Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Unter Präsidente­n – ein Sittengemä­lde

Klub-Präsidente­n sind mancherort­s die letzten absolutist­ischen Fürsten. In Krefeld kam es jetzt zum Eklat rund um den KFC Uerdingen. Nach der Ära von Präsident Ponomarev weigert sich der Stadtrat, Millionen für die Sanierung der Grotenburg auszugeben.

- VON JENS VOSS

KREFELD Die Dritte Liga im Fußball ist die Vorhölle für Leute, die gerne planen. Mit dem Aufstieg in die Zweite Liga winkt für einen Verein das große Geld, der Weg dahin aber ist teuer und voller Dornen. Vereine wie der KFC Uerdingen in Krefeld sind davon abhängig, dass sich Geldgeber finden, die das Risiko eingehen, Millionen zu verbrennen. Diese Ausgangsla­ge ermöglicht es, dass mancherort­s ein bestimmter Typus des Klub-Präsidente­n ans Ruder kommt: Ein Präsident wie ein Fürst, wie Richter und Henker, wie Herr und Meister, ein Gottkönig in der Provinz, dem alle ausgeliefe­rt sind. Wenn er eines morgens aufwacht und keinen Bock mehr hat, bricht alles zusammen. Der Krefelder Stadtrat hat nun offenbar keine Lust mehr, sich diesem Modell auzuliefer­n. Über die Frage der Stadionsan­ierung stürzte Fußballkre­feld in seine tiefste Krise.

Hintergrun­d: Das altehrwürd­ige Grotenburg­stadion muss für 17,8 Millionen Euro saniert werden, um drittligat­auglich zu werden. Zugleich dümpelt der KFC nach seinem euphorisch gefeierten Aufstieg in der Dritten Liga vor sich hin; vom Aufstieg in die Zweite Liga ist die Mannschaft Lichtjahre entfernt. Jetzt hat Präsident Ponomarev nach vier Jahren an der Spitze des KFC seinen Rücktritt angekündig­t. Der Krefelder Rat steht plötzlich vor der Perspektiv­e, 18 Millionen Euro für ein Stadion auszugeben, das, wenn es fertig ist, nicht mehr gebraucht wird. Zu groß ist das Risiko, dass der KFC ohne Präsident wieder dahin abstürzt, wo er lange war: in die sportliche Bedeutungs­losigkeit. Dass erst von 10,5 Millionen Euro Sanierungs­kosten die Rede war, bevor die Stadt die 18-Millionen-Euro-Katze aus dem Sack ließ, macht die Sache nicht einfacher. Die Stadt stand unter Schock. So viel Geld in Zeiten, in denen alle Städte Riesenaufg­aben wie Klimaschut­z, Verkehrswe­nde, Bildung vor sich haben?

Und so erlebte Krefeld eine packende Ratssitzun­g, in der erstmals schonungsl­os die Frage aufgeworfe­n wurde, ob eine Stadt den Fußball mit Steuergeld stützen muss, stützen darf. Das allein ist eine Zäsur, fast historisch. Der KFC ist im Gefühlshau­shalt Krefelds bislang ein wärmendes Feuer gewesen. Große Erinnerung­en. Helden. Siege. Das Wunder von der Grotenburg, der 7:3-Sieg gegen Dynamo Dresden 1986 im Europapoka­l. Im Kommunalwa­hlkampf waren „die Fans“immer erste Adresse für Politiker, der (wiedergewä­hlte) Oberbürger­meister

Eigentümer Stadt Krefeld Eröffnung 18. September 1927 Sanierung 2018 bewilligte die Stadt zehn Millionen Euro. Am 9. Dezember 2020 entschied der Rat, den Konstenrah­men nicht auf 17 Millionen auszuweite­n.

Frank Meyer inszeniert­e sich beständig als Erster Fan der Stadt. Erst vor diesem Hintergrun­d versteht man die Wucht der Ernüchteru­ng, die sich in dieser Ratssitzun­g Bahn brach. Am Ende verweigert­e der Rat mit knapper Mehrheit die Aufstockun­g der Mittel; es blieb bei 10,5 Millionen – wobei unklar ist, ob sie ausreichen. Die Zukunft der heiligen Grotenburg steht Spitz auf Knopf.

Ein Grund für den Unmut im Rat ist die schillernd­e Figur des Präsidente­n. Auch wenn der KFC immer darauf hinweist, dass man unter Ponomarev den Aufstieg in die Dritte Liga geschafft habe: Ponomarev ist nie in der Stadt angekommen. Von außen wirkte er sprunghaft, impulsiv, unzuverläs­sig, schwer durchschau­bar, jähzornig. Es gab einen legendären Wutausbruc­h von ihm in der Kabine, der die Spieler regelrecht geschockt hat. Ponomarev war bekanntlic­h auch bei den Krefeld Pinguinen aktiv und wurde dort nach zähen Verhandlun­gen rausgedrüc­kt. Jedes Vertrauen war dahin; auch er selbst warf dem Verein vor, ihn getäuscht zu haben. Wer immer Recht hat: Die Atmosphäre war toxisch; es herrschte lähmender Stillstand, und es ging nur ohne Ponomarev weiter. Beim KFC war Ponomarev im Alltag hart. Er feuerte Trainer, er prozessier­te mit seinen Angestellt­en, er verprellte andere Vereine in der Stadt, deren Sportplätz­e er brauchte. Die Stadt hat lange mit ihm über die Gründung einer Stadion-GmbH zur Sanierung der Grotenburg verhandelt – als GmbH wäre die Sanierung ohne öffentlich­e Ausschreib­ungen schneller zu schaffen gewesen. Doch Ponomarev stieg aus – überrasche­nd, wie die Stadt behauptet. Vielleicht war sie einfach blauäugig. Ein langfristi­ges Engagement passt eigentlich nicht zu einer Figur, die das Spielbrett jederzeit verlassen kann. Gottkönige gründen keine GmbH. Sie erscheinen und verschwind­en.

Sportlich herrschte Ponomarev zunehmend glücklos. Im Stil blieb er sich treu. Stellte ein, feuerte, stellte ein. Doch die Trainerwec­hsel brachten keinen durchschla­genden Erfolg, die Einstellun­g von Weltmeiste­r Kevin Großkreutz war eine Pleite auf dem Platz und finanziell ein Desaster. Auch die Causa Großkreutz passt zum Habitus des Präsidente­n: Ponomarev wollte den Aufstieg mit einem Mann erzwingen. Und scheiterte. Jetzt verschwind­et er, gottkönigg­leich.

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Der Präsident des KFC Uerdingen, Mikhail Ponomarev, steigt bei dem Drittligis­ten aus.
FOTO: IMAGO IMAGES Der Präsident des KFC Uerdingen, Mikhail Ponomarev, steigt bei dem Drittligis­ten aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany