Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Der Corona-Impfstoff wird instrument­alisiert

- VON ANTJE HÖNING

Noch nie ist ein Produkt der pharmazeut­ischen Industrie gesellscha­ftlich und politisch so aufgeladen worden wie der Impfstoff gegen das Coronaviru­s. Er ist der Hoffnungst­räger in einem dunklen Winter, in dem die Infektions­zahlen nicht sinken wollen und immer neue Verschärfu­ngen des Lockdowns drohen. Zugleich wird der Impfstoff von allen Seiten instrument­alisiert: Schon Donald Trump hatte das versucht, als er Druck auf die US-Zulassungs­behörden ausübte. Den Durchbruch von Biontech oder Moderna hätte er allzu gerne im Wahlkampf als Ergebnis seiner Politik verkauft. Nun zieht die britische Regierung, die wegen des verkorkste­n Brexit unter Druck steht, nach und behauptet: Man habe als Erster den Biontech-Impfstoff zulassen können, weil man nicht das niedrige Tempo der EU habe gehen müssen.

Gut gebrüllt. Die wahren Gründe sind andere: Großbritan­nien hat sich für eine befristete Notfallzul­assung entschiede­n, die EU für eine gründliche­re Prüfung. Mit Blick auf die Impfskepsi­s ist das der deutlich bessere Weg. Dass sich in Deutschlan­d mal gerade 53 Prozent impfen lassen wollen, ist keine gute Aussicht. Es müssen mehr werden, um die Pandemie zu stoppen. Die Chancen, mehr Bürger zu gewinnen, steigen deutlich, wenn die Politik die Risiken minimiert und die Vakzine nur gut getestet auf den Markt lässt.

Recht hat Gesundheit­sminister Jens Spahn auch mit dem Hinweis auf das gemeinsame Vorgehen der EU. Nicht auszudenke­n, wenn Deutschlan­d ausgerechn­et während der Ratspräsid­entschaft seine wirtschaft­liche Potenz missbrauch­t hätte, um den Markt leerzukauf­en. Spätestens wenn die britischen Kliniken voll sind und die EU britische Patienten aufnimmt, werden sich die Briten vielleicht daran erinnern, welch hohes Gut europäisch­e Solidaritä­t ist.

BERICHT WARUM DIE BRITEN SCHNELLER IMPFEN, WIRTSCHAFT

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