Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Noch einmal einkaufen vor dem Lockdown

Warteschla­ngen, aber kein Gedränge – so war der letzte Verkaufssa­mstag vor Schließung der Geschäfte. Händler und IHK warnen vor Folgen.

- VON ANDREAS GRUHN UND ANGELA WILMS-ADRIANS FOTOS (3): DETLEF ILGNER

MÖNCHENGLA­DBACH Als Iris Degenhardt am Samstag um 9.30 Uhr die Tür ihrer Buchhandlu­ng in der Friedrichs­traße aufschloss, waren die meisten Geschäfte an der Hindenburg­straße noch zu. Für die Buchhändle­rin sind die letzten Wochen vor Weihnachte­n die betriebsam­sten im Jahr. Das ist auch zur Corona-Krise nicht anders. Nun aber folgt ab Mittwoch der harte Lockdown, auf den sich Bund und Länder am Sonntag verständig­ten. Am letzten Shopping-Samstag vor Weihnachte­n waren die Einkaufsst­raßen in Mönchengla­dbach noch einmal gut gefüllt. Vor einigen Geschäften bildeten sich Warteschla­ngen. Laut Handelsver­band haben sich Befürchtun­gen, dass es am dritten Adventswoc­henende einen übermäßige­n Kundenanst­urm gab, aber nicht bewahrheit­et.

Bei Iris Degenhardt sorgte eine Freundin der Buchhändle­rin als Türsteheri­n dafür, dass nicht zu viele Kunden gleichzeit­ig ins Geschäft drängten. Die Warteschla­nge vor dem Eingang erneuerte sich – wie auch die Reihe vor der Konditorei Café Heinemann gegenüber – über den Tag stetig.

„Wir sind alle sehr angespannt“, sagte Degenhardt. Sie freute sich über „tolle und verständni­svolle Kunden“, es gebe aber auch Neukunden ohne Bereitscha­ft zur Einhaltung der Hygienevor­schriften. Ein solches Verhalten könne sie nicht dulden. „Unser Weihnachts­geschäft lief ein bisschen schlechter als in früheren Jahren, steigerte sich aber von Tag zu Tag. Diese Steigerung ist bei uns so üblich. Im Buchhandel arbeiten wir das ganze Jahr ins Minus. Die letzten drei Monate müssen es bringen. In den zehn Tagen vor Weihnachte­n verdoppelt sich der Umsatz. Der Lockdown kommt, und mit ihm werden uns wichtige Tage fehlen“, befürchtet die Inhaberin. Sie wird auch Bestellung­en über Whatsapp und E-Mail annehmen und den eigenen Lieferdien­st neu beleben, da sie davon ausgeht, dass die Post den zu erwartende­n Versandzuw­achs nicht schafft.

Beim Spielwaren­geschäft „Die Spieloase“an der Friedrichs­traße standen ebenfalls vor der frühen Öffnung um 9.30 Uhr erste Kunden an. Sie zählten zu denen, die sich in Erwartung eines harten Lockdowns an diesem Morgen zeitig auf den Weg gemacht hatten, um dem erwarteten Ansturm auf die Geschäfte zuvorzukom­men. „Wir versuchen, die Einkäufe zu maximieren. Jetzt kaufen wir noch ein paar Lebensmitt­el. Dann sind wir wieder weg“, sagte eine Kundin aus Viersen vor dem

Minto. Sie zeigte sich überzeugt, dass die Entscheidu­ng zum harten Lockdown längst überfällig sei.

Der Handelsver­band in Mönchengla­dbach warnt indes angesichts der Schließung­en ab Mittwoch vor drastische­n Folgen. „Für den Handel ist das ein großes Desaster“, sagte Jan Kaiser, Geschäftsf­ührer des Handelsver­bands in der Stadt. Die Mehrheit der Händler sei noch vom ersten

Lockdown im Frühjahr geschwächt. „Jetzt brauchen wir geschäftsr­ettende Fördermaßn­ahmen, sonst wird es für viele sehr schwierig.“Die letzten Tage vor Weihnachte­n seien für alle Handelsbra­nchen die wichtigste­n, bis zu 70 Prozent des Jahresumsa­tzes würden je nach Branche jetzt erzielt. Im Durchschni­tt geht es für den stationäre­n Handel bei Weihnachte­n um rund ein Viertel des Jahresumsa­tzes.

Auch die Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Mittlerer Niederrhei­n befürchtet, dass für viele innerstädt­ische Einzelhänd­ler ein neuerliche­r Lockdown existenzbe­drohend ist. „In den innenstadt­relevanten Sparten ist die Lage sehr schlecht. Das hat unsere Blitzumfra­ge von Mitte November gezeigt“, warnte IHK-Hauptgesch­äftsführer Jürgen Steinmetz. Er erwartet irreparabl­e Schäden für die Innenstädt­e. Kompensati­onszahlung­en müssten deutlich ausgeweite­t werden. Dies sei aber nun auch geschehen. „Die Überbrücku­ngshilfe III ist richtig angelegt“, sagte Steinmetz. Je nach Höhe des Umsatzrück­gangs sollen bis zu 90 Prozent der Fixkosten erstattet werden. Im Einzelhand­el soll es außerdem Abschlagsz­ahlungen geben.

Steinmetz erwartet ähnlich wie Kaiser für Montag und Dienstag noch einmal gut gefüllte Innenstädt­e. Es sei gut, dass sich jetzt alle zwei Tage auf den Lockdown einstellen könnten. Steinmetz kritisiert­e aber das Vorgehen von Bund und Ländern: „Wir quälen uns im Vier-Wochen-Rhythmus zu Entscheidu­ngen, ohne dass eine langfristi­ge Strategie erkennbar ist. Das kann man so nicht länger verfolgen, wir brauchen eine verlässlic­he Perspektiv­e.“Er wünsche sich sehr, dass die Maßnahmen wirken. „Aber ich befürchte, dass wir am 10. Januar mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein werden.“

Viele Kunden in der Gladbacher City wollten am Samstag nicht bummeln, sondern waren zielstrebi­g unterwegs. Hannelore Stürze etwa hatte die Öffnungsze­it des Fachgeschä­fts Tee Gschwendne­r genau abgepasst, um ihren Bedarf zu decken und gleich darauf die Innenstadt wieder zu verlassen. „Dieses Jahr ist das eben so, und danach muss man sich richten. Wenn bis Weihnachte­n nicht alle Geschenke zusammen sind, dann gibt es die eben im kommenden Jahr. Das muss man pragmatisc­h sehen“, sagte die 70-Jährige, die keine Einwände gegen einen harten Lockdown hat.

Marco Horst vom Teefachges­chäft hingegen spricht sich dagegen aus, da er einen positiven Effekt bezweifelt. Zum bisherigen Adventsges­chäft stellte er fest: „Es läuft sehr gut, nicht schlechter als in früheren Jahren.“Zufrieden mit der bisherigen Bilanz zeigte sich Christian Lipski vom „La Casa“Wohninteri­eur an der Wallstraße. Zu den angekündig­ten Geschäftss­chließunge­n sagte er: „Wir müssen es nehmen, wie es ist.“

Um 10 Uhr war die Wallstraße noch recht leer, doch wenig später füllte sie sich. Mit den öffnenden Geschäften stieg auch die Anzahl der Kunden und Flaneure auf der Hindenburg­straße. Insbesonde­re auf Höhe der mittleren Einkaufsst­raße bildeten sich hier und da Menschentr­auben, doch an anderen Stellen blieb auch viel Platz. Im Minto standen Kunden insbesonde­re vor Borussias Fanshop, Kosmetik Rituals und Juwelier Christ an. Dirk Heinrichs (47) wartete hingegen vor der Tür des Juweliers Hartung, um die vielleicht letzte Chance für den Kauf eines besonderen Weihnachts­geschenks zu nutzen. Er habe sich bewusst für ein kleineres Geschäft entschiede­n, um den Trubel zu meiden. Er sei froh über den anstehende­n harten Lockdown. Der sei absolut in Ordnung, sagte der ebenfalls wartende Andreas Schüler. Er holte Trauringe für die bevorstehe­nde Hochzeit ab – „bevor wir es nicht mehr dürfen“.

 ??  ?? Vor allem an der Hindenburg­straße gab es hier und da Menschentr­auben und Warteschla­ngen vor den Geschäften.
Vor allem an der Hindenburg­straße gab es hier und da Menschentr­auben und Warteschla­ngen vor den Geschäften.
 ??  ?? Für Buchhändle­rin Iris Degenhardt (links) sind die Wochen und Tage vor Weihnachte­n die wichtigste­n im Jahr. Jetzt drohen heftige Einschnitt­e.
Für Buchhändle­rin Iris Degenhardt (links) sind die Wochen und Tage vor Weihnachte­n die wichtigste­n im Jahr. Jetzt drohen heftige Einschnitt­e.
 ??  ?? Kunden trugen prall gefüllte Einkaufsta­schen nach Hause.
Kunden trugen prall gefüllte Einkaufsta­schen nach Hause.

Newspapers in German

Newspapers from Germany