Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Mr. Tagesschau geht in Rente
An diesem Montag liest Jan Hofer zum letzten Mal die Nachrichten. Seit 36 Jahren ist er „Tagesschau“-Sprecher im Ersten.
DÜSSELDORF Kleine Geheimnisse machen interessant. So ist es wohl zu bewerten, dass „Tagesschau“-Sprecher Jan Hofer seit langem die Wikipedia-Angabe zu seinem Alter als falsch bezeichnet, das wahre Datum aber partout nicht nennen will. Auch steht dort, dass er eigentlich Johannes Neuenhofer heißt, was Hofer bestreitet. Er habe mehrfach versucht, den Eintrag zu ändern, es wegen Erfolglosigkeit aber irgendwann aufgegeben. Da er ansonsten dazu kokett schweigt, kommen als Geburtsjahr 1950, 1951 und 1952 infrage. Klar ist aber eins:
Hofers Gesicht auf dem Bildschirm vermittelt ein Gefühl von Heimat, Sicherheit, Kontinuität
Der in Wesel am Niederrhein aufgewachsene mutmaßlich 68-Jährige sagt am Montag, den 14. Dezember, zum letzten Mal vor einem Millionenpublikum „Guten Abend, meine Damen und Herren“.
Der Mehrheit der Deutschen ist Hofers Anblick wahrscheinlich so vertraut wie der eines engen Familienmitglieds, seine allabendliche Erscheinung hat sich zum integralen und unverzichtbaren Bestandteil des Wohnzimmer-Mobiliars entwickelt. Wenn Hofers Gesicht auf dem Bildschirm erscheint, vermittelt das sofort ein Gefühl von Heimat, von Sicherheit, von Kontinuität. Die „Tagesschau“ist so etwas wie ein Supertanker im unendlichen Ozean der Ereignisse, und Hofer der Lotse, der die Zuschauer hindurch navigiert, Ordnung ins Chaos bringt. Seit 36 Jahren liest er die Nachrichten, seit 16 Jahren als Chefsprecher. Und vermittelt das Gefühl, dass die Dinge schon wieder ins Lot kommen.
Die Zahl der Chefsprecher in der Geschichte der „Tagesschau“ist überschaubar, neben Hofer waren das nur Karl-Heinz Köpcke, Werner Veigel, Dagmar Berghoff und Jo Brauner. Nun übernimmt Jens Riewa, der auch schon 30 Jahre dabei ist. Das heißt, jeder von ihnen war über eine lange Zeit öffentlich extrem präsent, wurde aber, wie Hofer dem „Hamburger Abendblatt“sagte, weniger als eigenständige Person gesehen, sondern als Repräsentant der „Tagesschau“, als ein Vertreter des Systems. Wer das ablehnte, würde auch die Sprecher ablehnen. Zugleich müsse man sich bei rund 14 Millionen Zuschauern pro Ausgabe von Privatheit verabschieden. Das sollte man wissen und wollen.
Hofer wollte es, und er hat sich sowohl immer wieder privat präsentiert, zum Beispiel mit seiner Leidenschaft für Oldtimer, als auch eine andere mediale Seite gezeigt. Um nicht in Routine zu verfallen, wie er sagt. So moderierte er zeitweise die „NDR Talk Show“, das „Riverboat“, die Jazz-Reihe „Swing-Raritäten“, saß in der Jury von „Dalli Dalli“, spielte im Kinofilm „Neues vom Wixxer“mit und trat in der „Sesamstraße“auf. Wem das weit weg von Hofers allabendlicher Aura der Unnahbarkeit erscheint, weiß nicht um seine Wurzeln als Discjockey beim Saarländischen Rundfunk, wo ihn der spätere „ZDF-Hitparade“-Moderator Dieter Thomas Heck förderte. Sein schnelles Mundwerk hat Hofer dabei nicht geerbt: Riewa gilt als der schnellste „Tagesschau“-Sprecher und schafft schon mal eine Meldung mehr. Als Oldtimer-Fan mag es Hofer lieber gemächlich.
Seine späteren Ausflüge ins Showbiz absolvierte der Niederrheiner natürlich mit der gebotenen Würde und Distanz, die einem „Tagesschau“-Sprecher angemessen ist. Bloß niemals die Marke beschädigen. Hofer war sich dessen immer bewusst, und er identifizierte sich mit seiner Aufgabe. Als Chefsprecher lebte er eine Zeitlang im Hamburger Stadtteil Lokstedt, wo auch das „Tagesschau“-Studio ansässig war, um notfalls schnell einspringen zu können. Was gelegentlich vorkam. Dazu holte er andere Kollegen ins Team – Judith Rakers zum Beispiel –, kümmerte sich um Dienstpläne und ein gutes Arbeitsklima. Sein Credo: Sich vorzustellen, man spreche nicht vor einem Millionenpublikum, sondern vor einem einzigen Menschen. Wobei er Lampenfieber heute ohnehin nicht mehr kennt. Das Studio, erzählte er, sei längst so etwas wie sein Wohnzimmer.
Auch wenn der Vater von vier Kindern – drei erwachsene hat er aus erster Ehe – mehr Zeit mit seinem fünfjährigen Sohn Henry und seiner Frau Phong Lan verbringen will, ganz in den medialen Ruhestand möchte sich Hofer nicht verabschieden. Möglicherweise sei ein Podcast geplant, ließ er verlauten. Erst einmal wartet eine andere Premiere: Am Montagabend wird Hofer am Ende der „Tagesschau“ein paar persönliche Abschiedsworte ans Publikum richten. Bevor er sein und unser Wohnzimmer für immer verlässt.