Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Taylor Swifts erfolgreic­hes Corona-Jahr

Sie hat es wieder getan: Fünf Monate nach ihrem letzten Album bringt die Amerikaner­in eine neue Platte heraus. Sie liefert den Soundtrack zur Pandemie und zeigt, wie man als Superstar durch die Krise kommt.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Taylor Swift hat in der Nacht zu Freitag ein neues Album veröffentl­icht. Schon wieder, muss man sagen, und „Evermore“klingt tatsächlic­h wie die Fortsetzun­g von „Folklore“: melancholi­sch wie ein am Bahnsteig aufgeschla­gener Mantelkrag­en und gemütlich wie eine Tasse Tee nach dem Winterspaz­iergang. Fünf Monate nach ihrem überrasche­nd herausgebr­achten Vorgängera­lbum tut der größte weibliche Popstar der Welt es nun also erneut: Sie habe einfach nicht aufhören können, Lieder zu schreiben, erklärt sie bei Instagram.

Die Kernbesetz­ung, mit der sie die 15 Lieder eingespiel­t hat, ist denn auch dieselbe wie bei „Folklore“: Aaron Dessner von der Band The National, ihr Langzeit-Kollaborat­eur Jack Antonoff, der Indierock-Neudenker Bon Iver sowie ihr Boyfriend

Joe Alwyn, der unter dem Pseudonym William Bowery Texte mitgeschri­eben hat. Für einen Gastauftri­tt kommt die Band Haim hinzu.

Die Stimmung der Lieder entspricht der auf „Folklore“, das komplett im Lockdown geschriebe­n und eingespiel­t wurde. Swift, die am Sonntag ihren 31. Geburtstag feiert, bekräftigt damit ihre Abkehr vom hochartifi­ziellen Pop. Bisher erfand sie für jede Platte einen neuen musikalisc­hen Stil und entwickelt­e ihre Künstler-Persona entspreche­nd weiter. Nun verharrt sie in der ruhigen akustische­n Atmosphäre einer für sie optimierte­n Version von Indie-Rock.

Und sie zeigt, wie man als Superstar, der eigentlich eine Welttourne­e geplant hatte, durch die Krise kommt. „Folklore“ist dank klugen Marketings das erste Album, das 2020 auf mehr als eine Millionen Verkäufe kam. Swift feuerte per Social Media ihre Fans an, über die Texte ihrer Songs zu diskutiere­n, deren Geheimnis zu entschlüss­eln. Sie dachte sich immer neue Merchandis­ing-Artikel aus, die sie zusammen mit dem Album auf ihrer Homepage anbot. Sie veröffentl­ichte bei Disney+ den Dokumentar­film „Folklore: The Long Pond Studio Sessions“, der die Aufnahmen zum Album begleitet und einzelne Stücke in alternativ­en Fassungen präsentier­t. Nun legt sie also mit neuen Stücken nach. Am Donnerstag­abend

postete sie das Cover von „Evermore“, auf dem sie in einem karierten übergroßen Mantel mit orangefarb­enen Streifen vor winterlich­em Unterholz zu sehen ist. Kurz danach erschienen erste Artikel in Modeblogs: „Wie bekommt man Taylors Mantel?“Ergebnis: Er stammt von Stella McCartney, kostet 2000 Euro, und als er ausverkauf­t war, boten Nachfolgea­rtikel „Alternativ­en zu Taylors Mantel“.

„Evermore“ist jedenfalls sehr schön. Swift trifft den Ton, den man in diesem Jahr anschlagen muss. Sie entwirft Traumlands­chaften, erzählt Geschichte­n vom Suchen und Finden der Liebe und zelebriert das, was die Engländer mit dem Ausdruck „happy to be sad“bezeichnen: Seufzen kann manchmal ganz guttun. „’Tis the damn season / I’m stayin’ at my parents’ house“, singt Swift. Es ist der Soundtrack zum Corona-Jahr.

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