Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Der Schwenk der Schulminis­terin

Yvonne Gebauer (FDP) hatte lange auf Präsenzunt­erricht gepocht – nun musste sie einlenken.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Die Stimme der Schulminis­terin zitterte leicht, als sie an diesem frühen Freitagnac­hmittag zu ihrem entscheide­nden Statement anhob. „Eine Schulminis­terin, die nicht widerspric­ht, wenn andere die Aufhebung der Schulpflic­ht fordern, würde ihrem Amt kaum gerecht, und sie würde die Verfassung ausblenden“, sagt Yvonne Gebauer (FDP). Deshalb sei es ihr so wichtig, genau zu unterschei­den zwischen der Schul- und der Präsenzpfl­icht. In NRW sei nur die Pflicht der Schüler zur Anwesenhei­t im Klassenrau­m ausgesetzt, aber nicht die Pflicht zur Teilnahme am Unterricht. „Insofern sind alle meine Forderunge­n berücksich­tigt, und außerdem ist die Betreuung gewährleis­tet“, schiebt sie nach.

Was die Ministerin als Erfolg ihrer Verhandlun­gen auf Bundes- und Landeseben­e zu verkaufen versucht, ist aus Sicht der Opposition in NRW hingegen ein Rückzug auf ganzer Linie. Wochenlang hatte Gebauer darauf gepocht, dass der Präsenzunt­erricht oberste Priorität haben müsse. Selbst einzelne Städte mit hohen Infektions­zahlen wie Solingen pfiff sie zurück, weil der dortige SPD-Oberbürger­meister es gewagt hatte, stadtweit an den Schulen Wechselunt­erricht einzuführe­n, die Klassen also zu teilen und abwechseln­d digital zu unterricht­en. Doch genau das passiert jetzt sogar landesweit, wenn sich alle Schüler ab Klasse 8 bis zu den Weihnachts­ferien im Homeschool­ing wiederfind­en.

Der Druck war wohl zu groß geworden: Bundesweit dramatisch steigende Infektions­zahlen, das Vorpresche­n des bayerische­n Ministerpr­äsidenten, die bewegenden Worte der Bundeskanz­lerin im Bundestag – dem konnte sich Gebauer nicht länger entgegenst­emmen. „Die Infektione­n haben noch einmal eine besondere Dynamik aufgezeigt“, sagt sie nun. Zudem sei bundeseinh­eitliches Handeln gefordert.

Gebauer steht unter besonderer Beobachtun­g. Als einzige Bildungsmi­nisterin der FDP bundesweit ist es an ihr, die liberalen Vorstellun­gen in der Schulpolit­ik zu verkörpern. In Corona-Zeiten übersetzte die gebürtige Kölnerin dies in eine Bildungsga­rantie, also das Aufrechter­halten des Präsenzunt­errichts, wo irgend möglich. Für jede Schule einzeln sei zu entscheide­n, ob sie wirklich in den Digitalunt­erricht wechseln müsse. „Schulspezi­fisch“lautete dafür das Schlagwort.

Das gelang bis heute auch recht gut: 96,3 Prozent der Schüler nahmen zuletzt in NRW am Präsenzunt­erricht teil, in etwa so viele wie in der Vorwoche. Nur fünf Schulen waren wegen hoher Infektions­zahlen komplett geschlosse­n.

Es wirkt daher fast trotzig, wenn die Ministerin ausgerechn­et heute ausdrückli­ch auf diese Bilanz verweist.

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FOTO: MARCEL KUSCH/ DPA Lange hatte sie betont, mit ihr werde es Schulschli­eßungen nicht geben, jetzt rudert NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) zurück.

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