Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Die Plattform für das Lernen zu Hause
Vor einem Jahr startete die Digitalplattform Logineo NRW. Für Unterricht auf Distanz bietet sie viele Vorteile. Datenschützer aber haben Vorbehalte.
DÜSSELDORF „Für uns war es ein Segen, dass wir Logineo LMS vor drei Wochen eingerichtet haben“, sagt Stefan Weiffenbach, Leiter einer Grundschule in Essen. Die etwas kryptische Abkürzung LMS steht hier für das „Lernmanagementsystem“und ist das digitale Klassenzimmer der Schulplattform Logineo. „Wir haben seit einigen Tagen eine Teilklasse in Quarantäne. Über diese Plattform können die Schüler weiterhin auf ihre Materialien zurückgreifen, Aufgaben erledigen und im Kontakt mit den Lehrkräften bleiben“, lobt Weiffenbach.
Die Schüler der Essener Grundschule werden momentan noch ausführlich auf die Arbeit mit Logineo vorbereitet: Wie logge ich mich ein? Wo finde ich meine Kurse? Wie erledige ich Aufgaben? „Die Schüler in Quarantäne werden jetzt ein wenig ins kalte Wasser geworfen und müssen sofort mit Logineo arbeiten“, sagt Weiffenbach. Auf lange Sicht soll die Arbeit mit der digitalen Lernplattform in den alltäglichen Unterricht eingebaut werden, damit die Schüler bereits ab Klasse eins den Umgang mit den neuen Medien lernen. Kurzfristig sichert Logineo für die Schüler in Quarantäne eine möglichst einfache Form des Distanzlernens.
Schon 2015 brachte die damals noch rot-grüne Landesregierung das Projekt Logineo auf den Weg. Technische Mängel verzögerten den Start allerdings bis in den November 2019. Vor einem Jahr ging das Hauptsystem Logineo NRW in Betrieb – eine Art Verwaltungsprogramm für die Schulen, das alle Lehrer mit einer dienstlichen E-Mail-Adresse ausstattet und einen Cloud-Datenspeicher zur Verfügung stellt. Im Laufe des Jahres kamen zwei weitere Anwendungen hinzu: das Lernmanagementsystem im Juni und ein Messenger im August. Alle drei Logineo-Programme können zusammen oder getrennt voneinander kostenfrei von Schulen genutzt werden – finanziert vom Land. Am größten ist die Nachfrage nach Logineo LMS – dem „virtuellen Klassenzimmer“. Kein Wunder: Wie das Beispiel der Essener Grundschule zeigt, kann durch die digitale Lernplattform das Lernen auf Distanz erleichtert werden. Schüler können über ein Dashboard auf ihre Kurse zugreifen, dort individuelle Aufgaben erledigen, Lernmaterialien wie Texte, Bilder, Videos und Links einsehen und mit ihren Lehrkräften kommunizieren.
Von diesen nützlichen Möglichkeiten – gerade in Zeiten einer Pandemie – berichtet auch Friedhart Belthle. Er ist der IT-Koordinator des Mataré-Gymnasiums in Meerbusch. Die Schule nutzt seit mehr als fünf Jahren Logineo Orange über das Kommunale Rechenzentrum Niederrhein (KRZN) – ein von Logineo NRW abgegrenztes Angebot mit denselben Funktionen. „Die Plattform ist enorm vielseitig – jeder Lehrer kann sich die Kurse nach seinen individuellen Vorstellungen einrichten“, erklärt Belthle: „Seit Beginn von Corona haben wir einen Kollegen, der zur Risikogruppe gehört, in Quarantäne. Über Logineo kann er sein Unterrichtsgeschehen fortführen.“
Bei all den Vorteilen, die der Einsatz von Logineo in der aktuellen Zeit bietet, regen sich aber auch kritische Stimmen. So bemängelt der Philologen-Verband NRW, dass es weiterhin an einer verlässlichen Infrastruktur und einer flächendeckenden Versorgung mit Breitbandinternet mangele. Zudem schreite die Ausstattung der Lehrer mit dienstlichen Endgeräten, auf denen Logineo laufen soll, nur langsam voran. „Wir haben den Eindruck, dass eine Reihe von Schulen deshalb noch zögerlich ist und an bereits vorhandenen und bewährten Systemen festhält“, erklärt der Verband. Diese Aspekte stünden aktuell einer breiteren Akzeptanz an den Schulen in NRW im Wege.
Datenschützer kritisieren vor allem die Umsetzung des Messenger-Dienstes. Mit diesem soll Schülern und Lehrern eine „einfache, schnelle und sichere digitale Kommunikation ermöglicht werden“, heißt es aus dem Schulministerium. Doch gerade beim Aspekt der Sicherheit haben Datenschützer Bedenken angemeldet. Die Inhalte werden auf Servern eines luxemburgischen Subunternehmens namens Amazon Web Services (AWS) gespeichert – einer Tochterfirma des amerikanischen Internetriesen Amazon. Demnach unterliegt AWS dem amerikanischen Cloud Act – einem Gesetz, das es Ermittlungsbehörden in den USA erlaubt, auf personenbezogene Daten im Internet zuzugreifen. „Mir erschließt sich nicht, wieso auf solch ein Subunternehmen zurückgegriffen wird“, kritisiert Sigrid Beer, schulpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag.
Die Abgeordnete stellte dazu zwei kleine Anfragen an die Regierung. Die widersprach den datenschutzrechtlichen Bedenken. „Das Risiko einer Herausgabe von Daten nach dem Cloud Act würde überhaupt nur dann bestehen, wenn gegen Nutzende des Messengers ein Ermittlungsverfahren einer amerikanischen Strafverfolgungsbehörde eröffnet worden ist.“Der Messenger arbeite mit einer speziellen Verschlüsselung, und AWS komme auch bei der Deutschen Bahn und Europol zum Einsatz.
Diese Antwort stellt Sigrid Beer nicht zufrieden: „Was strafrechtliche Tatbestände sind, entscheiden die amerikanischen Behörden. Das kann schon die Verunglimpfung des Präsidenten sein. Wenn das alles so unbedenklich wäre, dann könnte man auch mit Whatsapp arbeiten.“Auch der Philologen-Verband nimmt das Schulministerium in die Pflicht: „Die datenschutzrechtlichen Bedenken verunsichern. Wer die Digitalisierung vorantreiben will, muss verlässliche rechtliche und technische Voraussetzungen schaffen.“