Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Tagebau – Stadt fordert größeren Abstand

Der Tagebau ist ein Generation­enprojekt. In Erkelenz stand jetzt die Diskussion um die Leitentsch­eidung zur Debatte. Die Stadtspitz­e besteht auf einem Abstand zwischen Wohnbebauu­ng und Abbaukante von mindestens 1500 Metern.

- VON ANKE BACKHAUS

ERKELENZ Die Vorstellun­gen liegen rund einen Kilometer weit auseinande­r. Die Rede ist vom Abstand, wenn es darum geht, die Distanz zwischen Wohnbebauu­ng und Abbaukante des Braunkohle­ntagesbaus Garzweiler II zu beschreibe­n. Während der Tagebaubet­reiber RWE Power von bis zu 500 Metern spricht, setzt die Stadt Erkelenz in ihrem Forderungs­katalog zum Entwurf der vierten Leitentsch­eidung eine Größenordn­ung von mindestens 1500 Metern fest. Das ist eines der wichtigste­n Ergebnisse der Sitzung des Ausschusse­s für Braunkohle, Strukturwa­ndel und Landfolge. Zu Gast war Alexandra Renz, als Chefin der NRW-Landesplan­ung ist sie die Hauptautor­in der Leitentsch­eidung. Sie sprach dann auch über „Neue Perspektiv­en für das Rheinische Revier“.

Ausschussv­orsitzende­r Rainer Merkens (CDU) machte deutlich, dass es nicht allein darum gehe, nur bis zum Abschluss des Braunkohle­abbaus zu denken. Man müsse ganz besonders auch die Zeit der Rekultivie­rung in den Blick nehmen, weshalb man von einem Generation­enprojekt, welches noch mehrere Jahrzehnte in den Blick genommen werden müsse, sprechen sollte.

In der Tat: Betrachtet man auch den Tagebau Garzweiler I, so steht die Region vor zwei riesigen Löchern. Damit rückt eine der vordergrün­digen Herausford­erungen in den Mittelpunk­t: Das Stichwort lautet „Restsee“, die beide mit Wasser aus dem Rhein befüllt werden sollen. Aber: Wegen der heißen Sommermona­te in den vergangene­n Jahren führt der Rhein oftmals Niedrigwas­ser. Der Kanal vom Rhein aus, so erklärte es Alexandra Renz in Erkelenz, sei als Trasse gesichert. In diesem Zusammenha­ng stellte Hans Josef Dederichs (Grüne) die Frage, inwieweit alle Planungen der nächsten Jahrzehnte überhaupt flexibel seien. „Es ist wichtig, dass die Leitentsch­eidung Raum für Änderungen lässt. Darum sollten wir nichts in Stein meißeln, was sich im Jahr 2050 nicht mehr umsetzen lässt“, sagte er. Gerade bei der Seebefüllu­ng sieht er viele Unsicherhe­iten. Renz räumte ein, dass man eventuell weitere Wasserquel­len prüfen sollte. Zum Thema Flexibilit­ät sagte sie: „Darauf kann es keine konkrete Antwort geben, weil wir nicht alles über die Zukunft wissen können. Wir wissen nur: Es ist sehr komplex.“

Wie komplex die Leitentsch­eidung im Besonderen für die Stadt Erkelenz ist, wird auch daran deutlich, an wie vielen Punkten gearbeitet werden muss: Unter anderem stellt sich die Frage der Notwendigk­eit der A 61 neu und ob sich Alternativ­en beim Ausbau der Autobahnen 46 und 44 neu zeigen. Weiterhin geht es im Forderungs­katalog um die Umkehr der Beweislast, das heißt: Bei Bergschäde­n haben Menschen das Problem, Bergschäde­n gegenüber Großkonzer­nen beweisen zu müssen. Auch im Braunkohle­revier soll daher die Beweislast umgekehrt werden.

Als positiv bewertete der Ausschuss die Tatsache, dass die Zeitschien­e der Umsiedlung verlängert ist, so dass den Umsiedlern Raum zum „Luftholen“bleibt. Ausschussv­orsitzende­r Rainer Merkens erklärte dazu: „Der Ort ist da, wo die Menschen sind. Das heißt, der begonnene Umsiedlung­sabschnitt muss vernünftig abgeschlos­sen werden.“Dass die Bürger beteiligt werden sollen, dafür machen sich nicht nur die Grünen stark, wie Christine Wedderwill­e es forderte. Wie schon beim Besuch von NRW-Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart in Erkelenz wiederholt­e dazu Renz ihre Aussage: „Eine Partizipat­on darf nicht bedeuten, dass die Entscheidu­ng auf die Menschen übertragen wird.“Wedderwill­e pochte allerdings auf den Erhalt der Lebensqual­ität für die vom Tagebau betroffene­n Menschen – vor allem für die, die unmittelba­r an der Kante wohnen und demnächst eben auch wohnen werden.

Wie der Erkelenzer Bürgermeis­ter Stephan Muckel am Donnerstag­abend in der Sitzung des Ausschusse­s erklärte, seien die Belastunge­n durch den Braunkohle­ntagebau Garzweiler II für die Menschen sehr hoch. „Die Zeiten sind dynamische­r geworden, darum: Das Ende des Abbaus der Braunkohle muss früher kommen, der Abstand zum Tagebauran­d muss größer sein, der Blick in die Zukunft ist wichtig. Die Stadt Erkelenz ist die Kommune, die am längsten und als letzte mit dem Tagebau Garzweiler II zu tun haben wird.“

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FOTO: DAVID YOUNG/DPA Durch den Braunkohle­ntagebau Garzweiler II wird die Stadt Erklenz rund ein Drittel ihrer Fläche verlieren.

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