Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Junger Künstler spielt mit Zeit und Raum
MÖNCHENGLADBACH Der Künstler ist anwesend. Immer. Zumindest immer dann, wenn das Internet funktioniert und die Boxen eingeschaltet sind: Ein regelmäßiges dumpfes Dum-dum kommt aus den Boxen, die im Kunstverein MMIII aufgebaut sind. Etwa 65 Mal pro Minute. Das ist der aktuelle Pulsschlag von Maurits Boettger. Der sendet ihn über seinen Pulsmesser permanent an die Boxen.
Boettger ist 30 Jahre alt. Er hat an der Kunsthochschule für Medien in Köln und an der Universidad Nacional de Colombia in Bogotá studiert. Sein künstlerischer Schwerpunkt sind Raum und Zeit. Er untersucht die Zeit, ihr Erscheinen und ihr Verschwinden. Und er untersucht den Raum, in dem der Mensch sich öffentlich und privat, sichtbar und unsichtbar bewegt. Wie tut er das? Nach welchen Vorgaben? Boettger beschäftigt sich also in seinen Objekten mit der eigenen Wahrnehmung von Zeit und Raum sowie der des Betrachters.
Über das Kunstmentorat NRW des Landesbüros für Bildende Kunst in Kornelimünster, , das sich als Professionalisierungsprogramm für bildende Künstler versteht, kam Boettger mit dem Künstler und Kurator des MMIII, Klaus Schmitt, zusammen. Ein Tandem entstand, das sich gegenseitig im Atelier besuchte und über Kunst debattierte. Als im Ausstellungswesen versierter Künstler nahm Schmitt den jungen Kollegen
an die Hand, um Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen zu organisieren. Darunter eine Einzelausstellung am Ende des Ausstellungsjahres des Kunstvereins MMIII in den Boetzelenhöfen.
Die sollte am 5. Dezember eröffnet werden. Die aktuellen Coronaschutzmaßnahmen machen auch das unmöglich, doch eine Notlösung lässt die Kunstinteressierten wenigstens digital einen Einblick in die interessante und anregende Präsentation nehmen: Die Ausstellung wird gefilmt und am heutigen Samstag auf der Facebook des Kunstvereins (mmiiikunstvereinmg), auf der Homepage (mmmiii.de) und auf dem Instagram-Kanal (kunstverein_ moenchengladbach) veröffentlicht.
In einem Video bewegt sich Boettger durch die Atacama-Wüste in Chile. Auf seinem Weg lenken lässt er sich ausschließlich durch das Werfen einer Münze, „Coincidence on a flip of a coin“, wie der Titel heißt. Es führt ihn an kein Ziel.
Die Zeit totschlagen. Nicht unbedingt empfehlenswert, aber manchmal bleibt einem nichts anderes übrig. Boettger schlägt seine Zeit tot, indem er in hoher Geschwindigkeit Sonnenblumenkerne knackt, isst und die Schalen ausspuckt.
„Ich wollte schnell essen, um die Zeit schnell herumzubringen“, erinnert sich Boettger. Das erkennt der Betrachter in einem Videoloop. Die witzige Dreingabe dazu: Vor dem Bildschirm auf dem Boden des MMIII liegen die ausgespuckten Schalen.