Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
,,Die Sehnsucht nach Urlaub wächst"
Der Eurowings-Chef über den Boom bei Kanaren-Flügen und warum sich die Ferienflieger 2021 wieder füllen.
Herr Bischof, die Luftfahrt liegt am Boden. Wie sehen Sie die Lage?
BISCHOF Natürlich halten Reiserestriktionen immer noch viele Flugzeuge am Boden. Durch die schnellen Fortschritte der Impfstoffentwicklung hellen sich die Perspektiven aber sehr deutlich auf. Aktuell fliegen nur rund 20 Jets aus unserer Flotte von 100 Maschinen, und die meisten unserer Kolleginnen und Kollegen sind in Kurzarbeit. In den Weihnachtswochen werden wir bereits wieder 30 Flugzeuge einsetzen. Allein ab Nordrhein-Westfalen, unserem wichtigsten Markt, planen wir um den Jahreswechsel herum fast 600 Flüge zu rund 50 Zielen. Bis zu den nächsten Osterferien wollen wir auf rund 50 Flugzeuge aufstocken. Sollte sich der positive Buchungstrend 2021 fortsetzen, könnten wir wieder mit 80 bis 90 Flugzeugen fliegen.
Sie sind wohl Berufsoptimist?
BISCHOF Nein, wir sehen nur sehr klare Anzeichen einer Marktbelebung – und daran orientieren wir unsere Planungen für 2021. Je länger die Krise dauert, umso stärker wächst die Sehnsucht der Menschen, in den Urlaub zu reisen, mal wieder etwas zu erleben.
Welche Ziele sind am stärksten gefragt?
BISCHOF Zurzeit sind die Kanarischen Inseln sehr beliebt bei deutschen Gästen und entsprechend stark im medialen Fokus, doch ihre Bedeutung wird fast etwas überschätzt. Die Strecke von Düsseldorf nach Mallorca bleibt auch in Krisenzeiten die meistgebuchte bei Eurowings. Und sobald die Reisewarnungen fallen, werden sicher auch Griechenland, Italien, Spanien, Portugal und Kroatien wieder auf der Favoritenliste stehen. Außerdem sehen wir, dass Heimatbesuche von Menschen, deren Familien in anderen Ländern leben, unverändert gefragt sind.
Wie stark schrumpft Eurowings im Zuge der Krise?
BISCHOF Wie alle Airlines der Lufthansa Group hat Eurowings auf die neuen Marktbedingungen durch Corona reagiert und die Organisation angepasst. Das bedeutet neben vielen strukturellen Maßnahmen eine 25-prozentige Reduzierung der Führungsebene sowie einen Abbau der Verwaltung um 300 Mitarbeiter. Hier sind wir auf der Zielgeraden, weitere Personalmaßnahmen sind nicht vorgesehen.
Die Lufthansa-Gruppe inklusive Eurowings zahlte Hunderttausende stornierte Flüge erst nach Monaten zurück. Ist Ihnen das peinlich?
BISCHOF Die Airline-Industrie ist in normalen Jahren auf maximal zwei Prozent Flugausfälle eingerichtet, sie konnte unmöglich über Nacht ein faktisches Flugverbot mit dem Verfall von zeitweise 90 Prozent aller Tickets kompensieren. Diesen Berg zu bezwingen, war die Herkulesaufgabe eines Ausnahme-Sommers 2020, in dem wir bei Eurowings einen dreistelligen Millionenbetrag an Hunderttausende Gäste zurückgezahlt haben. Ich kann Ihnen sagen, dass unsere Mitarbeiter und alle zusätzlich eingesetzten Teams in dieser Zeit nahezu Unmenschliches geleistet haben, ihnen sind wir zu großem Dank verpflichtet. Inzwischen können wir neue Fälle wieder binnen einer Woche kompensieren.
Lufthansa testet auf Flügen zwischen Hamburg und München, Passagiere nur nach einem Corona-Schnelltest in die Jets steigen zu lassen. Ein Modell für NRW?
BISCHOF Auch wir bei Eurowings treiben als größter NRW-Carrier Maßnahmen voran, die sorgenfreies Fliegen in Corona-Zeiten gewährleisten. Hier arbeiten wir mit den großen Reiseveranstaltern zusammen. Sobald wir eine Einigung mit den Behörden und allen Kooperationspartnern erzielt haben, werden wir Pilotprojekte an unseren Heimatflughäfen wie Düsseldorf oder Köln/Bonn etablieren.
Wird eine Impfbescheinigung dann einen Schnelltest ersetzen?
BISCHOF Das wird noch etwas Zeit brauchen. Wir alle hoffen auf schnelle Zulassung und Verteilung von Impfstoffen und begrüßen es, wenn viele Menschen schnellstmöglich geimpft werden. Zunächst obliegt es aber den Regierungen, einen Plan zur Verteilung der Impfdosen zu erstellen, sobald diese verfügbar sind. Gleiches gilt für die Ausgestaltung der Einreisevoraussetzungen.
Die meisten Flüge finden noch ohne vorherige Tests statt...
BISCHOF Bisher ist das so, aber die Branche entwickelt sich schnell weiter. Sie arbeitet intensiv an ausgefeilten Testkonzepten vor Flügen. Eine Kombination aus Tests und Impfstoffen wird der Schlüssel zur Normalisierung des weltweiten Luftverkehrs sein.
REINHARD KOWALEWSKY FÜHRTE DAS GESPRÄCH.