Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Kirchen schließen – aus Nächstenli­ebe

- VON HORST THOREN

Wie kann Gott das zulassen? Das Leid in der Welt, die Pandemie, die Not. Jetzt allein in Deutschlan­d beinahe 30.000 Neuinfizie­rte an einem Tag, alle 24 Stunden so viele Tote wie bei einem Flugzeugab­sturz, Ärzte und Pfleger am Rande ihrer Kräfte, Existenzso­rgen, Todesängst­e, ein ganzes Land in Furcht. Wie kann Gott das zulassen? Die Frage trifft Gläubige ins Herz. Ihr Bild vom gütigen Gott wird angegriffe­n. Die Pandemie ist keine Strafe Gottes, wohl aber ist sie eine Prüfung. Auch für die Kirchen. Sie müssen jetzt entscheide­n, ob ihre Gotteshäus­er geöffnet bleiben können, ob zu Weihnachte­n Gottesdien­ste möglich sind. Die Glaubensfr­age: Wie wichtig ist in der Krise das Ritual im Kirchenrau­m? Dürfen Gläubige an den Feiertagen leichtfert­ig dem Risiko der Ansteckung ausgesetzt werden?

Natürlich sehnen sich in dieser Zeit viele Christen nach Gemeinscha­ft, gerade zu Weihnachte­n. Die besondere Atmosphäre der Weihnachts­gottesdien­ste wirkt stärkend. Aber braucht die frohe Botschaft von Christi Geburt im Corona-Jahr 2020 zwingend den Kirchenrau­m als Ort der Verkündung? Wohl kaum. Es gibt andere, bereits zu Ostern erprobte Wege zu Gott. Andachten in der Familie gehören dazu. Bewährt haben sich vor allem Internet-Gottesdien­ste, weil sie zumindest den Blick ins (vertraute) Gotteshaus zulassen und im Chatroom sogar Begegnung möglich machen.

Erforderli­ch ist ein schnelles, mutiges Signal der Kirchengem­einden. Es bringt nichts abzuwarten, wie die Politik entscheide­t. Das Gebot der Nächstenli­ebe, bestimmt von der Verantwort­ung vor Gott und den Menschen, lässt kaum eine andere Wahl: Die Kirchen müssen jetzt geschlosse­n werden! Weihnachte­n 2020 geht auch ohne Zusammenku­nft im Haus Gottes. Entscheide­nd ist allein die Nähe zum Kind in der Krippe.

BERICHT ANDACHT UNTERM WEIHNACHTS­BAUM, MAGAZIN

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