Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Schutzponc­hos statt Plastiktüt­en

Die Opposition präsentier­t Firmen, die mit Angeboten für Corona-Kittel nicht zum Zuge kamen. NRW verweist auf die Rechtslage.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, MAXIMILIAN PLÜCK UND FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Die SPD-Landtagsfr­aktion legt im Fall Van Laack nach. Auslöser ist der von Johannes Laschet, Sohn des NRW-Ministerpr­äsidenten Armin Laschet (CDU), eingefädel­te Deal für Schutzausr­üstung mit dem Hemden-Hersteller aus Mönchengla­dbach im Wert von 38,5 Millionen Euro netto. Die Sozialdemo­kraten werfen der Regierung vor, andere Unternehme­n mit vergleichb­aren Angeboten seien ignoriert worden.

Ein von der SPD als Beispiel genanntes Unternehme­n vom Niederrhei­n hatte nach eigenen Angaben Anfang April angeboten, ab Mai bis zu 80.000 Masken pro Monat zu liefern. Für die ein- und zweilagige­n Masken rief es nach eigenen Angaben Preise ab 1,79 Euro pro Stück auf. Die Van-Laack-Masken sind dreilagig, bei einer Lieferung an die Polizei kostete selbst ein Modell mit Nasenbügel deutlich weniger als 1,79 Euro. Wohl auch deshalb sagt der Chef des Unternehme­ns, dass man außer einer automatisi­erten Antwort der Beschaffun­gsstelle keine Antwort bekommen habe. Er möchte, dass sein Name und der der Firma anonym bleiben. „Wir hätten den Auftrag gerne gehabt, allein eine Bestellung hätte unser Minus dieses Jahr gemindert“, sagt er.

Eine weitere Firma, die sich bei der SPD gemeldet hat, ist Nowak Folienvera­rbeitung aus Dortmund. Normalerwe­ise ist sie auf die Herstellun­g von Plastiktüt­en spezialisi­ert. Um zu helfen, entwickelt­e Geschäftsf­ührer Conrad Zimnoch einen einfachen Schutzponc­ho. „Der ist im Grunde ein großer Plastiksac­k, in den wir Löcher für Arme und Beine stanzen. Die Nutzer können dann mit Klebestrei­fen noch Ärmel befestigen.“Einige Kliniken setzten ihn Zimnoch zufolge im Frühjahr ein, als es auf dem Markt keine Schutzklei­dung mehr gab. Zimnoch räumt aber ein: „Für Schutzkitt­el gibt es Standards, die unser Produkt nicht erfüllt.“Die Kittel von Van Laack haben eine offizielle Zertifizie­rung vom Institut für Arbeitssch­utz in Bonn erhalten. Das NRW-Gesundheit­sministeri­um erklärte, die Prüfung der mitgesende­ten Produktang­aben habe zu dem Ergebnis geführt, dass der Schutzponc­ho nicht geeignet gewesen sei, „um den qualitativ­en Ansprüchen zur Verwendung im medizinisc­h-pflegerisc­hen Bereich zu genügen“.

Die SPD-Opposition im Düsseldorf­er Landtag erhob am Freitag neue Vorwürfe gegen die Landesregi­erung im Zusammenha­ng mit der Auftragsve­rgabe an Van Laack. „Weitere Unternehme­n aus NRW haben erklärt, sie hätten der Landesregi­erung ebenfalls Schutzausr­üstung angeboten, darauf aber keine Antwort erhalten”, heißt es in einer weiteren Kleinen Anfrage, die unserer Redaktion vorliegt. Der Ministerpr­äsident habe hingegen am 1. Dezember 2020 in einem Pressestat­ement erklärt: „Wir waren damals auf der Suche nach seriösen Anbietern, wir haben jeden gefragt, den wir kennen. Wir haben uns die Hände wundtelefo­niert. Gefragt, gedrängt, gebettelt.“Vor diesem Hintergrun­d sei zu klären, ob die Landesregi­erung Firmen bei der Auftragsve­rgabe für Corona-Schutzklei­dung unterschie­dlich behandelt und dadurch Unternehme­n benachteil­igt habe, heißt es in der Anfrage des SPD-Haushaltse­xperten Stefan Zimkeit.

Die Landesregi­erung müsse daher beantworte­n, mit wie vielen und konkret mit welchen potenziell­en Hersteller­n von Schutzausr­üstungen der Ministerpr­äsident im März und April 2020 persönlich telefonier­t habe und welche dieser Firmen Aufträge des Landes erhalten hätten. Offen sei auch, warum die Firma Van Laack persönlich telefonisc­h kontaktier­t worden sei und nicht – wie offenbar die Firma B.M.-Company nach ihrem schriftlic­hen Angebot – auf das Angebotspo­rtal des Landes verwiesen worden sei.

Eine Sprecherin von NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte, man habe im Laufe der Corona-Pandemie mehr als 7000 Angebote über persönlich­e Schutzausr­üstung bekommen und ausgewerte­t. „Die Herausford­erung bestand somit darin, aus der Vielzahl von Angeboten seriöse, qualitativ hochwertig­e und wirtschaft­lich sinnvolle Angebote auszuwähle­n.“Im Falle Van Laack sei die Qualität der angebotene­n Schutzkitt­el durch ein Gutachten eines Prüfinstit­uts bestätigt worden. Laut einer Aufstellun­g des Ministeriu­ms gab es 40 Aufträge an unterschie­dliche Firmen mit einem Gesamtwert von 475 Millionen Euro brutto. Der Van-Laack-Deal war der zweitgrößt­e.

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FOTO: WALTRAUD GRUBITZSCH/DPA Ärzte tragen auf einer Covid-19-Station Schutzausr­üstung.

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