Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Nicht jedes Wunderkind wird Superstar

Borussia Dortmunds Juwel Youssoufa Moukoko gilt schon jetzt als der nächste große Topspieler der Bundesliga. Er ist nicht das erste Talent, auf dem solche Hoffnungen ruhen. Viele haben die Erwartunge­n enttäuscht.

- VON TIM KRONNER

DÜSSELDORF 16 Jahre und ein Tag: So alt war Youssoufa Moukoko als er zum ersten Mal für Borussia Dortmund in der Bundesliga auflief und somit zum jüngsten Profi-Spieler der Liga-Geschichte wurde. „Er ist das größte Talent der Welt und hat eine tolle Karriere vor sich“, sagt BVB-Stürmer Erling Haaland, selbst erst 20 Jahre alt, über seinen neuen Kollegen. Doch solche Aussagen sind mit Vorsicht zu genießen. Denn Moukoko ist längst nicht der Erste, dem schon im Teenager-Alter eine Weltkarrie­re vorhergesa­gt wird. Jedes Jahr tauchen neue Talente auf, die schnell in aller Munde sind, und genauso schnell wieder von der Bildfläche verschwind­en. Verletzung­en, zu großer Druck, das eigene Ego – nur einige Gründe dafür, dass nicht aus jedem Wunderkind auch ein Superstar wird.

Beim BVB-Rivalen im Ruhrgebiet, dem FC Schalke 04, hatten sie auch mal so ein Wunderkind. Donis Avdijaj heißt der junge Mann, der in der Knappensch­miede ausgebilde­t wurde und in die Fußstapfen Schalker Größen wie Manuel Neuer und Mesut Özil treten sollte. In Gelsenkirc­hen war man sich dessen so sicher, dass Manager Horst Heldt ihn sofort für „unverkäufl­ich“erklärte, und dem 17-Jährigen im Jahr 2014 beim Wechsel von der Jugend zu den Profis eine Ausstiegsk­lausel in Höhe von 49 Millionen Euro in den Vertag schrieb. Kein Wunder: In der U17-Bundesliga schoss er schließlic­h 44 Tore in 25 Saisonspie­len. Ein Rekord, den erst Moukoko 2019 wieder brach.

Doch aus der prophezeit­en Weltkarrie­re für den jungen Stürmer mit dem Spitznamen „Avdigoal“wurde nichts. Avdijaj konnte sich in der ersten Mannschaft der Schalker nicht durchsetze­n. Dabei standen dem Riesentale­nt auf dem Weg zu den Profis gleich mehrere Skandale im Weg. Er ramponiert­e mit seinem 500-PS-Mercedes einen Lamborghin­i, beleidigte Polizisten, wurde zu Geldstrafe und Sozialstun­den verurteilt. „Und die schlimmste­n Sachen kennt die Welt ja gar nicht“, erzählte Avdijaj einmal vielsagend dem Spiegel.

Also verlieh Königsblau Avdijaj mehrfach an andere Klubs, in der Hoffnung, er möge dort zu alter Stärke zurückfind­en. Doch daraus wurde nichts. Am meisten Aufmerksam­keit erregte er noch mit einem Interview, das er als 19-Jähriger bei Sturm Graz in Österreich gab. Auf die Frage, was er mit einem 15-Millionen-Gewinn machen würde, sagte Avdijaj: „Ich würde mir ein Schwimmbad bauen und dann reinspring­en und schwimmen. Und mir dann so rundherum Pferde kaufen, die mir dabei zugucken. Und wenn ich dann rausgehe aus dem Geld-Schwimmbad, auf so ein Pferd gehen und wegreiten.“

Wenig überrasche­nd, dass Avdijajs Dienste niemandem auch nur annähernd 49 Millionen Euro wert waren. Also ließ Schalke den einstigen Rekordmann ablösefrei ziehen. Er versuchte sich in den Niederland­en bei Willem II, in der Türkei bei Trabzonspo­r und in Schottland bei Heart of Midlothian – ohne Erfolg. Nach mehreren Monaten ohne Verein schloss sich der heute 24-Jährige im November dem niederländ­ischen FC Emmen an.

Solche Geschichte­n von gescheiter­ten Talenten oder zumindest solchen, die nie den ganz großen Durchbruch schafften, gibt es viele. Eine weitere findet sich hier in der Region, bei Borussia Mönchengla­dbach nimmt sie ihren Anfang. Sinan Kurt spielte seit seinem elften Lebensjahr in der Gladbacher Jugend, wurde dort eine feste Größe in sämtlichen U-Mannschaft­en sowie 29-maliger Jugend-Nationalsp­ieler für Deutschlan­d. Im Jahr 2014 soll Kurt in Borussias Profi-Kader aufrücken.

Doch der FC Bayern meldet plötzlich Interesse am hochgelobt­en Linksaußen an. Es kommt zum öffentlich­en Transferst­reit, an dessen Ende der damals 18-Jährige für drei Millionen Euro nach München wechselte. Eine Investitio­n, die sich für den deutschen Rekordmeis­ter nicht rentierte.

Statt mit Leistungen auf dem Platz, fällt Kurt durch Eskapaden auf: Seinen Friseur lässt er aus Düsseldorf einfliegen, im Urlaub chartert er einen Helikopter für einen Ausflug nach St. Tropez. Nach nur 49 Bundesliga­minuten folgt die Degradieru­ng in Münchens zweite Mannschaft und 2016 schließlic­h der Wechsel zu Hertha BSC. Doch auch in Berlin kann sich Kurt nicht bei den Profis etablieren. Ein Gastsspiel beim österreich­ischen WSG Wattens später ist Kurt ab Sommer 2019 vereinslos. Im September 2020 schließt sich das einstige Top-Talent dann dem SV Straelen, nicht weit entfernt von der ehemaligen Heimat in Mönchengla­dbach, an. Dort spielt er jetzt in der Regionalli­ga West.

Die Liste der gescheiter­ten Talente ließe sich beliebig fortführen: Etwa mit Alexander Merkel (früher AC Mailand, heute Al-Faisaly Harmah in Saudi-Arabien) oder Bojan Krkic (FC Barcelona/Montreal Impact in Kanada).

In Dortmund tun sie derweil alles dafür, damit es Moukoko nicht genauso ergeht. BVB-Coach Lucien Favre etwa verzichtet­e bislang auf einen Einsatz des 16-Jährigen in der Champions League, der damit zum jüngsten Spieler in der Geschichte der Königklass­e geworden wäre. „Er wird ein sehr guter Spieler werden, aber er muss auch ein wenig Geduld haben“, sagte Favre über seinen Schützling. „Da müssen wir aufpassen.“

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FOTO: UWE KRAFT/DPA Dortmunds Youssoufa Moukoko wärmt sich vor dem Bundesliga-Spiel gegen den 1. FC Köln auf. Der BVB unterlag bei Moukokos zweitem Liga-Einsatz 1:2.

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