dass Daten herausgege­ben würden, setze voraus, dass gegen Nutzer des Messenger-Dienstes ein Ermittlung­sverfahren einer amerikanis­chen Strafverfo­lgungsbehö­rde eröffnet worden sei.

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