Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Hoffnungen sind Kraftspender
Warum das kleine Wort „eigentlich“Zuversicht in Corona-Zeiten signalisiert.
Bei unserer Aufzählung dessen, was alles durch Corona nicht möglich ist und nicht möglich sein wird, darf ein unscheinbares Wörtchen nicht fehlen: die Partikel „eigentlich“. Und das findet dann auch vielfältigen Einsatz: Eigentlich wären wir jetzt schon im Ski-Urlaub; oder: Eigentlich wollten wir Weihnachten die Schwiegereltern besuchen; und: Eigentlich würde ich doch gerne heute Abend mal wieder zum Italiener gehen.
Das Wort eigentlich ist ein Brückenschlag: von dem, was früher einmal möglich gewesen ist, zu dem, was heute noch machbar erscheint. Mit „eigentlich“beginnt eine Verlustrechnung, die aber ganz ohne Larmoyanz aufgestellt wird. Für alles Schmerzliche sind dann andere Redewendungen zuständig wie: „Früher war das noch möglich“; oder noch endgültiger: „Früher war alles besser.“All das sind bittere Abschiede.
Mit „eigentlich“dagegen beginnt eine realistische Inventur der Gegenwart. Man muss nicht weiter dieses eine Wort für unser Leben in Corona-Zeiten überstrapazieren. Aber darüber ein paar Augenblicke lang nachzudenken, lohnt, wenn es unseren eigenen Umgang mit den Unbilden dieses langen Jahres spiegelt. Denn natürlich gibt es – neben den Sorgen um die Gesundheit – manches zu beklagen: dass große Konzertbesuche und kleine Umarmungen nicht möglich sind, dass unser Leben vereinzelter und einsamer wurde. Sich aber darüber immer wieder zu beklagen, führt nur in eine Richtung: die der Vergangenheit. Und das tut nicht gut; es signalisiert, dass man mit dem, was mal möglich gewesen ist, für die Zukunft abgeschlossen hat. Natürlich ist es falsch, sich in Illusionen zu verlieren. Aber kleine und große Hoffnungen sollten erlaubt sein, die Kraftspender sind und Zuversicht signalisieren. Der Advent lehrt uns das Warten und die Geburt Christi das Hoffen. Eigentlich sind das doch ganz schöne Aussichten.