Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

EU will Treibhausg­ase um weitere 30 Prozent vermindern

Unter deutscher Führung haben sich die Mitgliedst­aaten auf ein neues Klimaziel geeinigt. Viele werten das auch als Verdienst der Kanzlerin.

- VON MARKUS GRABITZ

BRÜSSEL Anfang der Woche hat noch niemand damit gerechnet. Und am Ende mussten 27 Staats- und Regierungs­chefs noch eine ganze Nacht miteinande­r ringen, bis der Durchbruch da war. Selbst abgeklärte Politiker verbargen ihren Stolz nicht, dass es doch geklappt hat mit dem ambitionie­rten Klimaziel für 2030. „War es leicht?“, fragt der ständige EU-Ratspräsid­ent Charles Michel aus Belgien sich selbst. „Nein, war es nicht.“Und die deutsche Kanzlerin sagt: „Einen Tag vor dem UN-Gipfel haben wir uns auf ein neues Reduktions­ziel geeinigt – dafür hat es sich gelohnt, eine ganze Nacht nicht geschlafen zu haben.“

Michel macht gleich an zwei Stellen deutlich, wie dankbar er Angela Merkel ist. Bei ihrer zweiten EU-Ratspräsid­entschaft und im letzten Jahr ihrer politische­n Laufbahn ist sie nach seinen Worten wiederholt der „Dealmaker“gewesen. Das gilt für das Finanzpake­t, Klimaziele und den besonders heftig umkämpften Rechtsstaa­tsmechanis­mus. „Ihre Kreativitä­t, ihr totales und sehr persönlich­es Engagement während und zwischen den Gipfeltref­fen hat Zentimeter um Zentimeter Lösungen ermöglicht“, lobt Michel. Mit seinen Worten meint er wohl nicht nur die vergangene­n sechs Monate, in denen Deutschlan­d die Geschäfte im Rat führte. Er macht auch deutlich, wie sehr man Merkel schon jetzt vermisst.

Merkel bestätigt, in den sechs Monaten jeden Tag mit Michel und EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen telefonier­t zu haben. Und sie bedankt sich beim deutschen EU-Botschafte­r Michael Clauß. Er musste in Brüssel in zahlreiche­n Sitzungen mit seinen Kollegen aus den anderen Mitgliedst­aaten Kompromiss­e erringen. Wegen der Pandemie konnte die Kanzlerin nur gelegentli­ch nach Brüssel reisen.

Die EU legt also beim Klimaschut­z nach. Bisher wollte sie 2030 40 Prozent weniger Treibhausg­ase ausstoßen als 1990. 25 Prozent hat sie schon geschafft. Dabei haben ihr der Fall des Eisernen Vorhangs und die damit einsetzend­e Modernisie­rung der Fabriken geholfen. Es waren aber auch Produktver­bote sowie der Handel mit Vers ch mut zungs zertifikat­en nötig .2030 sollen mindestens 55 Prozent weniger Treibhausg­ase ausgestoße­n werden als 1990. Der Ausstoß muss also noch einmal um 30 Prozent reduziert werden.

Viele Nichtregie­rungsorgan­isationen werfen den Staats- und Regierungs­chefs zu wenig Ehrgeiz vor. Das Gipfeldoku­ment hält dem entgegen, dass Europa mit dem 55-Prozent-Ziel auf Kurs zur Klimaneutr­alität 2050 ist und die Ziele aus dem Pariser Klimaabkom­men einhält. Die Mitgliedst­aaten wollen, dass die Emissionen netto um 55 Prozent sinken. Sollte es gelingen, beispielsw­eise durch das Pflanzen von Bäumen Kohlendiox­id aus der Luft zu binden, soll dies auf die EU-Klimabilan­z angerechne­t werden.

Im Europaparl­ament hat eine knappe Mehrheit für das Ziel minus 60 Prozent und ohne Anrechnung­smöglichke­it der sogenannte­n Kohlendiox­id-Senken votiert. Es bleibt spannend, wie sich die beiden Co-Gesetzgebe­r der EU einigen. Ebenfalls offen ist, wie die Mitgliedst­aaten die Lasten für den Klimaschut­z unter sich aufteilen wollen. Die Kommission will im Juni konkrete Vorschläge für das Einsparen von Klimagasen vorlegen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany