Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Thiel und Boerne in Grevenbroich
Im vergangenen Fall war der Gerichtsmediziner in der Vorhölle gefangen – im neuen Fall „Es lebe der König!“ermitteln der Kommissar und er im „Münster-Tatort“praktisch im Paradies.
MÜNSTER Nichts ist beständig, nur der Wandel – und die Popularität des „Münster-Tatorts“. Der ist bekanntlich die Fernsehen gewordene Systemgastronomie: Da weiß man, was man kriegt. Ist ja auch was wert.
Dabei hat der vergangene Fall gezeigt, dass es auch anders – nämlich besser – geht: Das Experiment „Limbus“um Boernes Nahtod-Erfahrung vor erst einem Monat war sozusagen ein Ausrutscher. Doch siehe da, der kaum hoch genug zu lobende Mut der Macher wurde belohnt mit der besten Einschaltquote des TV-Jahres überhaupt: Hochgerechnet 13,15 Millionen Zuschauer sahen zu – mehr als beim Finale der Champions-League im Fußball. Auch Thiels langjährige Assistentin Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) wurde in „Limbus“wenigstens mit Verspätung charmant verabschiedet. Ihr Abgang als Mordopfer in der improvisierten Sonderfolge zu Neujahr hatte seltsam deplatziert gewirkt.
Nun mag man behaupten, dass ein herkömmlicherer Comedy-Krimi mit Thiel und Boerne auf noch mehr Gegenliebe gestoßen wäre, zumal das Land in diesem Jahr nach Normalität förmlich lechzt. Wie ernst diese Theorie zu nehmen ist, wird die Quote von „Es lebe der König!“zeigen. Womöglich wirken die Warnungen der Kritiker einmal mehr als Werbung.
Fakt ist: Im 38. Fall ist alles wie immer. Dem neuen Assi Mirko Schrader (Björn Meyer) werden die Gags ebenso lustlos-routiniert auf den Leib geschrieben wie dem Stammpersonal: Schnösel Boerne und der bauernschlaue Proll Thiel frotzeln um die Wette, Thiel Senior kifft sich das Resthirn weg, kopfschüttelnd daneben stehen die Harte (Staatsanwältin Klemm) und die Zarte (Rechtsmedizinerin Haller). Der Fall ist Nebensache aus Tradition; diesmal geht es um verarmten Adel und einen neureichen „König der Schausteller“, ungewöhnliche erotische Vorlieben, etwas häusliche Gewalt sowie die „gewaltpornografische Ausschlachtung der Münsteraner Geschichte“(Boerne).
Dieser Film ist ein schwächeres Produkt aus der Münsteraner Manufaktur,
die längst zur Fabrik geworden ist. Was auch kein Weltuntergang ist. Wer um 1909 ein günstiges Automobil vom Typ „Model T“wollte, bekam es laut Henry Ford „in jeder Farbe – solange diese Farbe schwarz ist“. Wer Thiel und Boerne will, bekommt Thiel und Boerne. Und die sind auch schlecht noch recht beliebt. In diesem Fall muss man den Machern zudem zugutehalten, dass die Produktionsbedingungen im Sommer deutlich erschwert waren.
Das Beste an diesem Film jedenfalls kommt zweifellos vom Niederrhein,
nämlich der Hauptschauplatz des Krimis. Die angebliche Münsteraner Burg „Haus Lüdecke“ist tatsächlich das imposante Schloss Hülchrath in Grevenbroich. Erstmals urkundlich erwähnt wurde das Gebäude bereits im Jahr 1120. Und diese Bilderbuch-Festung wird garantiert auch dann noch stehen, wenn dereinst der letzte Münster--Krimi gesendet sein wird. Wiederholungen natürlich ausdrücklich ausgenommen.
„Tatort: Es lebe der König!“, Das Erste, 20.15 Uhr