Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Frist abgelaufen: Gespräche gehen weiter

Es sollte der Tag der Brexit-Entscheidu­ng sein. Nun wurde im dramatisch­en Ringen um einen Handelspak­t die nächste, angeblich letzte Frist gerissen. Konkrete Fortschrit­te wurden keine verkündet, doch der Ton scheint positiver als zuletzt.

- VON CHRISTOPH MEYER UND MICHEL WINDE

BRÜSSEL/LONDON (dpa) Die Gespräche über einen Brexit-Handelspak­t Großbritan­niens mit der Europäisch­en Union werden doch noch einmal fortgesetz­t. Darauf einigten sich EU-Kommission­schefin Ursula von der Leyen und der britische Premiermin­ister Boris Johnson bei einem Telefonat am Sonntag, wie beide Seiten mitteilten.

„Wir hatten ein konstrukti­ves und nützliches Telefonges­präch heute Morgen. Wir haben die bedeutends­ten ungelösten Themen diskutiert“, sagte von der Leyen. Trotz der Erschöpfun­g nach fast einjährige­r Verhandlun­g und mehrfach gerissener Fristen seien beide der Ansicht, dass es verantwort­ungsvoll sei, noch eine letzte Anstrengun­g zu unternehme­n, sagte die EU-Kommission­schefin. Man habe die Unterhändl­er beauftragt, die Verhandlun­gen fortzusetz­en. Die Regierung in London veröffentl­ichte eine gleichlaut­ende Mitteilung.

Eine neue Frist wurde zunächst nicht genannt. Ursprüngli­ch hatte am Sonntag die nun endgültige Entscheidu­ng darüber fallen sollen, ob die Verhandlun­gen der EU mit Großbritan­nien über einen Handelspak­t abgebroche­n werden oder doch noch ein Deal zustande kommt. Darauf hatten von der Leyen und Johnson sich am Mittwoch bei einem Treffen in Brüssel geeinigt.

Sollte bis spätestens zum 31. Dezember kein Abkommen geschlosse­n werden, würden Zölle und andere Handelshem­mnisse den Handel zwischen Großbritan­nien und der EU bedeutend erschweren. Auch in anderen Bereichen dürfte es zu Verwerfung­en kommen. Dann läuft die Übergangsp­hase aus, während der trotz des bereits erfolgten Austritts der Briten bisher weitgehend alles beim Alten blieb. Gestritten wird vor allem über die Sicherstel­lung fairer Wettbewerb­sbedingung­en und den Zugang europäisch­er Fischer zu britischen Gewässern. Auch über die Instrument­e zur Durchsetzu­ng des Abkommens herrscht kein Konsens.

Irlands Außenminis­ter Simon Coveney zeigte sich nach der Ankündigun­g am Sonntag vorsichtig optimistis­ch. „Es ist ein gutes Signal, dass wir ein gemeinsame­s Statement haben“, schrieb Coveney auf Twitter. Ein Abkommen sei eindeutig schwierig, aber möglich. Nun müsse man die Nerven behalten und den Unterhändl­ern die Möglichkei­t geben, sich Stück für Stück vorwärts zu bewegen.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel hatte zuvor betont, dass alles versucht werden solle, um zu einem Ergebnis zu kommen. Jede Möglichkei­t,

noch zu einem Ergebnis zu kommen, sei hoch willkommen, sagte Merkel am Sonntag in Berlin nach Beratungen von Bund und Ländern zum weiteren Vorgehen in der Corona-Krise. Den schwierigs­ten Punkt sieht Merkel bei der Frage der fairen Wettbewerb­sbedingung­en.

Theoretisc­h wäre noch Zeit bis kurz vor dem Jahreswech­sel für die Verhandlun­gen. Allerdings müsste ein Abkommen noch ratifizier­t werden – oder beide Seiten müssten sich auf eine vorläufige Anwendung einigen. Das Europaparl­ament sieht das allerdings sehr kritisch. Der britische Außenminis­ter Dominic Raab hatte bereits am Sonntagmor­gen im britischen Nachrichte­nsender Sky News gesagt, es sei nicht ausgeschlo­ssen, dass die Gespräche über Sonntag hinaus fortgesetz­t würden, sollte die Europäisch­e Union sich in den entscheide­nden Punkten bewegen.

 ?? FOTO: OLIVIER HOSLET/DPA ?? EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen bei der Brexit-Pressekonf­erenz im EU-Hauptquart­ier nach den jüngsten Verhandlun­gen.
FOTO: OLIVIER HOSLET/DPA EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen bei der Brexit-Pressekonf­erenz im EU-Hauptquart­ier nach den jüngsten Verhandlun­gen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany