Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Team Biden
Inzwischen schält sich heraus, mit welchen Mitstreitern Joe Biden als US-Präsident Politik machen will. Linke Demokraten allerdings werden schon unruhig.
Als Joe Biden das zweithöchste Amt im Staat übernahm, war viel vom Team der Rivalen die Rede. Der Hoffnungsträger Barack Obama, hieß es im Januar vor zwölf Jahren, werde dem Beispiel des legendären Abraham Lincoln folgen und Politiker am Kabinettstisch zusammenbringen, die noch Monate zuvor im Clinch gelegen hatten. Auch Hillary Clinton, die schärfste Kontrahentin des Kandidatenduells. Harte Debatten sollten zu durchdachten Entscheidungen führen, das war der Ansatz.
Donald Trump setzte dann ganz auf Seiteneinsteiger, auf Ex-Generäle wie James Mattis und John Kelly oder ehemalige Ölmanager wie Rex Tillerson. Es passte zur Rolle des Rebellen gegen das Establishment, in der er sich inszenierte, ging aber nicht lange gut. Nach einer Weile wurden die unabhängigen Köpfe durch Loyalisten ersetzt, die es nur selten wagten zu widersprechen.
Der designierte Präsident Biden wiederum steht für die Rückkehr zur alten Ordnung. Die Schlüsselposten seines Kabinetts besetzt er durchweg mit Leuten, die über Regierungserfahrung verfügen. Und einem „Team of Rivals“, wie man es Obama ein wenig zu simpel zuschrieb, kann er offensichtlich nichts abgewinnen. Wer bei ihm zum Zug kommen will, muss in aller Regel auf Jahre enger Zusammenarbeit mit ihm zurückblicken können.
Antony Blinken, der künftige Außenminister, erfüllt das Kriterium perfekt. Er gehörte bereits zum Mitarbeiterstab Bidens, als der noch Senator war. Nachdem sein Mentor das Amt des Vizepräsidenten angetreten hatte, wurde er dessen Sicherheitsberater. Im Wahlkampf war der außenpolitische Chefberater Blinken nicht wegzudenken aus der Mannschaft des Veteranen, der seit 1973 Politik in Washington macht.
Lloyd Austin, den Verteidigungsminister in spe, kennt Biden aus der Zeit, in der beide den Rückzug der US-Armee aus dem Irak organisieren sollten. Unzählige Stunden habe er an der Seite des Generals verbracht, „im Feld und im Situation Room des Weißen Hauses“, schrieb er diese Woche in der Zeitschrift „The Atlantic“. „Ich habe seinen Rat gesucht und seine Ruhe und Charakterstärke bewundert.“
Denis McDonough, nominiert als Bidens Minister für Kriegsveteranen, war zunächst stellvertretender Sicherheitsberater und danach Stabschef im Weißen Haus. Wobei Skeptiker an seiner Eignung für den neuen Posten durchaus zweifeln, denn der 51-Jährige hat selbst nicht beim Militär gedient.
Susan Rice, die das innenpolitische Beratergremium der Regierungszentrale leiten wird, war unter Obama erst UN-Botschafterin, dann Nationale Sicherheitsberaterin. Auch sie genießt das Vertrauen Bidens, dessen Büro im Westflügel des Weißen Hauses seinerzeit direkt neben ihrem lag. Dass sie in die Innenpolitik wechselt und damit fachlich Neuland betritt, kommt überraschend. Entscheidend war wohl die Tatsache, dass sich der Mann an der Spitze auf die alte Bekannte hundertprozentig verlassen kann.
Während sich die Konturen der neuen Mannschaft herausschälen, feilen Kommentatoren an Begriffen, mit denen sich Bidens Leitfaden beschreiben lässt. „Obama 3.0“ist momentan der Spitzenreiter. Es soll bedeuten, dass Biden nach zwei Amtszeiten Obamas und dem Trump-Intermezzo personell weitermacht, wo sein früherer Vorgesetzter aufgehört hat. David Ignatius, Kolumnist der „Washington Post“, spricht vom Kabinett der Behaglichkeit; Biden lege Wert auf reibungsloses, kollegiales Arbeiten. Nach dem Lärm, den Palastintrigen, dem gereizten Klima der Ära Trump sei dies eine willkommene Abwechslung. Außerdem passe es zu dem Versprechen, nach den Stürmen ruhigeres Fahrwasser anzusteuern.
Allerdings wäre der 78-Jährige gut beraten, Leute einzubinden, die gegen den Strich bürsten und bereit sind, Risiken einzugehen. Faiz Shakir, Wahlkampfmanager des linken Senators Bernie Sanders, warnt davor, allein auf „technokratische Kompetenz“zu setzen. Man vergebe die Chance, mit frischem Denken zu originellen Lösungen zu kommen.
Biden selbst hat seit seinem Wahlsieg immer wieder von einer Regierung gesprochen, in der sich ganz Amerika wiederfinden solle. Nach Hautfarbe und Geschlecht werde seine Riege so vielfältig sein wie noch keine zuvor. Tatsächlich hat er für eine Reihe historischer Premieren gesorgt. Kamala Harris, gerade gemeinsam mit Biden vom „Time“-Magazin zur Person des Jahres gekürt, kandidierte als erste Frau mit dunkler Haut für die Vizepräsidentschaft, Lloyd Austin ist erster schwarzer Pentagon-Chef, Janet Yellen erste Finanzministerin, Alejandro Mayorkas erster Latino an der Spitze des Heimatschutzressorts.
Die Parteilinke allerdings wartet noch auf Personalangebote. Eine ihrer Symbolfiguren, die New Yorker Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, lässt schon Ungeduld erkennen. Sie frage sich, welcher Agenda man folge, welche Visionen man habe, sagte sie neulich vor Journalisten. „Für mich ist das alles noch ein bisschen unscharf.“