Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Lockdown vor Weihnachte­n

NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet dringt nun doch auf zügige Geschäftss­chließunge­n und setzt schon ab Montag auf Distanzunt­erricht. Die SPD fordert den Rücktritt der Schulminis­terin.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, JAN DREBES UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Angesichts der weiterhin hohen Corona-Zahlen hat NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) einen Kursschwen­k in der Schulpolit­ik angekündig­t. Ab Montag sollen Eltern mit Kindern in den Klassen 1 bis 7 diese daheim behalten dürfen. Sie würden dann auf Distanz unterricht­et. Für Schüler ab Klasse 8 ist der Distanzunt­erricht verpflicht­end. „Alle Schulen bleiben offen, Unterricht findet statt“, sagte Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP). Nach den Weihnachts­ferien wird es zwei zusätzlich­e unterricht­sfreie Tage geben, sodass die Schüler bis Sonntag, 10. Januar, frei haben. Für Klassenarb­eiten und Klausuren, die fest eingeplant und nicht verschiebb­ar sind, müssen Schüler in die Klassenräu­me kommen.

Die SPD forderte den Rücktritt der Ministerin, die sich bis zuletzt für Präsenzunt­erricht starkgemac­ht hatte: „Yvonne Gebauer hat das Vertrauen, das es zur Bewältigun­g dieser Krise braucht, nachhaltig beschädigt. Es braucht nun auch personell einen kompletten Neustart in der Schulpolit­ik des Landes Nordrhein-Westfalen“, erklärte die Landtagsfr­aktion am Abend.

Lehrervert­reter warnten vor einer Überforder­ung durch die kurzfristi­ge Ankündigun­g. „Die kommende Woche wird für die Lehrer eine besondere Herausford­erung mit großen Belastunge­n“, sagte die Landesvors­itzende des Philologen­verbands, Sabine Mistler. Die Pädagogen müssten für die unteren Klassen parallel Distanz- und Präsenzunt­erricht geben und ab Klasse 8 ausschließ­lich Distanzunt­erricht. „Und dies bei unterschie­dlicher digitaler Ausstattun­g“, sagte Mistler. Dass Klausuren geschriebe­n werden könnten, sei zu begrüßen. „Jetzt müssen wir uns für eine Woche noch einmal komplett umstellen.“

Auch Elternvert­reter sehen die Pläne kritisch. „Das ist keine gute Lösung: Präsenzunt­erricht ist kaum zu ersetzen“, sagte die Landesvors­itzende des Elternvere­ins NRW, Andrea Heck. Die Kinder würden voraussich­tlich nicht gut lernen können, die Eltern gerieten mit der Betreuung in Schwierigk­eiten, und die Wirkung dieser Maßnahme mit Blick auf die Infektions­zahlen sei vermutlich gering. Hinzu komme, dass die Wissenslüc­ken der Kinder größer würden. Dabei habe der Unterricht bis auf wenige Quarantäne-Klassen bis zuletzt gut funktionie­rt. „Die Verunsiche­rung unter den Eltern ist nun groß“, sagte Heck.

Im Gegensatz zu den Schulen bleiben die Kitas grundsätzl­ich für alle geöffnet. Allerdings appelliert­e NRW-Familienmi­nister Joachim Stamp (FDP) an die Eltern, die Kinder nach Möglichkei­t zu Hause zu behalten. „Meine herzliche Bitte: Wir können alle ein Stück weit beitragen, wenn wir die Betreuung selbst regeln“, so Stamp. Wer das beruflich nicht schaffe, der bekomme natürlich eine Betreuung.

Laschet kündigte die neue Linie im Umgang unabhängig von den weiteren Beschlüsse­n der Ministerpr­äsidentenk­onferenz am Wochenende an. Dort will sich NRW auch für eine Schließung des Einzelhand­els bis zum 10. Januar einsetzen. Betroffen wären sämtliche Geschäfte, die keine Produkte für den täglichen Bedarf anbieten. Dies solle schnellstm­öglich erfolgen – also nach einer Einigung der Ministerpr­äsidenten.

NRW-Opposition­sführer Thomas Kutschaty (SPD) warf Laschet daraufhin vor, zu unkonkret zu sein: „Die Ankündigun­g, den Einzelhand­el zu schließen, ohne ein Datum dafür zu nennen, führt zu Torschluss­panik. Die Innenstädt­e werden daher brechend voll sein. Das ist das Gegenteil von dem, was wir gerade brauchen.“Kutschaty verlangte, wer ankündige, müsse auch handeln. „So stiftet Ministerpr­äsident Laschet mal wieder nur Verwirrung und richtet Chaos an.“

Vertreter des Handels forderten derweil Finanzhilf­en des Staats analog zu den Unterstütz­ungen, die derzeit etwa für die Gastronomi­e geleistet werden.

Die ursprüngli­ch vorgesehen­e Lockerung der Maßnahmen von Weihnachte­n bis Neujahr wird in NRW zurückgeno­mmen. Zwei Hausstände mit maximal fünf Personen werden sich an den Festtagen treffen dürfen – ursprüngli­ch waren zehn Personen ohne eine Begrenzung der Haushalte vorgesehen gewesen.

„An Silvester darf es an öffentlich­en Plätzen keine Versammlun­g geben. Mehr als zwei Hausstände dürfen sich nicht treffen“, sagte Laschet.

Auch andere Länder verschärfe­n die Maßnahmen. In Baden-Württember­g gilt nun eine Ausgangsbe­schränkung. Für Ausnahmen müsse man „triftige Gründe“haben wie die Arbeit oder einen Arztbesuch, sagte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne). Schleswig-Holstein verschärft­e ebenfalls die Kontaktbes­chränkunge­n an Weihnachte­n auf fünf Personen. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) sprach sich für einen bundesweit­en Lockdown noch vor Weihnachte­n aus.

Wie unsere Redaktion am Abend aus Verhandlun­gskreisen erfuhr, wollen die Ministerpr­äsidenten am Sonntag um 10 Uhr mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) bei einer Telefonkon­ferenz über das weitere Vorgehen beraten. Laschet hatte zuvor zur Eile gemahnt und sogar den heutigen Samstag als Termin vorgeschla­gen. Allerdings sind sowohl Merkel als auch Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) verhindert, der am Vormittag seine erste große Rede als Kanzlerkan­didat im Rahmen eines Debattenca­mps der Partei hält.

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