Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Der gute alte Nikolaus
Hausbesuche fallen aus. Doch der Heilige verkörpert unsere tiefe Sehnsucht.
Für die Katholiken ist klar: Luther ist schuld. Die Protestanten sehen das natürlich anders. Allerdings hat der Reformator, das zumindest ist historisch belegt, dem rheinischen Nikolausbrauch schweren Schaden zugefügt. Denn Luther verordnete das Christkind. Keine Geschenke mehr vom Nikolaus, der dem Theologen wie alle Heiligen suspekt war. Erst später machte der Weihnachtsmann Sankt Nikolaus zusätzlich Konkurrenz. Trotz allem blieb – zumindest am katholischen Niederrhein – der Wohltäter im Bischofsgewand noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wichtiger Geschenkebringer und dem Rheinländer deutlich näher als der Mann mit der roten Zipfelmütze.
Die Erkenntnis des Grevenbroicher Brauchtumsforschers Manfred Becker-Huberti, Nikolaus verkörpere die Sehnsucht nach himmlischen Zuständen, wird derzeit eindrucksvoll belegt durch Kinderbriefe ans Christkind, eingegangen im Postamt in Engelskirchen. Kinder wünschen sich, dass Nikolaus gesund bleibt und das Virus verschwindet. Damit verbunden ist wohl die Hoffnung, dass zum Nikolaustag was Leckeres im Stiefel steckt. Ein kranker Nikolaus kann nichts bringen. Der „Teller Lecker“ist auch für manchen Erwachsenen noch die ersehnte „Überraschung“am 6. Dezember.
Wichtig in Zeiten der Pandemie: Nikolaus hält Abstand und ermöglicht Social Distancing. Hausbesuche vom Nikolaus fallen also diesmal weitestgehend aus. Ihr Charakter hat sich schon lange verändert: Die Ermahnung mitsamt Rutendrohung ist einem Auftritt mit Güte und Wärme gewichen. Und manchmal ist es so, wie ich es selbst als junger Mann in Begleitung von Sankt Nikolaus erlebt habe, dass eher der Seelsorger gebraucht wird. Da bat die schwerkranke Frau, die klein und schwach in ihrem Bett lag: „Lieber Nikolaus, hol mich doch zu dir.“Der gute alte Nikolaus – er steht noch immer für Hoffnung und Geborgenheit.