Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Auf der Suche nach dem richtigen Baum
Am Halveshof von Albert Kamerichs gibt es Weihnachtsbäume aus eigenem Anbau. Die Kunden schätzen das, gefragt ist vor allem die Nordmanntanne. Groß, breit und gut zu schmücken soll sie sein. Für Kamerichs ist es die letzte Saison.
HERRATH „Das ist er“, sagt Helga Huppertz begeistert zu ihrem Mann Helmut. Gleich die erste Tanne, die Verkäufer Jörg Wermuth dem älteren Ehepaar zeigt, trifft den Geschmack. Helmut Huppertz beäugt die 1,50 Meter hohe Tanne noch aus einiger Entfernung, nickt sie dann aber ebenfalls ab. Nach welchen Kriterien sie gesucht haben? „Oben darf er nicht so kahl sein, er muss schön gewachsen und für uns nicht so groß sein“, sagt Helga Huppertz. Für die Tochter nehmen sie auch noch eine Tanne mit. Jörg Wermuth schultert beide Bäume bis zum Auto. Mit zwei Nordmanntannen verlassen sie den Halveshof in Herrath.
Wermuth hilft seit mehr als 15 Jahren beim Verkauf der Weihnachtsbäume auf dem Hof. Normalerweise ist er Beamter, nimmt sich jedes Jahr dafür aber extra Urlaub. „Es ist ein schöner Ausgleich zum Büroalltag“, sagt er. Am späten Mittag ist das Geschäft aber noch überschaubar. Viele Kunden kommen nicht, es bleibt Zeit, die Bäume einzunetzen und auf der Verkaufsfläche vor einer großen Traktorhalle zu platzieren.
Erst ab nachmittags, wenn Feierabend ist, sei mehr los, sagt Wermuth. Und ohnehin wäre wochentags kein Vergleich zu den Wochenenden. Dann werde es voll. Um dem Andrang coronakonform zu begegnen, wird die Verkaufsfläche dann komplett eingezäunt und auf je einen Ein- und Ausgang durch die Traktorhalle reduziert. „Die Leute müssen dann eben länger anstehen“, sagt Albert Kamerichs, ihm gehört der Halveshof.
Für Kamerichs ist es die 43. Saison im Weihnachtsbaumverkauf – und seine letzte. „Langsam ist es ratsam, aufzuhören“, sagt der 66-Jährige. Den Baumverkauf und die 2,5 Hektar an Plantagen im Umfeld übergibt er an einen Betrieb aus Tönisvorst. Seinen Abschied hat er sich jedoch anders vorgestellt: „Normalerweise stehen in der Halle an den Adventswochenenden sieben Buden. Freunde und Bekannte verkaufen Selbstgemachtes wie Marmelade, Likör und Handwerk.“Dazu gebe es kostenlos Glühwein sowie Grünkohl oder Geschnetzeltes. Es sei immer richtig was los gewesen, sagt Kamerichs. In diesem Jahr allerdings coronabedingt nicht. Die Halle wirkt groß und leer, die Traktoren stehen noch drin. „Es ist schade. Ich hätte mich lieber anders verabschiedet und es gerne so in Gedanken behalten, wie es war“, sagt Kamerichs. Einen Fünf-Meter-Baum mit Weihnachtsschmuck in der Halle hat er sich aber nicht nehmen lassen.
Die Saison am Halveshof begann dieses Jahr an Allerheiligen mit der Baumschau. Dann kommen Kunden und suchen sich auf der Plantage bereits den Baum aus, den sie dann irgendwann abholen. Die Pandemie habe ihm für diesen Termin deutlich mehr Zulauf beschert, glaubt Kamerichs. „Die Leute konnten ja kaum etwas machen. Dann kommen sie eben zum Baumschauen“, sagt er. Rund 300 Leute seien gekommen, teilweise hätten sie bis zu 45 Minuten anstehen müssen. Wonach gesucht wird? „Groß, breit und gut zu schmücken soll der Baum sein. Bei den meisten geht es schnell. Es gibt aber auch welche, die haben nach einem Tag noch nichts gefunden“, sagt Kamerichs.
Für Waldtraut Lagerin muss der Baum eine schöne Form haben. „Er soll außerdem nicht picken.“Sie habe schon oft Bäume auf dem Halveshof gekauft. An diesem Tag findet sie aber noch nicht den richtigen Baum. Ein älterer Mann entscheidet sich nach langem Schauen und Beratung hingegen für eine zwei Meter hohe Nordmanntanne. 20 Euro kostet der Meter dieses Jahr.
Inzwischen trifft eine neue Traktor-Ladung Bäume von den Plantagen ein. „150 Bäume haben wir heute Morgen geschnitten, mit drei Mann. Um halb acht ging es los“, sagt Ron Frentzen und fügt an: „Das Schultern der Bäume wird irgendwann schon anstrengend“. Er hilft seit fünf Jahren auf dem Hof aus, macht derzeit eine Ausbildung zum Forstwirt. „Ich habe mir extra frei genommen. Ich mag das Gesellige hier zur Weihnachtszeit immer gerne.“
Kamerichs produziert auf seinen Plantagen mittlerweile nur noch
Nordmanntannen, andere Sorten wie Blaufichte, Korktanne oder die Nobilistanne tauscht er mit anderen Händlern. „Die Nordmanntanne ist der favorisierte Baum“, sagt er. Vorteil: Er hält lange und nadelt wenig. „Außerdem gibt es nie krumme Bäume, die wachsen immer gerade“, sagt Kamerichs. Nachteil: Nordmanntannen duften nicht. „Sie riechen nach gar nichts.“Trotzdem verkaufe er zu 75 Prozent Nordmanntannen.
Für den dritten und vierten Advent erwartet Kamerichs erfahrungsgemäß noch einmal starke Umsätze. Wie viele Bäume er pro Saison verkauft, will er aber nicht sagen. An Umsatzeinbußen wegen Corona glaubt er hingegen nicht. Eher im Gegenteil. „Viele Leute, die sonst über Weihnachten in den Urlaub fahren, können das dieses Jahr nicht. Die brauchen auch einen Baum.“
Welchen Baum er sich selbst ins Wohnzimmer stellt? „Gar keinen“, sagt Kamerichs, „ich bin über die gesamte Adventszeit von morgens bis abends von Bäumen umgeben. Da brauche ich keinen mehr an Weihnachten zu Hause.“Es freue ihn mehr, wenn er andere mit dem richtigen Baum glücklich machen könne.