Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Die Willkür beim Corona-Bonus
Die Kriterien, nach denen eine Prämie für besonders belastete Arbeitnehmer gezahlt wird, sind nicht sehr transparent. Beispiele aus der Region zeigen: Es kommt nicht darauf an, was man tut, sondern wo man es tut.
Die Corona-Krise bringt für viele Menschen große Belastungen und Einschnitte mit sich: für Pflegekräfte, das medizinische Personal, Kassiererinnen, Mitarbeiter des Ordnungsamts. Klar, dass diese Berufsgruppen in der Corona-Pandemie eine Extrazahlung verdienen. Doch so einfach ist die Sache nicht. Es gibt weder eindeutige Kriterien noch differenzierte Anforderungen, die über den Corona-Bonus entscheiden. Oft ist es so, dass die einen die Prämie erhalten, die anderen nicht. Die Gründe bleiben im Dunkeln.
Im Frühjahr war das Feld noch übersichtlich. Da gab es – nach vielen Diskussionen – einen steuerfreien Bonus von bis zu 1500 Euro für Pflegekräfte. Allerdings auch damals längst nicht für alle: Insbesondere die Krankenhäuser mussten eine Mindestzahl an Covid-Patienten aufweisen, um ihre besondere Belastung nachzuweisen. Im Rhein-Kreis Neuss etwa erfüllte kein Krankenhaus die Voraussetzungen.
Trotzdem lagen für die Prämie mit der Mindestzahl wenigstens eindeutige Voraussetzungen vor. Man muss angesichts der knappen Zeit den Gesundheitspolitikern im Bund zugutehalten, dass sie eine solche Grenze festlegen mussten. Denn der Topf war mit 100 Millionen Euro nicht gerade üppig ausgestattet. Und die Finanzierung wäre fast am Streit zwischen Bundesregierung, Ländern und Krankenkassen gescheitert.
Inzwischen hatten die Arbeitgeber – öffentliche wie private – ausreichend Zeit, um ausgefeiltere Bedingungen festzulegen. Das ist nicht gelungen. In der privaten Wirtschaft muss es den einzelnen Unternehmen überlassen bleiben, ob sie einen Bonus zahlen. Der Gesetzgeber schuf einen zusätzlichen Anreiz, indem er Bonuszahlungen bis 1500 Euro steuerfrei stellte. Da bedankten sich auch viele Handels- und Handwerksbetriebe bei ihren Beschäftigten mit einer Einmalzahlung.
Seit nun die Zahl der Infektionen wieder kräftig steigt und neue Einschränkungen und Zusatzleistungen erfordert, hat die Debatte um die Corona-Zuschläge an Fahrt aufgenommen. Den ersten großen Schritt machten die Tarifpartner des Bundes und der Kommunen Ende Oktober. Dort gibt es zwar Hunderte verschiedene Berufe, vom Müllwerker über die Erzieherin bis zur Architektin im Stadtplanungsamt. Sie alle aber bekommen einen Bonus zwischen 200 und 600 Euro, weil der öffentliche Dienst auch in der Krise funktioniert. Die Beschäftigten der kommunalen Krankenhäuser dürfen sich also freuen. So zahlt das Rheinland-Klinikum in Neuss den Bonus aus. „Selbstverständlich gern“, wie eine Sprecherin erklärt. „Diese Verpflichtung erreicht die, die es wirklich verdient haben.“Auch die privaten Sana-Kliniken halten sich an den öffentlichen Tarifvertrag. In Remscheid erhalten die Pflegekräfte den Bonus, nachdem sie schon im Frühjahr bedacht wurden. In den Düsseldorfer Häusern wurden schon im Sommer 148.000 Euro ausgezahlt. Zusätzlich erhalten die Mitarbeiter nun über den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes eine weitere Prämie von bis zu 600 Euro – „unabhängig davon, ob individuell eine besondere Belastung durch infizierte Patienten bestanden hat”, so eine Sprecherin.
Auch die Uniklinik der Landeshauptstadt will mit dem Dezember-Gehalt Prämien an rund 850 Beschäftigte auszahlen, im Fördertopf stehen dafür gut 465.200 Euro bereit. Anders das Evangelische Krankenhaus Düsseldorf: Es ging bislang leer aus. „Die Belastungsgrenzwerte für Auszahlungen sind für uns so wie für viele Krankenhäuser nicht nachvollziehbar”, sagt Klaus Peter Taschner vom Vorstand des Innenstadt-Krankenhauses. Zudem seien die Belastungen aktuell „in dieser zweiten Corona-Welle deutlich höher als im Frühjahr, wir arbeiten zurzeit an der absoluten Belastungsgrenze”, so Taschner. Für katholische Häuser berät derzeit die arbeitsrechtliche Bundeskommission der Caritas über eine Prämie wie beim Tarifvertrag von Bund und Kommunen. Es kommt eben nicht darauf an, was man tut, sondern wo man es tut.
Der Bund hat auch für seine Beamten und Soldaten die Prämie des Tarifvertrags übernommen. Dagegen gehen die Bediensteten des Landes NRW leer aus. Kein Polizeibeamter, keine Krankenschwester in einer Landesklinik, kein Lehrer, keine Hochschulangestellte erhält einen Bonus. Ist die Arbeit im Bund und den Kommunen wirklich so viel härter als auf Landesebene?
Mehr Glück haben die Beschäftigten des Studierendenwerks, die Wohnräume bereitstellen und Mensa-Essen ausgeben. Sie erhalten – obwohl auf Landesebene tätig – eine Corona-Sonderzahlung. Es geht um die gleichen Summen wie beim Tarifvertrag von Bund und Kommunen. Die besondere Belastung der Angestellten liege darin, dass nirgendwo sonst „ein so hoher Anteil der Bediensteten seit Monaten in Kurzarbeit ist“, heißt es in einem Schreiben der beiden Vorstände der Tarifgemeinschaft Studierendenwerke NRW, Carsten Walther und Jörg Lüken.
Dabei stocken die Mensabetreiber das Kurzarbeitergeld anders als im öffentlichen Dienst nicht auf 95, sondern auf 100 Prozent auf, obwohl kein Studierender sich ein vergünstigtes Essen vor Ort abholen kann. Da muss er schon zu privaten Restaurants oder Imbissbuden gehen. Das Schreiben schließt mit den Worten: „Deshalb war es der Tarifgemeinschaft wichtig, die Regelung des öffentlichen Dienstes an die Gegebenheiten der Studierendenwerke anzupassen, auch um verantwortungsvoll mit den uns zur Verfügung gestellten Mitteln aus Sozialbeiträgen der Studierenden und Landesmitteln umzugehen.“
So ist es vom Zufall, vom Verhandlungsgeschick und von der Größe des Unternehmens abhängig, ob ein Beschäftigter für Anstrengungen in der Corona-Pandemie belohnt wird. Selbst in Krankenhäusern und Pflegeheimen erhalten manche den Bonus, andere nicht, obwohl sie sich vermutlich gleich intensiv um die gefährdeten Alten und Pflegefälle kümmern. Der oberste Gesetzgeber, der Bundestag, hat eine Prämie für die 4500 Beschäftigten der 709 Bundestagsabgeordneten beschlossen – als Ausgleich für die Corona-Härten. Das aufgeblähte Parlament wird in solchen Zeiten noch einmal teurer.
Da passt es, dass der nordrhein-westfälische Landtag leer ausgeht. Denn für dessen Beschäftigte findet sich derzeit wie auf Landesebene insgesamt keine wirkmächtige Lobbygruppe.
„Die Grenzwerte sind für uns nicht nachvollziehbar“Klaus Peter Taschner Evangelisches Krankenhaus Düsseldorf