Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Borussia kommt an Rotation nicht vorbei
Trainer Marco Rose hat aktuell keine Wahl, als kräftig durchzuwechseln. Gegen Berlin reicht das nur für einen Punkt.
MÖNCHENGLADBACH Stefan Lainer wollte vor einigen Tagen im Interview mit unserer Redaktion kaum wahrhaben, dass er bislang äußerst selten pausiert hat. Gegen den FC Schalke 04 hatte er jüngst erstmals in anderthalb Jahren bei Borussia Mönchengladbach von Beginn an auf der Bank gesessen. „Daran will ich mich auch nicht unbedingt gewöhnen“, sagte der 28-Jährige mit einem trotzigen Lachen. „Der Trainer hat mich das eine oder andere Mal früher rausgenommen. Die paar Minütchen sind auch Schonung. Mir ist es so aber lieber. Ich habe einfach Bock darauf, zu spielen.“
Am Samstag gegen Hertha BSC saß Lainer zum zweiten Mal draußen. Die Personalie allein darf als Indiz gewertet werden, dass Borussia vor den kurzen Weihnachtsferien enorm mit den Kräften haushalten muss. Ein weiteres: Marco Rose hat gegen Hertha einen neuen Saisonrekord aufgestellt. Zum ersten Mal veränderte der Trainer die Startelf auf sechs Positionen. „Es ist momentan unabdingbar, viel zu rotieren und den Jungs eine Pause zu geben“, sagte er nach dem 1:1, durch das die Fohlen einen Platz in der Tabelle (Achter statt Siebter), einen Punkt auf die Champions-League-Plätze (vier statt drei) und keinen auf die Europa-League-Plätze einbüßten (punktgleich mit Union Berlin).
Im Vergleich zur Vorsaison hat
Borussia nach elf Spieltagen acht Punkte weniger auf dem Konto. Gegen Hertha gab es ein Besser-alsnichts-Remis, beim vierten 1:1 im Borussia-Park in dieser Saison holte Roses Mannschaft nach drei verspielten Führungen erstmals einen Rückstand auf. „Wenn man sieht, dass wir extrem rotiert haben, ist ein Punkt okay“, sagte Torwart Tobias Sippel, der Yann Sommer (Adduktorenprobleme) ersetzt hatte. „Aber wir wissen, dass wir gerade zu Hause einfach zu wenig Punkte holen. Da müssen wir nachlegen. Hertha war ein direkter Konkurrent um die internationalen Plätze. Deshalb war es völlig in Ordnung.“
„Zu wenig“und doch „völlig in Ordnung“– diese beiden Gefühlswelten ließen sich durchaus vereinbaren im Lager der Borussen. Rose hatte seinen Rotations-Schnitt von rund drei Wechseln pro Spiel deutlich übertroffen. Aber wie hätte er es auch anders handhaben sollen?
Auf den Flügeln begannen Patrick Herrmann und Ibrahima Traoré. Der eine holt in der vereinsinternen Rekordspielerliste bald Günter Netzer ein, seine Einsätze stellen nun keine Überraschungen dar. Der andere dagegen feierte seine Startelf-Premiere in dieser Saison und konnte sich nicht für weitere empfehlen. Nur so konnten allerdings Lars Stindl, Marcus Thuram und Alassane Plea gemeinsam eine Pause erhalten. Präventive Wechsel sind hilfreicher als bitternötige, schwerer verletzt haben sich Borussen im Saisonverlauf nur bei der Nationalmannschaft.
Weiterhin keine Minute hat Matthias Ginter verpasst, sein DFB-Kollege Florian Neuhaus liegt in Gladbach jetzt auf Platz zwei. Für einen feinen Chip-Ball, den Ginter zu Torschütze Breel Embolo weiterleitete, reichten die Kräfte in der 70. Minute noch. Fünf Minuten vorher hatte Rose in einem Rutsch Plea, Thuram und Lainer gebracht. Dass er nachher überlegen musste, ob der Ausgleich nach den Wechseln fiel oder davor, war beileibe kein Fauxpas. Eine psychologische Wirkung haben drei Top-Spieler als Joker sicherlich, aber die gute Phase, die zum Ausgleich führte, hatten andere angeschoben. Eine Stammelf wie noch zu Beginn der Dreifachbelastung ist nicht mehr erkennbar. Im Kader gibt es qualitative Fixpunkte, doch das Credo, dass jeder gebraucht wird, setzt der Trainer strikt um.
Mit dem Einzug ins Champions-League-Achtelfinale hat Borussia einen Haken hinter das erste Saisonziel gemacht, und was für einen. Bis Weihnachten heißen die Gegner in der Bundesliga Eintracht Frankfurt (Dienstag, 18.30 Uhr) und 1899 Hoffenheim (Samstag, 15.30 Uhr). Holt Borussia genügend Punkte für einen Sprung unter die ersten Sechs und kommt sie im DFB-Pokal gegen die SV Elversberg (22. Dezember, 20.45 Uhr) weiter, würde das Aufladen der Akkus in den kurzen Ferien deutlich leichter fallen.