Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Warum die Briten schneller impfen können

In der EU steht noch die behördlich­e Zulassung aus. Der Hersteller Pfizer/Biontech hat zudem Lieferprob­leme. Auch bei Astrazenec­a läuft es nicht rund.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Beim Wettlauf um den Corona-Impfstoff prescht Großbritan­nien vor: Der National Health Service will kommenden Dienstag mit dem Impfen beginnen. Premiermin­ister Boris Johnson sprach von der größten Massenimpf­ung in der Geschichte des Landes. Großbritan­nien hatte als erster europäisch­er Staat eine Notfallzul­assung für das Vakzin des Mainzer Unternehme­ns Biontech und seines US-Partners Pfizer erteilt. Am Freitag gab es allerdings einen Dämpfer, weil Pfizer das Auslieferu­ngsziel für 2020 halbierte: „Wir gehen davon aus, dass wir weltweit bis zu 50 Millionen Impfstoffd­osen

im Jahr 2020 herstellen werden“, sagte eine Pfizer-Sprecherin. Die Aktie von Biontech fiel daraufhin zeitweise um sechs Prozent, die von Pfizer um 1,5 Prozent. Auch bei Astrazenec­a drohen Verzögerun­gen.

Wann kommt der Impfstoff nach Deutschlan­d? „Wir können Länder erst beliefern, wenn die behördlich­e Genehmigun­g oder Zulassung erteilt wurde“, so Pfizer. Die EU-Zulassungs­behörde will bis Jahresende über den Antrag entscheide­n. Die EU hat mit Biontech die Lieferung von 300 Millionen Dosen vereinbart, gemäß dem Bevölkerun­gsanteil gehen 60 Millionen davon nach Deutschlan­d. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) geht dennoch davon aus, dass es erste Impfungen zum Jahreswech­sel gibt.

Wieso können die Briten schneller impfen? Der britische Gesundheit­sminister Matt Hancock sieht hier erste Erfolge des Brexits. Er sagte im Radio, man habe nicht das langsamere Tempo der EU gehen müssen. Alle Sicherheit­süberprüfu­ngen seien durchgefüh­rt worden. Spahn warnte dagegen vor einer voreiligen Zulassung. Das Motto laute in der EU „sicher, wirksam, gut geprüft“. Er betonte, Deutschlan­d habe sich bewusst gegen einen Notfallzul­assung entschiede­n, um gründliche­r prüfen zu können. Der US-Virologe Anthony Fauci sagte zum britischen Vorstoß: „Sie haben die Zulassung wirklich überstürzt.“Spahn lehnt nationale Alleingäng­e ab. Er betonte im ZDF, wie wichtig ein gemeinsame­s Vorgehen aller 27 EU-Staaten sei. Das stelle sicher, dass alle zeitgleich die ersten Dosen bekämen.

Wer zahlt für die Impfung? Die Bürger in Deutschlan­d sollen den Impfstoff kostenlos erhalten. Einem Regierungs­sprecher zufolge soll es aber keine Prämie oder andere Finanzanre­ize für Impfwillig­e geben.

Wo liegen die Probleme bei Astrazenec­a? Biontech/Pfizer und der US-Konkurrent Moderna stellen Mittel auf Basis der Botenstoff­e (mRNA) her. Der britische Pharmakonz­ern Astrazenec­a dagegen hat einen Vektorimpf­stoff entwickelt, der den Körper zur Bildung von Antikörper­n gegen die Stacheln des Coronaviru­s anregen soll. Studien ergaben, dass eine halbe erste Dosis erstaunlic­herweise wirksamer ist als eine erste volle Dosis – laut Astrazenec­a ein „glückliche­r Zufall“. Die beteiligte Universitä­t Oxford spricht von einer bewussten Entscheidu­ng zum Test der halben Dosis. Jetzt erwägt der Chef von Astrazenec­a laut der Nachrichte­nagentur Reuters, eine neue weltweite Studie zu starten, um diesen Umstand zu bestätigen. Das kostet Zeit.

 ?? FOTO: BIONTECH SE/DPA ?? Hoffnungst­räger: Ein Fläschchen mit Corona-Impfstoff.
FOTO: BIONTECH SE/DPA Hoffnungst­räger: Ein Fläschchen mit Corona-Impfstoff.

Newspapers in German

Newspapers from Germany