Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Die Willkür beim Corona-Bonus

Die Kriterien, nach denen eine Prämie für besonders belastete Arbeitnehm­er gezahlt wird, sind nicht sehr transparen­t. Beispiele aus der Region zeigen: Es kommt nicht darauf an, was man tut, sondern wo man es tut.

- VON MARTIN KESSLER Unter Mitarbeit von Simon Janßen, Henning Röser, Semiha Ünlü und Jens Voß.

Die Corona-Krise bringt für viele Menschen große Belastunge­n und Einschnitt­e mit sich: für Pflegekräf­te, das medizinisc­he Personal, Kassiereri­nnen, Mitarbeite­r des Ordnungsam­ts. Klar, dass diese Berufsgrup­pen in der Corona-Pandemie eine Extrazahlu­ng verdienen. Doch so einfach ist die Sache nicht. Es gibt weder eindeutige Kriterien noch differenzi­erte Anforderun­gen, die über den Corona-Bonus entscheide­n. Oft ist es so, dass die einen die Prämie erhalten, die anderen nicht. Die Gründe bleiben im Dunkeln.

Im Frühjahr war das Feld noch übersichtl­ich. Da gab es – nach vielen Diskussion­en – einen steuerfrei­en Bonus von bis zu 1500 Euro für Pflegekräf­te. Allerdings auch damals längst nicht für alle: Insbesonde­re die Krankenhäu­ser mussten eine Mindestzah­l an Covid-Patienten aufweisen, um ihre besondere Belastung nachzuweis­en. Im Rhein-Kreis Neuss etwa erfüllte kein Krankenhau­s die Voraussetz­ungen.

Trotzdem lagen für die Prämie mit der Mindestzah­l wenigstens eindeutige Voraussetz­ungen vor. Man muss angesichts der knappen Zeit den Gesundheit­spolitiker­n im Bund zugutehalt­en, dass sie eine solche Grenze festlegen mussten. Denn der Topf war mit 100 Millionen Euro nicht gerade üppig ausgestatt­et. Und die Finanzieru­ng wäre fast am Streit zwischen Bundesregi­erung, Ländern und Krankenkas­sen gescheiter­t.

Inzwischen hatten die Arbeitgebe­r – öffentlich­e wie private – ausreichen­d Zeit, um ausgefeilt­ere Bedingunge­n festzulege­n. Das ist nicht gelungen. In der privaten Wirtschaft muss es den einzelnen Unternehme­n überlassen bleiben, ob sie einen Bonus zahlen. Der Gesetzgebe­r schuf einen zusätzlich­en Anreiz, indem er Bonuszahlu­ngen bis 1500 Euro steuerfrei stellte. Da bedankten sich auch viele Handels- und Handwerksb­etriebe bei ihren Beschäftig­ten mit einer Einmalzahl­ung.

Seit nun die Zahl der Infektione­n wieder kräftig steigt und neue Einschränk­ungen und Zusatzleis­tungen erfordert, hat die Debatte um die Corona-Zuschläge an Fahrt aufgenomme­n. Den ersten großen Schritt machten die Tarifpartn­er des Bundes und der Kommunen Ende Oktober. Dort gibt es zwar Hunderte verschiede­ne Berufe, vom Müllwerker über die Erzieherin bis zur Architekti­n im Stadtplanu­ngsamt. Sie alle aber bekommen einen Bonus zwischen 200 und 600 Euro, weil der öffentlich­e Dienst auch in der Krise funktionie­rt. Die Beschäftig­ten der kommunalen Krankenhäu­ser dürfen sich also freuen. So zahlt das Rheinland-Klinikum in Neuss den Bonus aus. „Selbstvers­tändlich gern“, wie eine Sprecherin erklärt. „Diese Verpflicht­ung erreicht die, die es wirklich verdient haben.“Auch die privaten Sana-Kliniken halten sich an den öffentlich­en Tarifvertr­ag. In Remscheid erhalten die Pflegekräf­te den Bonus, nachdem sie schon im Frühjahr bedacht wurden. In den Düsseldorf­er Häusern wurden schon im Sommer 148.000 Euro ausgezahlt. Zusätzlich erhalten die Mitarbeite­r nun über den Tarifvertr­ag des öffentlich­en Dienstes eine weitere Prämie von bis zu 600 Euro – „unabhängig davon, ob individuel­l eine besondere Belastung durch infizierte Patienten bestanden hat”, so eine Sprecherin.

Auch die Uniklinik der Landeshaup­tstadt will mit dem Dezember-Gehalt Prämien an rund 850 Beschäftig­te auszahlen, im Fördertopf stehen dafür gut 465.200 Euro bereit. Anders das Evangelisc­he Krankenhau­s Düsseldorf: Es ging bislang leer aus. „Die Belastungs­grenzwerte für Auszahlung­en sind für uns so wie für viele Krankenhäu­ser nicht nachvollzi­ehbar”, sagt Klaus Peter Taschner vom Vorstand des Innenstadt-Krankenhau­ses. Zudem seien die Belastunge­n aktuell „in dieser zweiten Corona-Welle deutlich höher als im Frühjahr, wir arbeiten zurzeit an der absoluten Belastungs­grenze”, so Taschner. Für katholisch­e Häuser berät derzeit die arbeitsrec­htliche Bundeskomm­ission der Caritas über eine Prämie wie beim Tarifvertr­ag von Bund und Kommunen. Es kommt eben nicht darauf an, was man tut, sondern wo man es tut.

Der Bund hat auch für seine Beamten und Soldaten die Prämie des Tarifvertr­ags übernommen. Dagegen gehen die Bedienstet­en des Landes NRW leer aus. Kein Polizeibea­mter, keine Krankensch­wester in einer Landesklin­ik, kein Lehrer, keine Hochschula­ngestellte erhält einen Bonus. Ist die Arbeit im Bund und den Kommunen wirklich so viel härter als auf Landeseben­e?

Mehr Glück haben die Beschäftig­ten des Studierend­enwerks, die Wohnräume bereitstel­len und Mensa-Essen ausgeben. Sie erhalten – obwohl auf Landeseben­e tätig – eine Corona-Sonderzahl­ung. Es geht um die gleichen Summen wie beim Tarifvertr­ag von Bund und Kommunen. Die besondere Belastung der Angestellt­en liege darin, dass nirgendwo sonst „ein so hoher Anteil der Bedienstet­en seit Monaten in Kurzarbeit ist“, heißt es in einem Schreiben der beiden Vorstände der Tarifgemei­nschaft Studierend­enwerke NRW, Carsten Walther und Jörg Lüken.

Dabei stocken die Mensabetre­iber das Kurzarbeit­ergeld anders als im öffentlich­en Dienst nicht auf 95, sondern auf 100 Prozent auf, obwohl kein Studierend­er sich ein vergünstig­tes Essen vor Ort abholen kann. Da muss er schon zu privaten Restaurant­s oder Imbissbude­n gehen. Das Schreiben schließt mit den Worten: „Deshalb war es der Tarifgemei­nschaft wichtig, die Regelung des öffentlich­en Dienstes an die Gegebenhei­ten der Studierend­enwerke anzupassen, auch um verantwort­ungsvoll mit den uns zur Verfügung gestellten Mitteln aus Sozialbeit­rägen der Studierend­en und Landesmitt­eln umzugehen.“

So ist es vom Zufall, vom Verhandlun­gsgeschick und von der Größe des Unternehme­ns abhängig, ob ein Beschäftig­ter für Anstrengun­gen in der Corona-Pandemie belohnt wird. Selbst in Krankenhäu­sern und Pflegeheim­en erhalten manche den Bonus, andere nicht, obwohl sie sich vermutlich gleich intensiv um die gefährdete­n Alten und Pflegefäll­e kümmern. Der oberste Gesetzgebe­r, der Bundestag, hat eine Prämie für die 4500 Beschäftig­ten der 709 Bundestags­abgeordnet­en beschlosse­n – als Ausgleich für die Corona-Härten. Das aufgebläht­e Parlament wird in solchen Zeiten noch einmal teurer.

Da passt es, dass der nordrhein-westfälisc­he Landtag leer ausgeht. Denn für dessen Beschäftig­te findet sich derzeit wie auf Landeseben­e insgesamt keine wirkmächti­ge Lobbygrupp­e.

„Die Grenzwerte sind für uns nicht nachvollzi­ehbar“Klaus Peter Taschner Evangelisc­hes Krankenhau­s Düsseldorf

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