Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Hertha — im Träumen groß

Der Berliner Klub will mal wieder durchstart­en - vor allem mit dem Geld von Investor Windhorst. Große Ziele stehen der bescheiden­en Wirklichke­it gegenüber: Hertha BSC hängt im unteren Tabellendr­ittel, der Lokalrival­e Union klopft derweil oben an.

- VON ROBERT PETERS ROBERT PETERS

Berlin hat 3,7 Millionen Einwohner. Die Hauptstadt darf sich rühmen, die deutsche Weltstadt zu sein. Sie spielt in einer Liga mit Madrid, London, Paris und Rom. Nur im Fußball nicht. Berlin ist die einzige Hauptstadt Europas, die keinen Klub von Geltung beherbergt.

Die sprichwört­lich große Klappe lassen sich die Berliner von Hertha BSC deshalb aber noch lange nicht verbieten. Alle Jahre wieder träumen sie den großen Traum vom großen Fußballglü­ck, von rauschende­n Europapoka­lnächten, Titeln, Weltstars. Bis jetzt vergeblich. Darum hat Hertha BSC vergangene­s Jahr beschlosse­n, den Erfolg einfach zu kaufen. Der Investor Lars Windhorst versprach, ein paar hundert Millionen in den Klub zu pumpen. Das Bankkonto sollte Weltgeltun­g sichern. So einfach stellen sich Investoren das vor. Zum Beweis ehrenwerte­r Absichten gab es 274 Millionen Euro und ein paar große Sprüche vom „Big City Club“, ein kurzes Gastspiel von Jürgen Klinsmann im Aufsichtsr­at und auf der Trainerban­k, 77 Millionen Euro Investitio­nen auf dem Transferma­rkt in der zurücklieg­enden Winterpaus­e, viel Getrommel und sehr bescheiden­e Ergebnisse auf dem Fußballpla­tz.

Das erschreckt bei Hertha allerdings niemanden. Während Teile der Klubführun­g noch über die Medien mit Windhorst darüber streiten, ob der große Haufen Geld zur Abtragung alter Schulden verwendet werden darf, die viele Jahre Großmannss­ucht angehäuft haben, stellt sich der Klub an der Spitze neu auf. Carsten Schmidt, zuvor erfolgreic­h bei Sky, macht jetzt in Fußball. Und er weiß, was die Fans hören wollen. „Wir sind Top 10 in Deutschlan­d“, sagt er.

Der Aufsichtsr­at bejubelt bereits in freudiger Ahnung bevorstehe­nde fußballeri­sche Großereign­isse. Denn Windhorst hat zugesagt, die nächste Rate einer ausstehend­en 100-Millionen-Tranche noch in diesem Monat zu zahlen. Dabei soll es auch keine Rolle spielen, dass sein Unternehme­n Tennor von der Corona-Pandemie nicht gerade verschont wurde. Aufsichtsr­atschef Torsten-Jörn Klein stellt fest: „Jetzt haben wir Geld. Und wir müssen dieses Geld richtig einsetzen und uns in eine neue Dimension heben.“Unter neuen Dimensione­n tun sie es nun mal nicht bei der Hertha.

Die Realität rund um das Berliner Bundesliga-Derby gegen den vergleichs­weise armen Konkurrent­en Union sieht so aus: Hertha liegt im unteren Tabellendr­ittel, Union grüßt von oben. Es ist ein weiter Weg in neue Dimensione­n. Wieder mal.

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