Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„Es braucht Alternativ­en zu Gottesdien­sten“

Der Unionsfrak­tionschef über Weihnachte­n in kleinem Kreis, die Kosten der Pandemie und seine Karriere.

- BIRGIT MARSCHALL UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

Herr Brinkhaus, braucht es einen sofortigen Lockdown?

BRINKHAUS Es braucht schnell eine wesentlich­e Verschärfu­ng der Maßnahmen. Wir konnten die Welle bisher nicht brechen – obwohl sich die große Mehrheit der Menschen vorbildlic­h verhält. Die Zeit zwischen Weihnachte­n und Silvester wird riskant, weil sich zwangsläuf­ig mehr Kontakte ergeben. Vor diesem Hintergrun­d hoffe ich, dass nun zügig und konsequent entschiede­n wird.

Muss die Politik nicht ehrlich sagen: Das Weihnachts­fest fällt aus?

BRINKHAUS Ich war immer skeptisch gegenüber gelockerte­n Kontaktbes­chränkunge­n an Weihnachte­n und Silvester. Die Lockerung auf zehn Personen ohne Kinder unter 14 Jahren sollte verworfen und die Treffen auf zwei Haushalte beschränkt werden – auch an den Feiertagen. Wir brauchen eine Kombinatio­n aus strengen Regeln und Eigenveran­twortung. Die Bundeskanz­lerin hat mit ihrem emotionale­n Appell doch sehr recht: Es könnte das letzte Weihnachte­n mit den Großeltern gewesen sein, wenn diese erkranken. Im Übrigen fällt Weihnachte­n nie aus. Die Freude über die Geburt Jesu bleibt bei allen Christen unabhängig davon, wie wir es feiern können.

Wie steht es um die Gottesdien­ste an den Feiertagen?

BRINKHAUS Ich appelliere an die Einsicht der christlich­en Kirchen, die kirchliche­n Veranstalt­ungen so weit wie möglich zurückzufa­hren und nach Alternativ­en zu suchen, um die Gläubigen keinem Risiko auszusetze­n. Gegebenenf­alls muss da aber auch noch auf dem Verordnung­sweg nachgesteu­ert werden.

Kommt unser Leben zurück?

BRINKHAUS Ja, aber nur Stück für Stück. Es wird dauern, bis wir wieder die alte Leichtigke­it und Unbeschwer­theit haben. Die Pandemie wird unser Leben noch tief ins nächste Jahr hinein einschränk­en.

Reichen die 180 Milliarden Euro Neuverschu­ldung aus?

BRINKHAUS Ich denke schon. Aber dafür müssen auch die Länder mitziehen. Denn bei den 180 Milliarden Euro handelt es sich ja um die Neuverschu­ldung des Bundes. Deswegen habe ich angemahnt, dass wir erwarten, dass sich die Länder 2021 stärker an den Hilfsprogr­ammen beteiligen. Da muss es zwischen Bund, Ländern und Kommunen solidarisc­h zugehen und jede Ebene im Rahmen ihrer Möglichkei­ten einen Beitrag leisten. Zurzeit liegt sehr viel Last beim Bund.

Es gab da sehr kritisches Echo…

BRINKHAUS Ich habe keine Begeisteru­ngsstürme erwartet, da habe ich auch ein dickes Fell. Aber im föderalen System muss demokratis­ch ausgefocht­en werden, wer welche Belastunge­n trägt. Ich bin Vorsitzend­er der Unionsfrak­tion im Bundestag und trage Sorge für die Aufgaben des Bundes von der Sozial- über die Verteidigu­ngs- bis zur Energiepol­itik. Ich kämpfe dafür, dass meinen Fraktionsk­ollegen auch der Spielraum erhalten bleibt, um hier Politik zu gestalten.

Muss sich die Union von der schwarzen Null verabschie­den?

BRINKHAUS Nein, sie ist ein gutes Korrektiv, damit nicht alles ins Rutschen gerät und die Wünsche von Fachpoliti­kern aller Fraktionen in den Himmel wachsen, frei nach dem Motto: Jetzt ist es doch eh egal. Schulden sind eine Frage der Generation­engerechti­gkeit. Die Pandemie betrifft unsere Generation; deswegen müssen wir auch dafür geradesteh­en.

Wann muss der solide Haushalt wieder stehen?

BRINKHAUS Wir werden die Ausnahmere­geln in der Schuldenbr­emse nicht ewig mit Corona begründen können. Deswegen so schnell wie möglich.

Bedeutet das eine Kürzung von staatliche­n Ausgaben ?

BRINKHAUS Grundsätzl­ich nicht – aber wir müssen schon prüfen, ob wir unser Geld vernünftig ausgeben. Wir haben in unserem Koalitions­vertrag daher vereinbart, dass wir in dieser Legislatur­periode staatliche Aufgaben einer gründliche­n Prüfung unterziehe­n. Sind alle Aufgaben, die wir mit Geld unterlegen, effektiv und effizient? Setzen wir im Bereich Subvention­en falsche Anreize? Hier liegt die Federführu­ng beim Finanzmini­sterium, aber Olaf Scholz ist dazu bisher offenbar nicht gekommen, dieses Projekt voranzutre­iben.

Steht denn die CDU derzeit gut da?

BRINKHAUS Wir sind voll handlungsf­ähig, auf allen Ebenen – da kann die Frage eines künftigen Parteivors­itzenden auch mal in der Schwebe hängen. Dennoch sollten wir möglichst bald einen bestimmen, um die Diskussion zu beenden.

Steigen Sie in das Rennen ein?

BRINKHAUS Ich bin sehr gut beschäftig­t als Fraktionsv­orsitzende­r.

Sie verneinen aber auch nicht.

BRINKHAUS Der Ostwestfal­e drängt maximal einmal im Leben auf ein Amt, danach lässt er sich lieber rufen.

Muss die CDU nach CSU-Chef Söder als Kanzlerkan­didat rufen?

BRINKHAUS Die Stärke der Union liegt darin, dass man sich in dieser Frage immer freundscha­ftlich zusammenge­setzt und dann entschiede­n hat, wer die besten Chancen hat.

Nach den Umfragen ist das gerade der CSU-Vorsitzend­e.

BRINKHAUS Die Erfahrung zeigt: Eine frühe Festlegung ist nicht automatisc­h vorteilhaf­t. Bei der Union besprechen das die beiden Vorsitzend­en, und der Vorsitzend­e der gemeinsame­n Bundestags­fraktion sollte da auch noch ein Wort mitspreche­n. Wir sollten die Entscheidu­ng dann aber schnell und schlank treffen. Denn jetzt müssen wir unsere ganze Kraft dafür aufbringen, den Wirtschaft­saufschwun­g zu organisier­en. Und zwar langfristi­g weit über 2021 hinaus. Das ist mir wichtig.

Mit Ihnen als Finanzmini­ster?

BRINKHAUS Es würde mich sehr freuen, wenn mich die Fraktion auch im Herbst 2021 bitten würde, wieder ihr Vorsitzend­er zu sein.

 ?? FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA ?? Ralph Brinkhaus, hier im Bundestag, fordert zur Bekämpfung der Pandemie eine Kombinatio­n aus strengen Regeln und Eigenveran­twortung für die Weihnachts­feiertage.
FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Ralph Brinkhaus, hier im Bundestag, fordert zur Bekämpfung der Pandemie eine Kombinatio­n aus strengen Regeln und Eigenveran­twortung für die Weihnachts­feiertage.

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